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Herbergshausmeister: "Die Osteuropäer laufen in Zweierreihen rein"

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jetzt.de: Ordnungshüter, Zimmermädchen und Erzieher – ist man als Hausmeister in einer Jugendherberge alles in einem? Uwe Kästner: Langweilig wird es jedenfalls nie. Wir haben hier 366 Betten, die von Schulklassen aus aller Welt belegt werden. Die lassen sich hier alles Mögliche einfallen. Meine Aufgabe ist es quasi, all das bis 14 Uhr am nächsten Tag wieder auszubügeln. Was denn zum Beispiel? Die allermeisten machen ja keine Probleme. Aber in extremen Fällen werden einige schon ziemlich kreativ. Die reißen die Türe ab, verbiegen die Bettenroste, treten Waschbecken ein und versuchen, Colabüchsen die Toilette runterzuspülen. Außer den Schulklassen – wer ist bei euch noch so zu Gast? Von Fußballgruppen, in denen die Kinder sieben Jahre alt sind, bis zu Studentengruppen aus Südamerika oder Asien ist alles dabei. Es gibt sogar Rentner über 60, die wollen ganz bewusst bei uns übernachten, weil sie genau dieses Flair suchen. Einer hat gesagt, dass er Hotels zu „pupstrocken“ findet.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Gibt es Gruppen, die besonders verhaltensauffällig sind? Die Pubertierenden zwischen 14 und 17 Jahren. Überraschend, nicht? Interessant ist, dass es mit der Erziehung zusammenhängt. Die relativ laxe Erziehung merkt man oft gerade deutschen Klassen an. Viel strenger sind dagegen die Osteuropäer. Osteuropäische Schulklassen laufen hier in Zweierreihen in die Herberge herein und machen keinen Mucks. Die hinterlassen ihre Zimmer sauber und ordentlich, die Betten sehen so aus, als hätten sie kaum drin geschlafen. Wie versuchst du denn laute Gäste zur Ruhe zu ermahnen? Meistens reicht schon ein freundliches, bestimmtes „So nicht!“ Aber generell kann man sagen, dass unsere Toleranzgrenze um einiges höher ist als im Hotel. Du arbeitest seit knapp zehn Jahren in der Jugendherberge. Hat sich viel verändert? Sehr viel. Jugendherbergen sind moderner geworden. Ganz früher kamen die Leute mit einer eigenen Waschschüssel und einem Sack Stroh in die Jugendherberge. Duschen und WCs waren auf dem Gang. Das geht heute natürlich nimmer. Heute hat jedes Zimmer eine sanitäre Anlage. Gibt es die alten Klischees noch? Schimpft man denn über das Essen? Nein, die Vorurteile treffen zum Großteil sicher nicht mehr zu. Wir haben eine moderne Küche und einen ganz hervorragenden Koch. Unser Herbergsvater trägt keinen Rauschebart und hat auch keine Sonnenblume in der Hand, romantische Lagerfeuer mit Gitarre sind auf unserem Gelände aus Brandschutzgründen leider verboten. Außerdem war es früher so, dass die Schüler beim Verlassen der Jugendherberge ihre Zimmer fegen und den Müll wegbringen mussten. Heute machen das unsere Zimmermädchen, das ist um einiges effizienter. Das Putzen hatte früher doch auch eine Erziehungsfunktion. Naja, vor kurzem kam ein Vater zu mir. Er wollte einen Besen und einen Kärcher haben. Seine Kinder sollten lernen, ihren eigenen Dreck wegzumachen. Dem wollte ich dann natürlich nicht im Weg stehen.

Text: xifan-yang - Foto: Evi Lemberger

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