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"Ich bin kein typischer Casting-Fuzzi"

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jetzt.de: Christian, hast du das offizielle Musikvideo von Lena Meyer-Landrut schon gesehen? Christian Durstewitz: Nein, bis jetzt hatte ich noch nicht mal die Zeit, im Internet danach zu suchen. Aber ich werde mir das Video auf jeden Fall angucken. Hast du dir das Video bewusst nicht angesehen, weil die Enttäuschung groß ist nach deinem Scheitern? Nein, auf keinen Fall. Außerdem bin ich ja mit Lena inzwischen gut befreundet und könnte mir ernsthaft vorstellen, dass sie in Oslo was reißt. Ich drücke Lena die Daumen und freue mich selbst einfach darüber, dabei gewesen zu sein. Du betrachtest dich also nicht als gescheitert? Doch, klar. Das gebe ich auch zu. Ich habe nicht gewonnen, also bin ich gescheitert. Aber es hat sich am Ende gar nicht schlimm angefühlt. Im Gegenteil: Ich war vor der Halbfinal-Sendung sehr, sehr unsicher mit der Auswahl meines erstens Songs. Da hatte ich tierisch Schiss, dass ich schon in der ersten Ausscheidungsrunde gehen muss. Wenn das passiert wäre, dann wäre ich echt sauer gewesen. Definitiv. Aber nachdem ich weitergekommen bin und dann noch Charlie Winston mit der Mundharmonika machen durfte, war ich so dankbar, dass mir alles scheißegal war. Kennst du das Gefühl des Scheiterns? Natürlich kenne ich Rückschläge aus meinem bisherigen Leben. Ich habe ja schon vorher viel Musik gemacht und man hat mich nicht immer mit offenen Armen empfangen. Meine Musik ist ja auch nicht unbedingt Mainstream. Da bin ich Kritik schon gewohnt. Deshalb habe ich damit jetzt auch kein großes Problem. Nach dem Prinzip: Besser Verlierer sein als Mainstream? Wenn man ein paar Anrufe weniger kriegt als diejenigen, die richtig schöne Mainstream-Mucke machen, dann muss man das so akzeptieren und darf nicht meckern.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Christian Durstewitz, 20, kommt aus Altenlotheim in Hessen. Er spielt sechs Instrumente, die er sich allesamt selbst beigebracht hat. Nach "Unster Star für Oslo" geht er mit Stefanie Heinzmann auf Tour. Du gibst dich nach deinem Ausscheiden sehr gelassen. Gibt es etwas, das dich so richtig beunruhigen könnte? Wirklich schlimm wäre es für mich, wenn ich keine Musik mehr machen könnte. Wenn ich durch einen Unfall meine Hände verlieren würde und keine Instrumente mehr spielen könnte. Oder wenn ich taub werden würde. Dann wäre alles vorbei. Hattest du keine Angst vor dem Castingshow-Stempel? Nein, weil ich ja weiß, dass ich nicht so ein typischer Casting-Fuzzi bin. Und genau deshalb habe ich auch nicht gewonnen. Ich konnte diejenigen Leute ansprechen, die meine Musik mögen. Ich habe gezeigt, wie ich drauf bin und welche Musik ich mache. Und ich bin dankbar dafür, dass wir in Deutschland noch eine Casting-Show haben, in der man sich noch selbst darstellen kann und nicht zu einer Kunstfigur gemacht wird. So wie DSDS? Zum Beispiel. Wo du dich allerdings auch schon mal beworben hattest. Das wird mir jetzt natürlich unter die Nase gerieben, klar. Aber ich stehe dazu. Und ich bin ja auch deshalb sofort rausgeflogen, weil ich eben nicht in diese typischen Castingshows passe. Ich habe bei Bohlen ein eigenes Lied gespielt und wurde sofort rausgekickt. Die wollten nichts Individuelles, sondern jemanden, den sie formen können. Du hast gesagt, dass du nur bei DSDS gewesen bist, weil du eine Wette verloren hast. Das klingt nach Ausrede. (lacht) Ich weiß, aber es war tatsächlich so. Aber du musst auch nicht schreiben, dass ich eine Wette verloren habe. Ich würde auch so dazu stehen, einfach mal hingegangen zu sein. Weit gebracht habe ich es ja sowieso nicht. Dein Vater ist Operntenor. Eiferst du ihm nach? Nein, gar nicht. Das würde ja musikalisch gar nicht passen: Ich habe die kräftige, kratzige Bruststimme und er hat diese feine, edle Tenor-Kopfstimme. Das ist ja wie Tag und Nacht, das kann man nicht miteinander vergleichen. Es ist nicht so, dass mein Vater für mich auf einem hohen Treppchen steht. Er ist eine wichtige Person in meinem Leben, aber musikalisch stehe ich auf eigenen Beinen. Du willst dich also eher von ihm abgrenzen? Ja, da gehe ich auch davon aus. Es ist eben so, dass ich immer mit meinem Vater verglichen werde, obwohl ich mit seiner Musik nichts zu tun habe. Meine musikalische Entwicklung hat außerdem zu einer Zeit begonnen, als ich wegen der Scheidung meiner Eltern gar nichts mit meinem Vater zu tun hatte. Wer ist das Vorbild für deine Frisur? (lacht) Niemand, die ist letztes Jahr nach dem Abi entstanden. Ich hatte vorher immer so einen Milchbubi-Kurzhaarschnitt. Da hat man nicht unbedingt gesehen, dass ich ein Musiker bin. Und nachdem ich mit der Schule fertig war, wollte ich endlich zeigen, dass ich mehr so der Künstler bin. Darum habe ich die Haare einfach so drauflos wachsen lassen. Und ich fühle mich wohl so. Lena Meyer-Landrut galt von Anfang an als wahrscheinliche Siegerin. War sie auch deine Favoritin? Ich hatte jede Sendung einen anderen Favoriten. Je nachdem, bei welchem Auftritt ich Gänsehaut gekriegt habe. Sehr oft war das bei der Kerstin der Fall. Weil ich ihre Stimmfarbe sehr gerne mag. Wie geht es jetzt bei dir weiter? Ich will auf jeden Fall eine Platte machen. Das könnte aber noch ein bisschen dauern, weil das ja viel Arbeit ist. Außerdem will ich jetzt Lena den Vortritt lassen – sie hat gewonnen und hat dadurch natürlich ein Sonderrecht ... Das klingt eher nach Marketing-Strategie. Ja, auf jeden Fall auch. Es geht natürlich darum, dass die Lena jetzt ein bisschen gepusht wird. Für mich ist vor allem wichtig, dass ich irgendwann von meiner Musik leben kann. Und das kann ich jetzt hoffentlich. Nichts anderes war mein Ziel. +++ PS: Mehr zu Lena im Lena Meyer-Landrut Spezial +++

Text: andreas-glas - Foto: ProSiebenSat.1 Media AG

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