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"Machen wir uns einen Gag und nennen den Kanal ZDFonline"

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Der Blogger Richard Gutjahr interviewte Michael Umlandt (24) und Marco Bereth (25) auf der re:publica. Das Videointerview auf seinem Blog sorgte für Aufmerksamkeit. Die beiden Baden Württemberger gaben sich seit Juli 2009 als der offizielle ZDFonline Twitterkanal aus. Sie machten es sogar so gut, das keiner ihre Echtheit anzweifelte. Im Interview spricht Michael Umlandt darüber, wie eine "dumme Idee" ihm einen Job beim ZDF einbrachte.

jetzt.de: Ihr seid berühmt!  
Michael Umlandt: Es macht den Anschein, ja. Zumindest für einen Tag.  

Wie kam es überhaupt zu der Idee für ZDF zu twittern?  
Es war eigentlich eine dumme Idee. Mein Kollege Marco Bereth hat mich im Juli 2009 angeschrieben: „Hey, ich will unbedingt die Informationen von heute.de in meiner privaten Twitterline haben!“ Das ZDF hatte da nichts, also meinte ich: „Komm mir machen das jetzt selber! Aber wenn wir das machen, dann verpassen wir dem ganzen Account das Aussehen vom ZDF.“ Wir haben uns dann unseren eigenen ZDF Twitter Account gebastelt. Über den 30. Follower haben wir uns gigantisch gefreut und nach einem halben Jahr hatten wir dann zwischen 1600 und 1700 Follower, es ist also stetig gewachsen. 

Habt ihr euch Sorgen gemacht, was das ZDF wohl dazu sagt?
Ja, dann haben wir ihnen eine E-Mail geschrieben. Zuerst hatten wir erst Sorge, weil sie sich nicht gemeldet haben. Es sind ein paar Tage vergangen. Dann kam aber doch noch die E-Mail mit der Antwort: „Keine Sorge, Anwalt kommt keiner.“ Die Leiterin der Zentralreaktion Tina Kutscher lud uns zum Kennenlernen auf den Lerchenberg, weil das ZDF schon länger im Auge gehabt hatte, dass da jemand für sie twittert und das sogar ganz gut. Dann haben sie uns gefragt, ob wir uns vorstellen könnten hochoffiziell für das ZDF weiter zu twittern. Da haben wir natürlich nicht Nein gesagt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Marco Bereth (links) und Michael Umlandt (rechts) beim Interview mit Blogger Richard Gutjahr auf der re:publica  

Aber lange hat das ZDF es nicht gemerkt, oder?  
Die haben es gemerkt, der Account ist ja dann echt schnell gewachsen. Sie haben uns auch immer im Auge gehabt, dachten sich aber: „Die machen das gut. Da greifen wir erst einmal nicht ein!“ Und ich denke mir auch, wenn wir etwas nicht so Tolles getwittert hätten, dann hätten sie uns gesperrt. Dazu hätte ein Anruf bei Twitter gereicht.  

Glaubst du, dass das ZDF schon die ganze Zeit mit dem Gedanken gespielt hat euch irgendwann einen Job anzubieten?  
Ich weiß es nicht. Wir haben den Account ja auch nicht mit dem Ziel gemacht, dass das ZDF kommt und sagt: „Jungs, macht das für uns!“ Es war einfach Glück und Zufall. Es hätte auch alles ganz anders laufen können.  

Also ihr habt den Account nicht in der Hoffnung auf einen Job erstellt?  
Nein, der Grundgedanke war wirklich, dass wir den Service mit den eigenen Nachrichten im Twitterkanal haben. Wir hätten den Account auch XYZ nennen können, aber wir haben halt gedacht: Machen wir uns den Gag draus und nennen den Kanal ZDFonline.  

Ihr habt euch sozusagen selber einen Job geschaffen. Denkst du man muss heutzutage nur dreist genug sein, um dann plötzlich so ein Jobangebot zu bekommen?  
Dreist sein reicht nicht. Es ist auch sehr viel Arbeit, die da dahinter steckt. Vor allem in diesem halben Jahr, als wir ein Fake-Account waren, mussten wir alles überprüfen, was wir geschrieben haben. Wenn etwas falsch gewesen wäre, wäre ein Mediendienst wie beispielsweise DWDL nicht auf uns hereingefallen. DWDL war eigentlich auch der Meinung, dass wir echt sind. Die kamen nur nie auf die Idee, bei ZDF in Mainz anzurufen und die Echtheit zu überprüfen, eben weil wir so authentisch waren. Also es ist auch sehr viel Arbeit das ZDF widerzuspiegeln. Man muss darauf achten, wie der Sender selbst handeln würde, wenn er einen Twitteraccount hätte. Es ist eine Mischung aus ein bisschen dreist und ein bisschen kreativ. Es hätte aber auch sein können, dass wir alles so gemacht hätten wie jetzt, wir wären nach Mainz gefahren und das ZDF hätte den Account zurückgewollt. Also es ist auch viel Glück dabei gewesen.  

In eurem Alter für ZDF zu twittern, davon träumen sicher viele. Denkst du, das Modell, sich selbst einen Job zu verschaffen, ist auch übertragbar?  
Ich habe neulich einen interessanten Artikel gelesen über die moderne Art sich zu bewerben. Ich glaube, wenn man sich außergewöhnlich bewirbt, dass man dann mehr Erfolg hat. Es muss natürlich durchdacht sein und man kann es nicht pauschal auf jeden Bereich anwenden. Aber gerade in der Medienwelt, denke ich, dass man mit etwas Kreativität und Witz bessere Chancen haben kann.  

Ja, in der Bank würde es sicherlich nicht auf Gefallen stoßen, sich ganz alternativ und kreativ zu bewerben.  Was ist euer nächster Karriereschritt?  
Das steht irgendwo geschrieben, ich weiß es noch nicht. Ich lass das alles auf mich zukommen. Ist natürlich jetzt eine große Geschichte mit dem Account, es wissen sehr viel Menschen. Es gibt jetzt noch keine konkreten Pläne, ich kann nicht sagen, wo wir in zwei Monaten sind.  

Was habt ihr beiden eigentlich davor gemacht? Bevor ihr getwittert habt?  
Marco betreibt einen Online Shop und ich arbeite bei einem Regionalradio in Heilbronn und sitze dort in der Marketingabteilung.  

Und da hattet ihr Zeit den ganzen Tag zu twittern?  
Wir wechseln uns immer ab und schauen, dass wir den Tag aufteilen. Wenn einer mal zwei Stunden weg muss, dann kommt der Nächste wieder ran. Das Tolle an Twitter ist ja, dass man es von überall machen kann. Wir müssen nicht im Büro sitzen und von dort twittern. Es kann auch sein, dass man einen Tweet oder eine Frage bekommt, während man im Auto oder in der Bahn sitzt.  

2009, als ihr angefangen habt, war Twitter vielleicht noch nicht so bekannt wie heute, aber es war auf jeden Fall schon da. Ein großer Sender wie das ZDF wusste doch davon. Warum ist es nicht selbst auf die Idee gekommen, einen Twitteraccount einzurichten?  
Das ZDF war zu dieser Zeit schon mit dem Account ZDFsport aktiv, der mit ungefähr 3000 Followern relativ gut lief. Das ZDF war eher bei Facebook ganz groß vertreten. Auf kurz oder lang wären sie bestimmt auch auf Twitter aufgesprungen, wir sind wahrscheinlich nur ganz knapp zuvor gekommen.  

Also ihr beide macht jetzt genau das, was ihr davor gemacht habt, nur werdet ihr jetzt von ZDF seit neuestem bezahlt?  
Genau.  

Ich habe gelesen, dass ihr noch andere Twitter-Accounts habt... 
Ich kann so viel verraten, da bist du dann die Erste: Wir haben keine aktiven Accounts, nur ein paar schlummernde Namen.  

Ich fühle mich wirklich geehrt.

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