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Geld für gute Menschen: Wie Studenten einen Menschenrechtspreis vergeben

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Katha, bist du schon im Stress?

Ja, schon. Es ist ja jetzt kurz davor, und da gibt’s noch viel zu organisieren. Außerdem habe ich gerade erst erfahren, dass ich am Samstag moderieren muss. Und ich weiß noch gar nicht was ich da anziehen soll ...

Wann kommen denn die Preisträger?

Die kommen immer schon am Donnerstag, dass heißt, die müssen von uns abgeholt werden und dann übernachten die beim ältesten Mitglied des Arbeitskreises. Die Margarethe ist schon 75 und von Anfang an dabei. Bei der übernachten die Preisträger immer.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
Der Arbeitskreis Shalom. 

Was ist der Shalom Preis?

Ziel des Arbeitskreis Shalom ist es, einen Beitrag für die Wahrung der Menschenrechte und den Frieden zu leisten. Der Höhepunkt unseres Engagements ist dann die jährliche Vergabe des Shalom Preises. Meistens ist der zwischen 10.000 und 15.000 Euro dotiert - letztes Jahr waren es 14.600. Damit ist der Shalom Preis einer der höchstdotierten Menschenrechtspreise Deutschlands.

An wen verleiht ihr den Preis am Samstag?

Zum einen an das Projekt „Malinowka“ unter der Leitung von Irina Gruschewaja aus Weißrussland. Das ist eine Beratungsstelle in Minsk, die sich vor allem gegen den internationalen Frauenhandel und Gewalt gegen Frauen einsetzt. Diese Frauen sind oft arbeitslos und wissen nicht, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen. Deswegen geraten sie an zweifelhafte Angebote. Davor versucht sie das Projekt zu schützen - es ist eher präventiv angelegt. Das zweite Projekt, das wir auszeichnen ist das von László Sümegh in Prag. Die setzen sich für missbrauchte Kinder und Jugendliche ein. Vor allem für Strichjungen, die keinen Ausweg aus der Armut sehen.

Warum habt ihr zwei Preisträger?

Normalerweise geht das Geld immer an eine Person. Da der Preis aber sehr gut dotiert ist und sich das eine Projekt für Männer und das andere für Frauen einsetzt, hielten wir es für eine gute Gelegenheit, beide auszuzeichnen.

Wie viel Geld habt ihr denn genau zu vergeben?

Dass wissen wir noch nicht. Erst werden nämlich die Preisträger ausgezeichnet, und danach wird dann das Geld gesammelt. Durch die Preisverleihung werden noch mal mehr Leute auf den Shalom Preis aufmerksam gemacht.

Dann wissen die Preisträger am Samstag also gar nicht, über wie viel Geld sie sich freuen können?

Nein, wie viel es genau wird, können wir noch nicht sagen. Aber schätzungsweise eben zwischen 10.000 und 15.000 Euro. Wir teilen es dann in der Hälfte und überweisen das Geld ganz unspektakulär aufs Konto. In Weißrussland ist das total viel: Die brauchen 2000 Euro, um ein Heim ein Jahr lang am laufen zu halten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
Irina Gruschewaja vom Projekt "Malinowka" 

Woher kommen die Spenden?

Wir verschicken Bittbriefe an Professoren, an Eltern und Bekannte, an die Stadt.

 

Wie findet ihr die Preisträger?

Im Oktober vorher geht’s los, von da an treffen wir uns einmal die Woche. Anfangs überlegen wir uns eine grobe Thematik. Dieses Jahr waren wir sehr beeinflusst von dem Film „Trade“. Vier von uns haben sich den zusammen im Kino angeschaut. Da geht’s um Menschenhandel an der mexikanischen Grenze. Den Film fanden wir sehr krass und haben das Thema dann gesetzt. Danach schreiben wir die großen Organisationen wie „Amnesty“oder „terre des femmes“ an, und fragen, ob sie um kleinere Projekte wissen, die bis jetzt noch nicht in der Öffentlichkeit stehen und die Unterstützung bräuchten. Schließlich sammeln wir die Vorschläge und stimmen innerhalb des Arbeitskreises ab.

 

Ohne Streit?

Es gibt viele Diskussionen. Wir sind alle aus verschiedenen Fachrichtungen und haben deshalb oft sehr unterschiedliche Meinungen. Dieses Jahr war es besonders kompliziert, das Ganze mal irgendwie zu Ende zu bringen. Einige wollten dieses Jahr mal ein Projekt in unserer Nähe, weil letztes Jahr ging der Preis nach Pakistan und davor nach Ghana. Bei uns dauert alles ein bisschen länger, weil jeder mit den Entscheidungen zufrieden sein soll. Bei BWLern würde das bestimmt schneller gehen, aber wir sind eben ein sozialer AK.

 

Warum heißt euer Arbeitskreis Shalom? Ist das was jüdisches? Schließlich seid ihr auf einer katholischen Uni.

Den Arbeitskreis Shalom haben Priesteramtskandidaten 1981 gegründet; die haben sich diesen Namen ausgedacht. Es hat nichts mit "jüdisch" oder "Israel" zu tun, der Name bedeutet einfach "Frieden". Wir werden aber oft angesprochen „oh ja, das ist die israelische Gruppe“. Deshalb überlegen wir schon seit Jahren, den Namen zu ändern. Andererseits: Wir heißen komplett "Arbeitskreis Shalom für Gerechtigkeit und Frieden", und darauf legen wir auch Wert.

 

Wie viele seid ihr eigentlich?

Schwer zu sagen, weil nicht alle immer kommen; aber so zehn bis zwölf Leute sind es schon. Zu uns gehören eine Dozentin für Sozialpädagogik, unser ältestes Mitglied Magerethe und darüber hinaus nur Studenten.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert
Katha 

Nachdem sie von eurer finanziellen Unterstützung erfahren hatte, soll die Preisträgerin von 2006 aus Ghana die ganze Nacht im Zimmer getanzt haben. Wie reagieren die Glücklichen auf die unverhoffte Nachricht?

Die Preisträger sind immer sehr überrascht und man muss ihnen erstmal erklären, um was es geht. Der AK Shalom ist ja nicht wirklich bekannt. Mein tollstes Erlebnis war aber Bischoff Coutts, der Preisträger vom letzten Jahr aus Pakistan. Er hat sich nicht nur für den Frieden eingesetzt, sondern hat ihn auch tatsächlich ausgestrahlt. Ich hab noch nie eine Person getroffen, die so friedvoll war, und den ganzen Raum erstrahlt hat.

 

War einer von euch schon mal in Weißrussland oder Tschechien vor Ort, oder wurdet ihr jetzt dahin eingeladen?

Bis jetzt noch nicht, aber vielleicht ergibt sich was, wenn wir sie dann kennenlernen. Zwei von uns haben aber mal einen ehemaligen Preisträger in Ägypten besucht.

 

Habt ihr denn mit eurem Preis wirklich schon was bewegt oder dient er nur zur „Selbstbefriedigung“ des studentischen Gewissens?

Wir haben auf jeden Fall was bewegt. Der Herr Sümegh beispielsweise kann mit unserem Geld ein Haus bauen. Mit 15.000 Euro kann wirklich viel geleistet werden in armen Ländern. Ich habe die Projekte nicht besucht, aber die Initiatoren schreiben uns teilweise Briefe, was damit gemacht wurde. Was genau mit dem Geld geschehen ist, weiß ich aber nicht.

 

Hast du eine Erklärung, warum es so schwer ist, Leute zu rekrutieren? Von 5.000 Studenten machen ja bloß zehn in eurem Arbeitskreis mit.

Das ist doch immer so. Erstmals glaub' ich, der Name lockt nicht alle an. Bei "Shalom" denken viele, dass es eine religiöse Gemeinschaft ist. Und viele wollen sich nicht über das hinaus, was sie privat betrifft, öffentlich engagieren. Wir hören oft von Leuten, dass sie cool finden was wir machen, aber die Initiative ergreifen und selber mitarbeiten will dann doch keiner. Ich muss aber auch gestehen, dass ich quasi reingerutscht bin, weil ich drei Leute kannte, die beim Arbeitskreis dabei waren.

 

Warum engagierst du dich lieber beim AK Shalom als beispielsweise bei „Amnesty International“?

Bei Amnesty hat man nicht so viel Mitbestimmungsrecht. Beim AK Shalom kann man wirklich was entscheiden.

 

Hat euer Preis was mit der Kirche zu tun? In der Vergangenheit wurde er ja recht oft an Bischöfe vergeben.

Nein, wir suchen niemanden danach aus, ob er sich aus einer kirchlichen Gemeinschaft raus engagiert. Wir werden aber von der Kirche unterstützt, sie spendet jedes Jahr 3.000 Euro.

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