Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Interview zum Energiegipfel: Ein Zukunftskonzept wird das nicht

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Angela Merkel bezeichnete den Energiegipfel als „Startschuss“. Für was denn eigentlich? Darauf sind wir auch noch sehr gespannt. Nach offiziellen Darstellungen soll dort ein „energiewirtschaftliches Gesamtkonzept“ erarbeitet werden. Konkrete Beschlüsse gibt es wohl nicht. Nach unseren Informationen sitzen die Teilnehmer auch nur etwa zwei Stunden zusammen. Bis aus diesem Gipfel etwas Spruchreifes entsteht, dauert es mindestens ein Jahr. Wie genau lautet die Kritik der Umweltverbände? Das kann man am besten an der Zusammensetzung des Gipfels darstellen. Eingeladen wurde vor allem die klassische Energiewirtschaft, also die großen Stromkonzerne und Stromverbraucher. Das reicht von RWE bis DaimlerChrysler. Zwar werden auch einige Vertreter der erneuerbaren Energien teilnehmen – gar nicht berücksichtigt wurden aber die Umweltverbände oder Befürworter effizienterer Technologien. Neben der Befürchtung, dass auf diesem Gipfel die Zukunft der Atomkraft zumindest offen gelassen werden wird ist das wohl das größte Defizit.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Spiel mit ungleicher Mannschaftsaufstellung: die Umweltverbände (links) sind gar nicht auf dem Platz, weil nicht eingeladen zum Gipfelspiel. (Screenshots aus der Mannschaftsaufstellung der Kampagne augestrahlt) Auf der Website Ihrer Kampagne ist auch eine so genannte "Mannschaftsaufstellung" zu sehen, welche die Unausgewogenheit der Teilnehmerschaft illustriert. Konnte man „Fairplay“ überhaupt erwarten? Im Zweifel nimmt man mit dieser Zusammenstellung das Ergebnis vorweg. Auch wenn am Montag noch keine Ergebnisse festgelegt werden, ist unsere Befürchtung, dass Interessen, die für eine wirkliche zukunftsfähige Energiepolitik wichtig sind, fehlen werden. Bereits die letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass eine Energiepolitik, die den großen Konzernen Rechnung trägt, zwar gut für deren Gewinne, eben schlecht für den Klimaschutz und die Umwelt ist. Bei diesen Konzernen hieß es in der Vergangenheit immer, es würden die nötigen Alternativen fehlen. Eine dieser Alternativen sitzt ja wenigstens teilweise mit am Tisch – Vertreter der erneuerbaren Energien. Das ist natürlich ein Fortschritt und als klare Alternative zu sehen. Die „Erneuerbaren“ haben bereits erklärt, dass sie ohne Probleme in der Lage sind, die wegfallende Atomkraft zu ersetzen. Damit haben wir eine Alternative, die aber nicht der einzige Weg ist. Gleichzeitig ist vor allem der steigende Stromverbrauch das Problem, obwohl das technisch überhaupt nicht seien müsste. Vorstöße in genau dieser Thematik werden auf dem Energiegipfel fehlen. Es geht darum, die von vielen Studien bewiesenen Potentiale zu erschließen. Dort heißt es, dass ohne großen Komfortverlust die Hälfte des Stromverbrauchs eingespart werden könnte. In diesem Bereich ist auch in sieben Jahren Rot-Grün zu wenig passiert ist. Die Große Koalition hat sich zwar viel vorgenommen, wir haben jedoch Angst, dass diese Vorhaben wieder nicht in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden – und das beweist ja auch die Zusammensetzung des Gipfels. Seit Frau Merkel im Kanzleramt sitzt, befürchten viele Menschen eine Aufweichung des Atomausstiegs. Sind diese Ängste berechtigt? Das Grundargument dafür ist, dass AKWs nicht so viel CO2 wie konventionelle Kraftwerke ausstoßen. Allerdings gehören sie trotzdem zu einem alten Energiesystem, das wir nicht mehr gebrauchen können. Das bedeutet neben all den Risiken, die einem gerade nach 20 Jahren Tschernobyl wieder bewusst werden, große ineffiziente Grundlasten. Allein aus Sicherheitsgründen darf der Atomausstieg nicht hinausgezögert werden. Darüber hinaus sagen auch viele Energieexperten, dass mit den Atomkraftwerken und der Verlängerung ihrer Laufzeit, die Energiewende nur hinausgezögert wird. An ihrer Notwendigkeit ändert das aber nichts. Was genau wird am Montag von den Umweltverbänden zu erwarten sein? „Krach machen“ wolle man dort, hieß es im Vorfeld. Wir sind zwar nicht eingeladen, werden aber trotzdem vor Ort sein. Dann geht es darum, unsere Position sichtbar zu vertreten. Was von dem Gipfel übrig bleibt, muss man abwarten. Wenn es sich wirklich um einen längeren Prozess handelt, haben wir die Forderung, dass ein breiterer Kreis von gesellschaftlichen Interessensgruppen beachtet werden muss. Sonst wird da nichts Vernünftiges zu erwarten sein. Und wenn wir selbst dann weiter nicht beteiligt werden, bleibt uns eben nichts anderes übrig, als weiterhin von Außen mit Forderungen und Kritik einzugreifen. Wird die Kampagne denn von offzieller Seite überhaupt wahrgenommen? Ernst genommen fühlen wir uns auf jeden Fall. Wir haben ja auch in fachlicher Arbeit eine lange Tradition. Leider ist der Energiegipfel trotzdem ein klares Zeichen, dass gewisse kritische Interessen in dieser Diskussion nicht erwünscht sind. Und deswegen kann aus diesem Treffen auch kein wirkliches Zukunftskonzept entstehen – zum Beispiel, wenn darüber verhandelt wird, den Atomausstieg wieder aufzumachen und einige AKWs nochmals im Detail zu „diskutieren.“

  • teilen
  • schließen