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Mit Texttourismus einmal um die Welt

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Wann seid ihr auf die Idee gekommen, eine Anthologie im Stile eines Reisetagebuchs aufzulegen? Zunächst - im Juli 2005 - war die Idee da, eine Anthologie zu veröffentlichen, die jungen, noch unentdeckten Autoren eine Plattform bietet, aber auch gleichzeitig Texte bereits etablierter Literaten und anderer Prominenter präsentiert - und all das für einen guten Zweck. In enthusiasmusbedingtem Größenwahn sprudelte ich sowas wie "Ja und wenn wir dann erstmal auf Lesereise gehen!" heraus und dachte anschließend: Warum eigentlich keine Lesereise in gedruckter Form? Kannst du kurz den Inhalt und das Konzept skizzieren? Jeder der vierzig Texte führt an einen besonderen Ort: Markus Kavka erzählt beispielsweise von einer außergewöhnlichen Silvesterfeier im toskanischen Viareggio, Juli Zeh von ihren Erlebnissen in Mostar; Tim Renner berichtet von einer unfreiwilligen Nacht in Düsseldorf und Sibylle Berg von einer Rückkehr nach Weimar; Benjamin Quabeck schreibt von einer bedeutungsvollen Begegnung am Atlantik, Selim Özdogan von einer Erkenntnis im Park und Tina Uebel nimmt den Leser mit in die mongolische Steppe. Nicht zu vergessen die aufregende Zwischenlandung auf dem Weg nach Syrien, das Wochenende in London, die Erkundung von Saint Simons Island ... Obwohl die meisten der Texte keine klassischen Reiseberichte sind, findet der Leser am Ende eines Beitrages noch einmal alle wichtigen Infos zum jeweiligen Reiseziel. Da erfährt man zum Beispiel, dass man auf dem Jakobsweg mit etwas Glück einem Barmann in Cowboystiefeln begegnet. Damit texttourismus nicht bloß eine Ansammlung von Kurzurlauben, sondern eine große Reise ist, verbindet ein Reisetagebuch die Texte miteinander und übernimmt die Rolle eines den Leser begleitenden Conférenciers. Nach welchen Kriterien habt ihr die Autoren ausgewählt? Einziges Auswahl-Kriterium war, so simpel das klingt: ein überzeugender Beitrag. Ein Text, der Hände reicht und den Leser sozusagen mit dem Worttaxi abholt und an Orte bringt, die er aus diesem Blickwinkel wahrscheinlich noch nie gesehen hat. Oder überhaupt noch nie gesehen hat. Oder aber lächelnd wiedererkennt. 150 Geschichten standen zur Auswahl und erstaunlicherweise waren Jana, Lutz und ich uns bei allen Texten, die den Weg ins Buch geschafft haben, sehr schnell einig. Wie kam der Kontakt mit den einzelnen Schreibern zu Stande? Konntet ihr dabei z.B. schon bestehende Kontakte nutzen? Die Nachwuchsautoren haben wir größtenteils in Internetforen aufgetan, auch auf jetzt.de - es sind z.B. jane, Chiasmus, elaine und amplifythegoodtimes dabei. Allerdings gab es auch ein paar Initiativbewerbungen oder Autoren, auf die uns Freunde hingewiesen haben. Die prominenten Autoren haben wir über ihre jeweiligen Managements bzw. Agenturen kontaktiert. Bis auf wenige Ausnahmen kam der Kontakt zu den einzelnen Autoren aber tatsächlich erst im Rahmen des texttourismus-Projektes zustande. 40 Autoren in vier Monaten- das klingt nach enormen Stress. Wie habt ihr es geschafft, das zu koordinieren? Stressig war das schon, wir sind ja leider nicht hauptberuflich texttouristen. Lutz, der zusätzlich zur Redaktionsarbeit als Herausgeber fungiert hat, arbeitet im Rechenzentrum einer Versicherung, Jana und ich sind freie Journalistinnen. Aber es ist nun mal so, dass nichts den Motivations-Motor so gut ölt wie Herzblut. Und wir hatten auch einen Projektplan mit strengen Terminvorgaben. Es gab unglaublich viele Randbedingungen, die erst im Laufe des Projekts zu Tage traten und koordiniert werden mussten. Ohne gezieltes Vorgehen kommt man nicht an. Wir drei Redakteure hatten aber trotz Stress vor allem riesigen Spaß bei der ganzen Sache - alleine zu erleben, wie eine vage Idee immer schärfere Konturen bekommt, bis man dann schließlich ein fertiges Buch in den Händen hält - das ist ganz wunderbar und sehr beeindruckend. Dafür haben wir die olympischen Augenringe, die uns während der heißen Phase generös zierten, gerne in Kauf genommen. Oder zumindest als liebenswertes texttourismus-Souvenir empfunden. Der gesamte Überschuss eurer Einnahmen spendet ihr an die Organisation "¡ Futuro Sí !". Was macht diese Organisation? Warum habt ihr euch ausgerechnet dafür entschieden, gibt es da eine persönliche Geschichte? Unter dem Eindruck der von ihm selbst erlebten Favelas in Brasilien und mit dem Bewußtsein einer sozialen Verantwortung gerecht zu werden, arbeitet Lutz seit vielen Jahren ehrenamtlich in der Düsseldorfer Initiative für lateinamerikanische Straßenkinder, "¡ Futuro Sí !". Der Verein unterstützt neun Projekte in Argentinien, Bolivien, Brasilien und Ecuador - darunter Kindergärten, ein Mädchenhaus und eine landwirtschaftliche Schule. Das Besondere dabei ist, dass alle Projekte von Einheimischen geleitet werden. "¡ Futuro Sí !" gehört zu den bundesweit 187 von 20.000 spendensammelnden Organisationen, die das Spendensiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) besitzen. Wann würdet ihr bei eurem Projekt von einem Erfolg sprechen? Wäre dann bald mit „texttourismus 2" zu rechnen? Für uns ist texttourismus schon jetzt ein persönlicher Erfolg. Das Projekt hat eine unglaubliche Dynamik entwickelt und bereits erstaunliche Resonanz erfahren, die wir uns zwar natürlich erhofft hatten, aber ursprünglich doch eher in die Kategorie "Träumerei" einordneten. Sogar der österreichische Radiosender FM4 hat letzte Woche über texttourismus berichtet, es gibt Lesungsanfragen von Veranstaltern und bei amazon.de haben wir es immerhin bis auf Verkaufsrang 139 geschafft. Konkrete Pläne für "texttourismus 2" gibt es noch nicht. Die Zusammenarbeit in der Redaktion hat aber so gut funktioniert, dass wir uns schon vorstellen könnten, ein weiteres Projekt gemeinsam zu realisieren. Ob das "texttourismus 2" sein wird, steht noch in den Sternen. Ihr habt euer Buch bei „Books on Demand" verlegt. Warum? Wir suchten einen Verlag, bei dem man in Eigeninitiative günstig ein professionelles Buch verlegen kann. Dabei fiel "Books on Demand" in die engere Auswahl. Wir konnten den Verlag schließlich für unser Projekt begeistern, so dass "Books on Demand" uns ihre Unterstützung angeboten haben. Nachdem nicht nur die Projektidee, sondern auch die Qualität überzeugte, wurden wir zum "Buch des Monats (November)" gekürt. Wir haben sehr gute Erfahrungen mit BoD gemacht und können diese Art der Buchveröffentlichung wirklich nur empfehlen. Allerdings muss man sich - zumindest in der Basic-Version dieser Dienstleistung - um alles andere komplett selbst kümmern. Das geht vom Lektorieren der Texte, über den Klappentext und das Coverfoto (das übrigens von jetzt.de-Userin kleinbuergerfaszinosum stammt), bis hin zur Pressearbeit. Aber es ist natürlich auch sehr spannend, in wirklich jeden Prozess der Buchveröffentlichung involviert zu sein.

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