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Lächeln verboten

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Freunde der flachen Abendunterhaltung dürfen sich freuen. Am Freitag ziehen wieder elf Konsonantenpromis ins RTL-Dschungelcamp und kämpfen zur allgemeinen Volksbelustigung um Essens-Sterne. Die Kölner Biologie-Studentin Janine Koch hat zwei Monate in einem echten Dschungelcamp in der zentralafrikanischen Republik verbracht. Im Interview erzählt die 27-Jährige, wie es im Urwald wirklich zugeht – und warum man dort lieber nicht lächelt.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Janine Koch (27) hat zwei Monate im zentralafrikanischen Dschungel verbracht.

Frau Koch, Sie waren zwei Monate im Urwald. Schauen Sie sich das Dschungelcamp im Fernsehen eigentlich an?
Nein.  

Warum nicht?
Ich kenne die Sendung nicht im Detail, aber im Fernsehen wird der Urwald immer viel dramatischer dargestellt, als er eigentlich ist. Klar ist es dort gefährlich, weil man giftigen Tieren oder Wilderern begegnen kann, aber das Wesentliche am Dschungel wird meistens nicht dargestellt.  

Das wäre?
Die Schönheit des Waldes. Ich habe zum Beispiel fast jeden Tag drei neue Schmetterlingsarten entdeckt. Im Fernsehen wird der Dschungel als unbequem und schmutzig, wie eine Strafe dargestellt, aber das ist einfach nicht wahr. Ich habe in ganz banalen Sachen gespürt, wie es ist, wenn man zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Dort gibt es einfach kein Fahrrad, Auto oder die U-Bahn. Man muss zu Fuß gehen. An manchen Orten mussten wir eine Stunde laufen und klettern, um sauberes Wasser zu bekommen.  

Wieso waren Sie in dem Camp?
Ich habe ein Praktikum bei einer Doktorandin gemacht, die in einem Camp in der Zentralafrikanischen Republik untersucht, warum Tiere im Wald zu Lichtungen kommen. Ich habe ihr dort bei den Boden-, Wasser- und Pflanzenproben und Nährstoffanalysen geholfen. Außerdem habe ich mir als Mitglied die Projektarbeit des WWF vor Ort angeschaut.  

Wie haben Sie den Urwald erlebt?
Als Mutprobe und Herausforderung, als anstrengend und abenteuerlich. Den Wald als Ganzes zu begreifen, mit den Tiergeräuschen und den unverhofften Begegnungen mit Tieren, war unglaublich. Insgesamt war meine Zeit dort auch sehr ungewiss, weil ich nie wusste, wie meine Reise weitergeht.  

Wie war Ihre Ankunft dort?
Ich bin allein nach Afrika gereist, dort wurde ich vom Flughafen abgeholt und in ein Hotel gebracht, am nächsten Tag sollte mich ein Auto abholen. Ich hatte nur einen Namen und eine Telefonnummer und wusste nicht, wer mich abholt, da war es schwierig, nicht in Panik zu geraten. Im Camp selbst war alles sehr organisiert.  

Wie kann man sich so ein Camp vorstellen?
Es war mitten im Wald und eine Stunde Fußweg vom nächsten Dorf entfernt. Dort gab es Bungalows zum Schlafen und einen Aufenthalts-Bungalow, einen Bach, in dem man sich und seine Kleidung waschen konnte und Trinkwasser holen konnte, das aber gefiltert oder abgekocht werden musste. Und ein Klohäuschen.  

Wo haben Sie geschlafen?
Im Camp haben wir im Bungalow in einem Schlafsack und unter einem Moskitonetz geschlafen, im Wald hatten wir Zelte dabei.  

Mussten Sie auch Mehlwürmer essen wie die Dschungel-Bewohner auf RTL?
Das ist auch so was, das nur im Fernsehen gemacht wird. Das Essen ist nicht sehr abwechslungsreich, alle drei bis vier Tage gibt es dasselbe. Aber wir haben weder Kakerlaken noch Maden oder Mehlwürmer gegessen, sondern viel Reis und Nudeln, knödelähnliche Bällchen aus Maniok-Mehl. Fast immer gab es Sardinen dazu, oft frittierte oder gekochte Kochbananen, selten Avocados, Mangos und Papayas. Einmal hätte es Antilope gegeben, aber das habe ich nicht probiert.  



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Bewohner des Camps schlafen in Bungalows.

Wie finden Sie es, dass zum Beispiel Geschäftsmänner für eine „Grenzerfahrung" in den Urwald fahren?
Im Gorilla-Camp waren immer wieder Touristen, die für eine Auszeit vom Beruf kommen. Ich denke, das ist eine sinnvolle Erfahrung. Außerdem werden mit dem Geld der Tierschutz und Guides vor Ort finanziert.  

Wie sieht der Tagesablauf im Camp aus?
Dort war es nicht so spannend, wir konnten den Tag über kochen oder Wäsche waschen, was nicht so einfach war, weil wir zum Teil bis zu den Knien im Schlamm standen und das Wasser abschöpfen mussten, um uns damit zu waschen. Im Wald war es aufregender, da haben wir morgens unsere Sachen gepackt, sind zur Lichtung gegangen und haben dort oft wilde Tiere getroffen.  

Welche Tiere waren das?
Einmal sind wir einem Gorillamännchen begegnet. Unsere Guides haben mit ihren Macheten auf den Boden geschlagen und geschrien, um Macht zu demonstrieren. Wenn man wegläuft, fühlen sich die Gorillas herausgefordert und könnten angreifen. Ins Gorilla-Camp kam nachts einmal ein Elefant, weil er parfümiertes Klopapier gerochen hat. Elefanten mögen alles, was intensiv duftet. Der hat dann das Klohäuschen zerstört und das Papier gefressen. Ein anderes Mal wurde ein Elefant aufmerksam, weil ein Mädchen ihre Unterwäsche über Nacht in Seifenwasser eingelegt hat. Der Elefant hat alles aufgefressen und Tage später hat ein Guide die Unterwäsche in einem Kothaufen wieder gefunden. Auf der Suche nach einem Gorilla haben wir einmal einen Elefanten getroffen. Der Guide ist irgendwann einfach an ihm vorbeigestapft, ich konnte ihn nicht fragen, was ich tun soll, weil wir nicht sprechen sollten. Darum bin ich dann einfach hinterher.  

Wo haben Sie noch Ihre Angst überwinden müssen?
Es gab viele Momente, in denen ich mich zwingen musste, ruhig zu bleiben. Als ich von Kamerun in die Zentralafrikanische Republik gefahren bin, hat mich ein Wachposten festgehalten und Geld verlangt – oder dass ich ihn heirate. Er hat gesagt, dass er meinen Fahrer schon weggesperrt hat und ich jetzt auch da bleiben muss. Ich wusste nicht mehr weiter, am Ende habe ich ihm doch Geld gegeben.  

Welche gefährlichen Situationen gab es noch?
Einmal sind wir mit dem Auto in den Wald gefahren. Als wir ausgestiegen sind, war vor uns plötzlich eine grüne Mamba. Wir haben uns dann ganz ruhig verhalten und sie hat sich wieder verkrochen. Ein anderes Mal hat unser Auto im Wald gestreikt – mitten in einem Bienenschwarm. Ich musste mich in meinem Zelt verstecken, während die Männer sich um das Auto gekümmert haben. Ich hätte das nicht geschafft, weil ich es nicht gewohnt bin, erstens so oft von Bienen gestochen zu werden und zweitens, dass mir zusätzlich noch Schmeißfliegen in Mund, Nase und Augen kriechen.  

Was haben Sie im Dschungel gelernt?
Viel. Spontan muss ich aber an eines denken: Freundlich sein, aber nicht lächeln - das gilt hier nämlich als Einladung zu einem Heiratsantrag.

Text: kathrin-hollmer - Fotos: Florian Niethammer, Janine Koch

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