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"Man darf gar nicht erzählen, dass man daheim in kleinen Clubs spielt"

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Azhar (li.) und Julian wundern sich manchmal noch über das "Big in Japan"-Gefühl.

Es war eine kleine Sensation, dass ihr zum weltberühmten „South By Southwest“-Festival, kurz: SXSW, eingeladen wurdet, dass vor zwei Wochen in Texas stattfand. Ihr habt das Konzert aber in letzter Minute abgesagt - warum?
Julian: Wenn man als Band in die USA einreisen will, braucht man ein Arbeitsvisum. Das wussten wir, und es klang vorher so, als wäre es ziemlich simpel, da ran zu kommen. Am Ende war das alles aber sehr arbeitsintensiv. Wir haben dann die Papiere in allerletzter Sekunde, trotz aller Anstrengungen, nicht gekriegt.  

Wie fühlt ihr euch jetzt?
Julian: Das ist schon ärgerlich, diese Beamtenwillkür. Aber man kann ja nichts dagegen machen. Dieses Festival ist ja auch nicht der einzige Weg in den Pop-Olymp.
Azhar: Wir haben auch mitgekriegt, dass teilweise echt große Bands Touren und Festivalshows absagen müssen, weil die an dieser Bürokratie scheitern und nicht ins Land rein können. Wir bekommen unsere Visa jetzt ein paar Tage später. Das SXSW haben wir dadurch verpasst, aber wir haben noch ein paar Shows in New York und Mexiko anstehen, die wir jetzt spielen können.  

Ihr seid keine reine Laptop-Band, live habt ihr einen Schlagzeuger auf der Bühne. Ihr spielt außerdem Gitarre und Keyboard. Wie kriegt ihr das alles ins Flugzeug?
Azhar: Jeder hat sich seinen Koffer bis oben hin mit Kabeln und Instrumenten vollgepackt. Das Drum Set bekommen wir von einer Schlagzeugfirma vor Ort hingestellt. Dafür muss sich unser Drummer deren Logo auf den Arm tätowieren. (lacht)  

http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=U3Z4WbqoOd0#!
Die neueste Vimes-Single "House Of Deer"

Ihr seid zur Canadian Music Week eingeladen, spielt in Mexiko vor Hot Chip und wurdet vergangenen Herbst im Musikblog des Guardian unter die Songs des Monats gewählt - habt ihr als deutsche Band im Ausland einen Exotenbonus?
Julian: Wie das mit dem Guardian kam, wissen wir gar nicht. Als wir jetzt auf der Tour des Intro-Magazins gespielt haben, kam diese andere britische Band zu uns und schien uns auch schon zu kennen. Für die war das völlig selbstverständlich, dass wir im Ausland bekannt sind.
Azhar: Man ist schon der Exot als Deutscher. Im Ausland denkt ja jeder bei deutscher elektronischer Musik direkt an Kraftwerk und ist dann auch von uns schon im Vorhinein begeistert, weil wir aus dem selben Land kommen wie die. Ist schon so ein bisschen das „Big in Japan“-Feeling, wenn man dann irgendwo auf der Welt in großen Läden auftritt. Man darf dann gar nicht erzählen, dass man daheim in kleinen Clubs spielt.
Julian: Als wir in Mexiko als Support von Hot Chip auftraten, standen 4000 Leute vor der Bühne. Als wir dann nach Hause kamen, haben wir als erstes in Darmstadt gespielt. Da waren dann nur 200 Leute und die Show wurde von der Polizei abgebrochen. Das war nach der Mexiko-Erfahrung schon seltsam, aber auch ein toller Abend.

Ist elektronische Musik die internationalste Musikform? Wie eine Sprache, die überall verstanden wird?
Julian: Techno und House sind einfach seit 20 Jahren auf dem Vormarsch in allen Metropolen auf der Welt. Diese Musik wird oft mit Deutschland assoziiert. Das liegt zum Beispiel an dem Kölner Elektro-Label Kompakt, das ja international angesehen ist, oder eben an Bands wie  Kraftwerk. Wir machen zwar keinen Kompakt-Techno, haben aber eine gewisse Nähe zu dieser Musik und werden als Kölner auch oft in dieser Szene verortet.  

Ihr sucht bewusst den internationalen Vergleich.
Azhar: Wir glauben, hoffentlich ohne jetzt größenwahnsinnig zu klingen, dass die Band längerfristig nicht funktioniert, wenn man diese Ebene nicht anpeilt. Durch das Internet hat man ja heute erst die Chance, als kleine Band weltweit Gehör zu finden und im Ausland zu spielen. Warum sollen wir das als englischsprachige Band nicht nutzen?

Erstaunlich ist ja, dass ihr das alles ohne große Plattenfirma schafft.
Julian: Unser Management betreibt ein kleines Eigenlabel, auf dem wir Singles rausgebracht haben. „Humming Records“ heißt das. Die meinen auch, dass das im Moment für uns reicht, aber wir schon gemeinsam schauen, ob man nicht demnächst über eine größere Plattenfirma etwas releasen kann. So ein Label ist aber auch nur ein Baustein von ganz vielen. Man kann bei einem noch so tollen Label sein, wenn man aber einen schlechten Booker hat, bringt einem das Label auch nichts.  

Ist es ein Mythos vergangener Zeiten, dass man für den großen Erfolg eine große Plattenfirma braucht?
Azhar: Wir beobachten immer wieder, dass es nicht den einen Weg gibt, der dazu führt, erfolgreich zu sein. Julian: Eine Zeit lang war uns sehr wichtig, dass wir einen Plattenvertrag bekommen. Aber jetzt läuft es ja auch ohne eine riesige Firma im Rücken sehr gut. Außerdem gibt es diverse Bands, die trotz großem Vertrag völlig gefloppt sind. Wir freuen uns, dass wir ein kleines Team haben, das total gut mit uns arbeitet.  

Könnt ihre eure bevorstehende Tour aus der Bandkasse zahlen oder wird das ein finanzielles Abenteuer?
Julian: Man muss schon viel Geld investieren. Im Moment halten sich Einnahmen und Ausgaben aber die Waage. Azhar will sich allerdings die Zähne vergolden lassen. Dafür müssen wir noch sparen. (lacht)

Vimes arbeiten gerade an ihrer ersten LP und sind ab Ende April wieder in Deutschland auf Tour.



Text: sebastian-witte - Foto: Volker Conradus

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