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"Ich hatte Angst und wollte heim" - Interview mit Paolo Nutini

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Urgroßvater Nutini hatte es 1914 aus der Toskana ins schottische Paisley verschlagen. Eben dort sah 88 Jahre später ein Musikmanager den 15-jährigen Urenkel während eines Schulkonzerts und buchte ihn umgehend in einem Glasgower Studio ein, wo Paolo mit diversen Stilen experimentierte, um sich bald dem klassischen Songwriting zu widmen. Mit 18 unterschrieb er seinen ersten Plattenvertrag, ließ sein Debüt-Album dann von Ken Nelson (Coldplay/Gomez) produzieren, tourte im April mit Paul Weller und durfte in Wien als Einheizer für die Rolling-Stones spielen. Kommt das nicht alles ein bisschen zu früh? Eine Verneinung in Gesprächsform. "Why can't we just rewind" heißt es in einem Stück auf dem Album. Würdest Du momentan gerne etwas zurückspulen? Paolo Nutini: Eine Sache: Ich wünschte, dass mein Großvater das alles noch mitbekommen könnte. Leider ist er gestorben, als ich zwölf war. Er liebte die Oper, spielte Klavier und ermunterte mich, selbst Musik zu machen. Er war meine erste und bis jetzt größte Inspiration. Selbst für die Art und Weise, wie ich mein Leben lebe.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Zarter Bube mit Schmelz: der Paolo Teilweise scheint's in diesem Leben ziemlich einsam zugegangen zu sein… Das ist noch gar nicht so lange her. "These Streets" zum Beispiel ist ein Song, den ich geschrieben habe, als ich mit 18 nach London gezogen bin und merkte, wie einsam man dort sein kann. Wenn Du Leute kennst und Geld hast, ist es natürlich ein fantastischer Ort mit tausend Möglichkeiten. Aber ich kannte weder Leute noch hatte ich Geld. Ich hatte bloß Angst vor diesem Ort und wollte heim. "Life is scary and the girls are gorgeous", wie Du so schön singst Ja. (lacht) Ist doch so, oder? Kann genauso gut auch andersrum sein. Logisch. Man wird sich so oder so nicht dran gewöhnen. Irgendwas, vor dem Du dich momentan speziell fürchtest?Abgesehen vom Leben an sich. Das was jetzt gerade abläuft macht mir ziemlich Angst. Plötzlich sind lauter Leute um dich rum, die du noch nie gesehen hast und plötzlich etwas mit dir zu tun haben sollen. Du musst Interviews geben und weißt nicht, was du sagen sollst. Es ist schwer die Kontrolle zu behalten. Auch deshalb, weil dich nicht jeder liebt, was natürlich auch etwas zu viel verlangt wäre. Aber dadurch weißt du eben nie, ob man dir jetzt irgendwas reindrücken will oder es gut mit dir meint. Genau diese Unsicherheit sprechen Menschen oft an, wenn sie sich an die negativen Begleitumstände des frühen Ruhms erinnern. Ist die Kategorie "zu früh" für Dich von irgendeiner Bedeutung? Nur insofern, dass ich mir ab und zu überlegt habe, ob ich für dieses Album nicht vielleicht ein paar Songs mehr hätte schreiben oder besser auf der Gitarre hätte werden sollen. Aber wenn man mit dem, was man liebt, großartige Erfahrungen sammeln kann, ist es glaube ich nie zu früh dafür. Kürzlich habe ich in Montreux einen alten Bassisten kennengelernt, der im Alter von zwölf Jahren zum ersten Mal mit einer Band unterwegs war. Dann schloss er sich einer anderen Band an, dann wieder einer anderen. Irgendwann kam dann ein Angebot von Duke Ellington, sich seiner Big Band anzuschließen. Da war er erst 16. Ich meine: Duke Ellington! Und jetzt kommt das Beste an dieser Geschichte: Damals machten die ersten Studios auf und der Typ sagte zu mir, "Ich wollte endlich Elektro-Bass spielen, wollte endlich das neue Zeug ausprobieren". Und er sagte Duke Ellington ab, um als Studiomusiker Elektrobass zu spielen. Un-glaub-lich! Soll also heißen, dass man schon als Teenager prinzipientreu sein kann. Es soll heißen, dass man auch als Teenager wissen kann, was man will, und diesen Weg gehen kann. Jetzt gerade wirkst Du alles andere als melancholisch, deine Songs sind aber ziemlich traurig. Naja, als ich angefangen habe die Songs, die nun auf diesem Album sind, zu schreiben, war ich 16... ...ja, in einem Song singst du von einer großartigen durchzechten Nacht "die wir mit 16 hatten". Da war ich 17 und habe mich voller Wehmut an die Zeiten erinnert, als ich 16 war. Nun ja. Ich hätte nie erwartet, dass ich mal auf Promotour gehen würde, um mit Journalisten über Songs zu sprechen, die ich mit 16 geschrieben habe. Als ich die Platte fertig hatte, wurde mir zwar gesagt, was jetzt auf mich zukommt. Aber man kann es sich nicht vorstellen, bevor man's erlebt hat. Manchmal stelle ich mir vor, wie es wohl wäre, wenn das mit der Musik nicht so gelaufen wäre. Wahrscheinlich würde ich jetzt in meinem Fish'n'Chips-Laden stehen. Der berühmte Fish'n'Chips-Laden. Auf den muss man wohl irgendwann zu sprechen kommen, wenn's um Paolo Nutini geht. Ein echter Familienbetrieb. In dritter Generation. Mein Urgroßvater hat ihn aufgebaut. Und ich breche jetzt mit der Tradition. Jedenfalls sieht's gerade danach aus. "These Streets" von Paolo Nutini erscheint am 15. September bei Warner Music.

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