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„Manche grüßen uns jetzt nicht mehr“

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Aus dem Stand in den Stadtrat: Im September hatten Andreas Küffner (23) und Oliver Gerhards (31) erklärt, in den Bayreuther Stadtrat einziehen zu wollen. Den hielten sie bislang für überaltert – um das zu ändern, haben sie den Verein BT-go! gegründet und eine 44-köpfige Liste aufgestellt. Ihr Plan kam an: Bei der Kommunalwahl haben Andreas und Oliver den Sprung ins Stadtparlament geschafft, Andreas ist damit der jüngste Bayreuther Stadtrat überhaupt. (Sechs Monate nach dem (ersten Gespräch hier ein zweites.)

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Andreas Küffner: "Am Ende waren es 50 bis 60 Stunden in der Woche." Im Wahlkampf habt Ihr richtig zugelangt: Ihr habt erklärt, die Bayreuther Stadträte seien durch die Bank zu alt, um überhaupt noch Visionen haben zu können. Außerdem fandet Ihr ihre Aufwandsentschädigungen zu hoch. Grüßt Euch im Rathaus überhaupt noch jemand? Die meisten tun das, ja. Einige aber auch nicht mehr. Konsequenterweise müsstet Ihr jetzt tatsächlich beantragen, Eure Bezüge zu kürzen… Um mit Gerhard Schröder zu sprechen: Ich hab das vor der Wahl gesagt, ich sag' das nach der Wahl, und dazu steh' ich auch. Klar versuchen wir jetzt, das durchzusetzen, wofür wir geworben haben. Auch die Sache mit den Bezügen. Dein Studium musst Du Dir also weiterhin anders finanzieren? Naja, die Aufwandsentschädigungen helfen schon dabei, sich mal ein ordentliches Buch zu kaufen. Aber deshalb mache ich das ja nicht. Ich habe einen Job bei einer Uni-Marketing-Firma. Und ich habe einen Studienkredit aufnehmen müssen. Für Eure Liste haben 4,22 Prozent der Wähler gestimmt, 3182 Leute haben konkret Deinen Namen angekreuzt. Kennst Du die alle persönlich? Am stärksten gepunktet habe ich schon in meinem Stadtteil. Teilweise war ich da sogar besser als die Bewerber von CSU und SPD. Allerdings war ich – wie unsere Liste insgesamt – auch in anderen Wahlkreisen gut, in denen ich nicht wohne oder aufgewachsen bin. Hast Du seit dem Wahlsonntag viele neue Freunde? Am Ende will ja immer jeder bei den Siegern sein – dieser Spruch bewahrheitet sich gerade. Wenn du dich vorher bei politisch interessierten Bayreuthern umgehört hast, dann herrschte da die Meinung vor: "Einen werden sie schon schaffen." Jeder, der jetzt mit uns spricht, will uns auch gewählt und sowieso schon immer toll gefunden haben. Stünden wir ohne Mandat da, wäre das mit Sicherheit anders. Erzähl mal, was Du am Wochenende vor der Wahl gemacht hast. Am Freitag haben wir eine Aktion zum Thema „Parken in der Innenstadt“ gestartet. In unserem Programm setzen wir uns dafür ein, dass auf allen Parkplätzen die erste Stunde nichts kostet. Also sind wir losgezogen, haben uns bei Händlern, Gastronomen und Hauseigentümern vorgestellt und um Unterstützung gebeten – die sind es ja, die davon profitieren sollen. Dann haben wir uns an allen Parkautomaten postiert, und wenn jemand kam und bezahlen wollte, haben wir charmant gefragt: Dürfen wir heute für Sie die Parkgebühr übernehmen? Klingt nach Stimmenkauf. Ist es aber nicht. Wir haben den Leuten ja kein Geld geschenkt… …doch. Aber verknüpft mit Inhalten. Die können noch so gut sein, aber wenn du nur Pressemitteilungen schreibst, kannst du sie nicht transportieren. Unsere Möglichkeiten in den Medien waren eingeschränkt, wir konnten nicht für mehrere tausend Euro Anzeigen schalten. Also mussten wir uns etwas anderes einfallen lassen.


Zum Beispiel? Am Abend nach der Park-Aktion habe ich mit Freunden 2000 Briefe mit Flyern in Kuverts verpackt und ausgetragen. In meinem Stadtteil und im Nachbarbezirk. Die Vorbereitung hat von 20 bis 23 Uhr gedauert, unterwegs war ich bis halb sechs. Was ziemlich anstrengend war, es hat nämlich saumäßig geregnet. Und in der Nacht vor dem Wahlsonntag habe ich insgesamt 3000 Semmeln eingetütet und mit einem Wahlaufruf an die Türen meiner Nachbarn gehängt. Als nette Geste für den Morgen des Wahltags. Wie haben Deine Nachbarn auf diese Wahlkampf-Nummer reagiert? Zwei zusammengepresste Brötchentüten habe ich in meinem Briefkasten gefunden, kommentarlos. Aber insgesamt hat es sich schon ausgezahlt, einen solchen Aufwand zu betreiben und Engagement zu zeigen. Die Leute haben gesehen, dass sich da jemand ins Zeug gelegt hat, um sie mit Informationen zu versorgen. Demjenigen wird dann auch zugetraut, dass er sich im Tagesgeschäft für sie reinhängt. Naja, mit Inhalten oder Informationen hat dieses Manöver ja nur noch am Rande zu tun. Ich bin ja angetreten, um gewählt zu werden, andernfalls hätte ich die Leute weder mit Informationen noch mit Brötchen versorgt. Man darf die Leute ja auch nicht für dumm verkaufen und glauben, dich wählt jemand, nur weil du ihnen zwei Semmeln oder 50 Cent Parkgebühren schenkst. Werbung muss nun einmal ein positives Bild hinterlassen. Und das geht halt nicht nur mit schönen Worten. Wie viel Zeit hast Du persönlich aufgebracht? Am Ende waren das bestimmt 50, 60 Stunden in der Woche. Und woher kam das Geld für die Kosten, die Ihr hattet? Wir sind – das habe ich mal ausgerechnet – mit weniger als fünf Prozent davon ausgekommen, was die großen Parteien verbraucht haben. Bei uns war das ein vierstelliger Betrag. Der stammt aus Mitgliedsbeiträgen unseres Vereins und zu einem kleinen Teil von Sponsoren. Sponsoren? Wer? Dazu haben wir Bayreuther Unternehmen angeschrieben. Auch Privatpersonen aus unserem Umfeld. Große Parteien machen das genauso, und irgendwie müssen wir uns ja finanzieren. Da kommt dann nicht übermäßig viel zurück, völlig klar, natürlich kriegen die Großen da mehr. Aber ein paar Leute haben wir doch überzeugt. Und jetzt, da Oliver und Du gewählt seid – wie geht’s jetzt weiter? Zurzeit führen wir Gespräche, mit wem wir eine Fraktion bilden. Mit zwei Mandaten haben wir ja keinen Fraktionsstatus und damit viel weniger Einfluss. Die Arbeit von BT-go! geht weiter natürlich weiter – dass wir aus dem Stand zwei Mandate geholt haben, hat unsere Mitglieder wahnsinnig motiviert. Klingt nicht so, als würdet Ihr Euren Aktionismus fortsetzen? Eine Stadtverwaltung ist mit ihrer Geschwindigkeit ja im Vergleich mit einem privatwirtschaftlichen Vertrieb, sagen wir mal, ausbaufähig. Die wollen wir schrittweise an unsere Geschwindigkeit heranführen - und deswegen unseren Antragsturnus sukzessive steigen. Der erste wird auf jeden Fall in der ersten Sitzungswoche eingereicht.

Text: florian-zinnecker - Foto: privat

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