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Der Bundesfinanzhof hat am vergangenen Mittwoch zwei Urteile gefällt, die bald allen im Studium oder in der Berufsausbildung zugute kommen könnten: Eine Medizinstudentin und ein Pilot haben erstritten, dass sie die Ausgaben, die sie aufgrund ihrer Ausbildung tätigen oder getätigt haben, steuerlich absetzen können. Ab sofort sollten also alle Belege nicht mehr in den Müll, sondern in einen großen Schuhkarton unterm Bett wandern. Damit aber niemand in diesem Karton ertrinkt oder schon am Mantelbogen der Steuererklärung verzweifelt und sich die Haare rauft, haben wir mit Anita Käding, Steuerabteilungsleiterin des Bundes der Steuerzahler, darüber gesprochen, was absetzbar ist, was ein Verlustfeststellungsbescheid ist und was einem das Ganze trotzdem noch bringt, wenn man aus Versehen alle Belege in den Müll geworfen hat.

 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



jetzt.de: Einer der Kläger vor dem Bundesfinanzhof hat eine Pilotenausbildung gemacht. Gilt denn für Auszubildende nicht ohnehin, dass sie Werbungskosten geltend machen können?
Käding: Das gilt nur für Azubis, die in einem normalen Lehrverhältnis stehen. Im Falle der Pilotenausbildung ist das anders, wie zum Beispiel auch bei manchen Azubis in Heilberufen, die eine spezielle Schule besuchen und keinen normalen Ausbildungsbetrieb haben. Für solche Ausbildungsgänge galt die Regelung bisher nicht.

Und durch die Urteile gilt sie nun sowohl für diese Ausbildungsgänge als auch für sämtliche Studienfächer?
Zunächst gilt das Urteil natürlich nur für die, die es erstritten haben. Aber es ist ein sehr wichtiges Urteil, das ähnlich schon einmal 2003 gefällt wurde. Damals wurde die Anwendung des Urteils für die breite Masse durch eine Gesetzesänderung im Jahr 2004 verhindert. Der BFH hat nun aber entschieden, dass diese Gesetzesänderung dem Werbungkostenabzug beim Erststudium nicht entgegensteht. Praktisch anwendbar ist das Urteil aber erst, wenn es im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurde. Wann dies erfolgt, ist noch unklar.

Es gibt Vermtutungen, dass das Bundesfinanzministerium versuchen könnte, dagegen vorzugehen, weil ihm ansonsten ein hoher Verlust an Steuergeldern bevorsteht.
Ich halte es für sehr unwahrscheinlich, dass das Bundesfinanzministerium diesmal wieder einschreitet und versuchen wird das Urteil auszuhebeln, da es dann mit einer Klagewelle durch Studenten und Auszubildende rechnen müsste.

Was genau kann man denn in seiner Steuererklärung geltend machen?
Alle Kosten, die aufgrund des Studiums entstehen und die nicht der normalen Lebensführung gelten. Wenn ich zum Beispiel in München wohne, aber in Stuttgart studiere und dadurch dort eine Zweitwohnung anmieten muss, kann ich diese Zweitwohnung geltend machen. Miete für die Erstwohnung allerdings fällt nicht darunter, diese zählt zur normalen Lebensführung. Ansonsten kann man natürlich Fachliteratur, Studiengebühren, Fahrten zur Uni oder dem Ausbildungsplatz, Fahrten zur Lerngruppe, den Semesterbeitrag, Materialien für Modelle und Geräte wie zum Beispiel einen Computer oder Laptop, aber auch Büromaterial, wie Ordner, Hefter, Papier, Stifte und Kopien für das Studium ansetzen.

Aber Fachliteratur beispielsweise konnte man doch schon immer steuerlich geltend machen?
Alle diese Kosten konnten bisher schon zum Abzug gebracht werden, aber nicht als Werbungskosten, sondern als Sonderausgaben, bei denen eine Obergrenze von 4000 € im Jahr gilt. Diese Obergrenze gibt es bei den Werbungskosten nicht. Der Nachteil von Sonderausgaben ist außerdem, dass sie am Ende des Jahres verfallen, wenn sie nicht in dem Jahr verrechnet werden können. Da Studenten meist kein oder nur geringes Einkommen haben, fehlt es meist an der Verrechnungsmöglichkeit. Die Folge ist, dass diese Kosten dann praktisch keine steuerliche Wirkung entfalten.

Studenten und Auszubildende sollten nun also eine Steuererklärung machen, verrechnet wird das Ganze aber erst, wenn man nach dem Studium ein Gehalt bezieht und steuerpflichtig ist. Wie genau funktioniert das?
Man macht während des Studiums und der Ausbildung einfach jedes Jahr seine Steuererklärung. Aufgrund der Studienkosten dürfte bei der Steuererklärung bei vielen Studenten unter dem Strich ein Minus herauskommen. Das heißt, sie haben höhere Kosten durch das Studium als steuerpflichtige Einnahmen gehabt. Für dieses Minus bekommt man jedes Mal einen Verlustfeststellungsbescheid. Diese Bescheide werden dann später, wenn man verdient, bei der Steuererklärung gegen gerechnet.

Ich bin fast fertig mit meinem Studium. Kann mir das Urteil trotzdem noch nutzen?
Ja, da man die Werbungskosten mindestens für vier Jahre rückwirkend geltend machen kann. Dafür muss dann bis 31.12. dieses Jahres die Steuererklärung für 2007 eingereicht werden, denn danach tritt die Festsetzungsfrist in Kraft. Bis 31.12.2012 müsste dann die Erklärung für 2008 da sein und so weiter. Jeder, der zur Abgabe einer Steuererklärung verpflichtet ist, kann sogar für sieben Jahre rückwirkend eine Steuererklärung abgeben. Voraussetzung ist aber in beiden Fällen, dass für die betreffenden Jahre noch gar keine Steuererklärungen abgegeben wurden. Wurde eine Steuererklärung gemacht und der daraufhin ergangene Steuerbescheid ist bestandskräftig – kann also nicht mehr geändert werden – kann man keine neue Steuererklärung abgeben, sondern hat leider Pech gehabt. Ist bei einer bereits abgegebenen Steuererklärung der Steuerbescheid noch offen, können solche Kosten nachgereicht werden.

Ich habe für die vergangenen vier Jahre allerdings keine Belege für Literatur und Ähnliches aufgehoben. Gibt es Pauschalen, die ich geltend machen kann?
Grundsätzlich müssen Werbungskosten über Belege glaubhaft gemacht werden. Aber bei Studiengebühren zum Beispiel, die man ja in aller Regel nicht bar zahlt, kann jeder auf seine Kontoauszüge zurückgreifen. Wenn auf diesen auch Fachliteratur auftaucht, die genau als solche erkennbar ist, kann das ebenfalls als Beleg gelten. Für Umzüge kann man eine Pauschale abrechnen. Für Fahrten mit dem Auto zwischen Wohn- und Studienort gilt eine Kilometerpauschale von 30 Cent. Diese kann man anführen, wenn man nachweisen kann, dass man zu dieser Zeit ein Auto besessen hat und es Anhaltspunkte gibt, dass man die Strecken wirklich mit dem Auto gefahren ist.

Text: nadja-schlueter - Fotos: kallejipp / photocase.com; Bund der Steuerzahler e.V.

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