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"Kapitalismus macht krank"

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Im politischen Sandkasten hat die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD das Sagen. Mit der Linkspartei will keiner von den anderen spielen. Was haben wir da überhaupt davon, dass Sie im Bundestag dabei sind? Wir nutzen den Bundestag, um zu zeigen, dass es Alternativen zur herrschenden Politik gibt. Politik muss sich nicht einseitig an den Interessen der Wirtschaft ausrichten. Politik muss nicht das öffentliche Eigentum verscherbeln. Und Politik muss und darf nicht bereit sein, in den Krieg zu ziehen. In meinem Gebiet, der Bildungspolitik, wird häufig nur noch diskutiert, wie sich Schulbildung und Universitäten an den Anforderungen der Unternehmen ausrichten können. Dabei sollte Bildung sich doch an den Bedürfnissen des Menschen und der Gesellschaft ausrichten. Es geht also auch anders. Das werden wir wieder und wieder sagen. Genau so ist es: Sie reden und reden – und die anderen spielen einfach nach ihren eigenen Regeln weiter… Das ist nicht richtig. Wir haben durchaus Einfluss auf die öffentliche Diskussion. Und damit haben wir auch Einfluss auf die anderen Parteien. Unionspolitiker, aber vor allem die Sozialdemokraten spüren den Druck von links und überlegen, welcher Inhalte sie sich vielleicht doch annehmen müssen. Ohne uns würden sich jetzt nicht auch viele SPD-Politiker dafür stark machen, dass es einen gesetzlichen Mindestlohn gibt, der die Existenz sichert. Auch SPD-Chef Kurt Beck fordert jetzt mehr Staat. Ist das nicht gefährlich für die Linkspartei? Was, wenn die Sozialdemokraten versuchen, links von Ihnen die schönere Sandburg zu bauen? Nur weil die SPD jetzt manchmal wieder links redet, heißt das ja noch lange nicht, dass sie links handelt. Nur zur Erinnerung: Die ganze Hartz-Gesetzgebung, war von Anfang an ein rot-grünes Projekt. Auch was die Studiengebühren angeht, sind wir unter den Parteien der einzig glaubwürdige Gegner. Links blinken nützt nichts, wenn man rechts fährt. Wir setzen uns dafür ein, dass sich die Debatte tatsächlich nach links verschiebt. Uns geht es schließlich um Veränderung der Gesellschaft. Die Arbeit im Bundestag ist dabei ein Standbein. Mindestens genauso wichtig ist uns der Druck aus der außerparlamentarischen Opposition. Nur so lassen sich gesellschaftliche Mehrheiten erringen. In der Linkspartei gibt es unterschiedliche Vorstellungen darüber, welches der richtige Weg für die Gesellschaft ist. Sie selbst haben einen Aufruf „Für eine antikapitalistische Linke“ unterschrieben. Heißt das, alle Schaufeln sollen demnächst Allgemein-Eigentum werden? Mit dem Wegfall der Systemkonkurrenz ist das kapitalistische System in eine aggressive Phase getreten. Konzerne erpressen Regierungen nach dem Motto: „Entweder ihr erfüllt unsere Bedingungen oder wir gehen.“ Einige wenige Mächtige in der Wirtschaft entscheiden über Wohlstand und Lebensperspektiven von Millionen Menschen. Der Reichtum wächst. Immer mehr Menschen sind arm. Der heftige Konkurrenzdruck macht viele krank und kaputt. Angesichts dieser Entwicklungen sind immer mehr Menschen bereit, über eine antikapitalistische Alternative nachzudenken. Ist sozialistisches Wirtschaften nicht ineffizient? Führt nicht gerade der Konkurrenzdruck dazu, dass man sich beim Schaufeln anstrengt? Das ist Blödsinn. Wenn der Konkurrenzdruck so heftig ist, dass er Menschen krank macht, kann das nicht effizient sein. Die Linkspartei, die vor allem im Osten stark ist, und die WASG, die ihre Wurzeln im Westen hat, wollen sich vereinigen. Dennoch möchten die WASG-Landesverbände in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern bei den Landtagswahlen gegen die Linkspartei antreten. Bewerfen Linke sich lieber gegenseitig mit Sand als sich um die Probleme der Menschen zu kümmern? Ich kann es verstehen, wenn gelegentlich ein solcher Eindruck entsteht. Dennoch darf man Streit auch innerhalb der Linken nicht verteufeln. Dort, wo um Inhalte gestritten wird, sind Auseinandersetzungen notwendig und richtig. Die Vereinigung von Linkspartei und WASG wird kommen. Dadurch werden wir schlagkräftiger. Wann wird die Linkspartei die Kontrolle im Sandkasten übernehmen? Wann regieren Sie mit? Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass wir in den nächsten Jahren mit einer der anderen Partei zusammen in die Bundesregierung gehen – diese Parteien sind inhaltlich zu unterschiedlich von uns. Ohne eine Veränderung der gesellschaftlichen Mehrheiten, gibt es keine inhaltliche Mehrheit für eine linke Politik im Bundestag. Und die gesellschaftlichen Mehrheiten zu verändern, ist sicher eine Sache von Jahren und Jahrzehnten. Können wir in absehbarer Zeit die Mehrheit der Menschen für eine antikapitalistische Alternative gewinnen? Ich weiß es nicht. Aber ich arbeite dafür. In der jetzt.de-Reihe "Leben mit der Großen Koalition" sind bereits Interviews mit Dorothee Bär von der CSU, Florian Pronold von der SPD, Malte Spitz von den Grünen und Johannes Vogel von der FDP erschienen.

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