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Konstantin, der Pop-Überflieger. Ein Interview mit "Get Well Soon"

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In der kleinen Lobby eines Hotels im Münchner Bahnhofsviertel. Die Promoterin erklärt gerade, dass anschließend noch der Focus und Vanity Fair angemeldet sind, als ein irgendwie tropfiger Junge den Vorraum betritt und etwas schief herumsteht. Es ist der Konstantin. Nichts an ihm deutet darauf hin, dass er seine Lieder mit barocker Wucht komponiert und ganze Orchester bändigt. Auf dem roten Kunststoffsofa sitzt er später gänzlich ohne Haltung. Die Arme hängen einfach neben seinem Körper herunter.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wahnsinn, du wirst ja gerade überall angepriesen und gelobt. Hast du damit gerechnet? Nein, das überrascht mich, das Interesse ist wirklich enorm, ich habe offenbar die richtige Zeit erwischt. Es läuft wirklich bilderbuchmäßig, wobei man natürlich vorsichtig sein muss: Es gibt immer wieder Musiker, die überall gute Kritiken kriegen, sich dann aber überhaupt nicht verkaufen. Dein Amazon-Vorbestellrang war aber auch ziemlich gut. Ja, stimmt. Man wird sehen. Ich denke in etwa einer Woche wird es auch wieder ruhiger werden, dann kann ich mal in Ruhe reflektieren, was da gerade passiert. Aufgewachsen bist du in einer kleinen schwäbischen Gemeinde, dann nach Mannheim gezogen und jetzt nach Berlin – eine Ortskarriere, oder? Ich mag es auf dem Land genauso gern wie in der Stadt. Erolzheim, wo ich herkomme ist eine Gemeinde mit 3000 Einwohnern, da gibt es ein paar Vereine aber sonst nicht viel. Und indiekulturell ist das natürlich ein Niemandsland, aber ich bin gerne dort. Komischerweise betonen immer alle Journalisten, dass ich in einem ländlichen Bildungsbürgerhaus aufgewachsen bin. Ist das was besonderes? Na ja, was bedeutet das denn? Keine Ahnung, ich habe mich eben von Kind auf mit klassischer Musik beschäftigt, immer im Orchester gespielt und so, und bin erst dann zur Rockmusik gekommen und von dort zur elektronischen Musik. Klingt jedenfalls nicht nach Dorfrebell. Nein ich war kein Rebell, ich hatte die Punk- und Grungephase nicht extremer als andere. Du bist nach der Schule auf die Popakademie Mannheim gegangen. Das ist eine ungewöhnliche Station für jemanden, dessen Platte gerade Album des Monats bei Visions und Musikexpress ist. Mittlerweile nehme ich die Ausbildung dort schon fast wieder in Schutz, weil das alle so belächeln. Das liegt wohl vor allem am Namen, klingt ja ziemlich nach Castingshow. Natürlich ist die Popakademie zum Teil auch nicht besonders cool aber trotzdem ist es doch okay, wenn es ein Institut gibt, das einen auf ein Leben als Musiker vorbereitet. Als ich mich dafür entschieden habe, fand ich es einfach gut, mich drei Jahre lang mit Musik beschäftigen zu dürfen. An der Popakademie dozieren auch Leute wie Xavier Naidoo und Heinz Rudolf Kunze. Haben die Kommilitonen dort deine Musik verstanden? Ich habe die Arbeit mit Get Well Soon immer weitestgehend rausgehalten. So richtig groß sind die Gemeinsamkeiten tatsächlich nicht. Ich weiß noch, am zweiten Tag gab es ein Treffen aller Studenten, alle haben sich zum ersten Mal gesehen. Es gab die Ansage: Findet euch zu Bands zusammen. Jeder hat vorgetragen was er machen will und da dachte ich schon: Oh Gott, kann ich bitte allein bleiben. Ich habe dann noch eine andere Einzelgängerin gefunden und zusammen haben wir dann ein gutes Duo abgegeben. Deine Platte ist so vielschichtig und episch, aber du hast sie weitgehend mit einem Laptop alleine eingespielt. Ist das nicht irgendwie unsinnig, dass das geht? Wenn man es so sieht ist es tatsächlich komisch, aber mir ist es natürlich nur recht. Die Möglichkeiten sind quasi unbegrenzt. Ich habe das Komponieren ja mit elektronischer Musik angefangen und auch hier deswegen erstmal das Meiste programmiert, aber am Schluss möglichst alles wieder mit echten Instrumenten eingespielt. Weil es so opulent geworden ist, war es gar nicht einfach, dann auch Leute zu finden, die das live spielen können. Hier das Video zu "Christmas in Adventure Parks"

Mit „Born Slippy“ hast du einen Hit der 90er-Jahre gecovert. Warum? Ich finde, dass dieser Song die Hymne der 90er ist, komischerweise kannten aber viele meiner Bekannten das Lied gar nicht. Ich habe es damals natürlich in Zusammenhang mit dem Film "Trainspotting" zum ersten Mal gehört und es hat mich sehr fasziniert: Es hat dieses Rave-Ding einerseits, aber auch gleichzeitig viel von einer Endzeitstimmung. Deine Lieder haben nicht nur sehr lange Namen, die ganze Platte fügt sich auch zu einem einzigen langen Stück zusammen – kommt das von deiner klassischen Musikbildung? Ich habe dadurch vielleicht einen gewissen Anspruch an Musik, und finde auch die Naivität die Pop immer unterstellt wird, etwas überholt. Man kann auch in einem Popkontext weiter denken. Ich mag einfach Musik, der man anmerkt, dass sich jemand tiefere Gedanken darüber gemacht hat. Du hast auch eine Vorliebe für König Ludwig II., das klingt sehr dandyhaft. Zu König Ludwig bin ich über Richard Wagner gekommen. Vorher hatte ich die Hysterie um den Mann nie verstanden, dann habe ich mir die Ludwig-Schlösser angeguckt, das war alles so skurril, das gefiel mir schon sehr gut. Eine gewisse Sehnsucht nach Opulenz und Ausschmückung entdecke ich bei mir schon. Hier die interessante Single "If This Hat Is Missing, I've Gone Hunting":

Aber du trittst nicht in bajuwarischen Kostümen auf, wie etwa Rufus Wainwright? Nein, ich bin kein Exzentriker und mit Rufus Wainwright kann ich auch komischerweise genau deswegen gar nichts anfangen, das war mir immer zu viel bei ihm. Beim mir beschränkt sich das auf die Musik. Ich selber stehe nicht so gerne im Mittelpunkt. Liegt ein Teil des Hypes um dich nicht auch daran, dass du so aus dem Nichts kommst, mit einem Hammer-Album unter dem Arm? Kann diese in-vitro-Begeisterung nicht auch ganz schnell wieder zusammenfallen? Das stimmt ja nicht ganz. Ich stehe schon seit ich fünf bin auf der Bühne, neu ist eben nur, dass die Clubs jetzt alle voll sind. Aber ich bin Pessimist genug, auch auf ein rasches Ende vorbereitet zu sein. Mehr: youwillgetwellsoon.com

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Das Album "Rest Well Weary Head You Will Get Well Soon" von Get Well Soon ist bereits bei Cityslang erschienen.

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