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"Nichts ist so mysteriös wie die Nacht"

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jetzt.de: Als deine Musikkarriere begann, sagtest du einmal, ein Sänger sollte niemals versuchen, seinen Hörern die Welt zu erklären. Wie ist das heute, mit zehn Jahren mehr Lebenserfahrung?
Paul Smith: Ich denke immer noch wie damals. Ich würde niemals jemandem erzählen wollen, wie er sein Leben zu leben hat. Ich würde sogar sagen, das meiste Übel auf dieser Welt entsteht genau durch die Leute, die eben das tun: anderen erzählen, was sie zu tun und zu lassen haben.  

Für kleine Weisheiten und Botschaften scheinst du aber eine Ausnahme zu machen: Das neue Album "Too Much Information" ist ja voll damit.
Damit will ich sagen, was ich persönlich fühle, und nicht, was andere daraus machen sollen. Oft lassen die Texte mehrere Interpretationen zu, das ist mir wichtig. Unser letztes Album hieß zum Beispiel "The National Health", und alle dachten, wir wären plötzlich total politisch geworden. Dabei handelten die Stücke darauf nur von Gefühlszuständen, die nicht unbedingt an irgendeine Politik gekoppelt waren. Es geht in unseren Songs immer mehr um persönliche Erfahrungen und die Stimmungen, die sie auslösen.  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Folgst du bestimmten Regeln beim Songwriting?
Ich versuche immer, Songs als Fragen zu schreiben: Warum ist es so, wie es ist? Wieso fühlt sich das so an? Warum passiert das gerade mir? Im Song "My Bloody Mind" aus dem neuen Album singe ich einmal: "Why do I long for a life that I already have? I must be out of my bloody mind." Klar, das drückt schon aus, dass ich älter werde und nicht mehr ganz so verwirrt durch die Welt gehe.  

Was inspiriert dich zu diesen Fragen?
Ich habe mir neulich eine Ausstellung im Design Museum in London angesehen. Der Modedesigner Paul Smith hat dort einige seiner Arbeiten vorgestellt. Und eine Sache, die er zur Ausstellung gesagt hat, gilt auch für mich und mein Songwriting: "Alles kann dich inspirieren." Es kann das Sonnenlicht sein, das an einem bestimmten Tag besonders einfällt. Ein Spaziergang, bei dem man irgendwas Schönes sieht oder hört. Eine Unterhaltung mit einem Freund, der irgendwas Tolles sagt. Eine neue Platte. Einfach alles. Deshalb will ich so viel wie möglich von allem mitkriegen.    

Kannst du dich jederzeit hinsetzen und einen Song schreiben?
Ich würde am liebsten genau in diesem Moment ins Nebenzimmer gehen und mich an den Schreibtisch setzen. Ich liebe es zu schreiben. Und ich hatte bisher auch das Glück, noch nie so was wie eine Schreibblockade zu haben.  

Wie läuft dein Arbeitstag ab?
An Schreibtagen will ich wirklich nur das tun: aufstehen, frühstücken und sofort anfangen, jede Minute nutzen. Ich will schon morgens etwas schaffen, später vielleicht etwas lesen, ein Buch oder eine Kurzgeschichte, um mich für die nächste Schreib-Session am Tag inspirieren zu lassen.  

Welche Bücher haben dich beim neuen Album beeinflusst?
Zum Beispiel "Morvern Callar" von dem schottischen Autor Alan Warner. Kann ich jedem nur empfehlen! Auch von Don DeLillo habe ich einiges gelesen, zum Beispiel das wirklich gewaltige "Underworld". Jedem, der das lesen will, kann ich nur sagen: Mach dich darauf gefasst, dass es fortan ein Teil deines Lebens sein wird! Außerdem noch interessant: der chilenische Schriftsteller Roberto Bolaño, der mich sehr an Leonard Cohen erinnert. Er erzählt immer Geschichten, in denen wahnsinnig viele Dinge versteckt sind, zu denen man erstmal durchdringen muss. Das ist viel Denkarbeit, lohnt sich aber.  

Hörst du ab und zu Radio? Verfolgst du zum Beispiel die Charts?
Nein, das verkneife ich mir. Auch weil die Charts immer so unausgewogen sind. Es gibt wirklich gute Sachen, aber es gibt auch sehr viel mieses Zeug. Was ich aber tatsächlich gerne höre, ist der englische Sender Radio 6. Das Programm ist relativ alternativ, es gibt Dance-Musik genauso wie Folk und Rock.  

Es heißt, ihr hättet euer neues Album nun "Too Much Information" genannt, weil die Musik darauf "too much" für den gängigen Mainstream-Hörer wäre.
Genau so ist es. Denn seien wir mal ehrlich: Der Musikgeschmack von vielen Leuten ist doch wirklich sehr einseitig. Viele wollen nur eine ganz bestimmte Art von Musik hören, und die besorgen sie sich dann – immer wieder, und nie mehr als das. Das ist natürlich vollkommen in Ordnung, aber ich persönlich würde immer mehr wollen und auch unseren Hörern immer mehr anbieten. Das kriegen wir natürlich auch deshalb gut hin, weil wir in der Band alle sehr unterschiedlich sind und auch unterschiedliche Musik hören. Wir sind ja nicht die Ramones. (lacht)  

Aber ihr setzt doch immer wieder auf einen speziellen Stil.
Ja, aber wir variieren diesen Stil auch. Wenn wir zum Beispiel mal elektronischer klingen wollen, dann machen wir das auch. Weil wir es können. Nach all den Jahren, die wir als Band zusammen sind, haben wir das Selbstbewusstsein erlangt, das zu machen und so zu klingen, wie wir gerade Lust haben. Deshalb finde ich es perfekt, dieses Album genauso zu nennen. Das ist nahezu eine Definition dieser Band.  

Ist diese Band auch noch so, wie man sie kennt? Quirlig, wild, nachtaktiv?
Schon, aber nicht mehr auf die Art und Weise wie, sagen wir, vor zehn Jahren. Damals war besonders die Nacht eine Art Flucht für mich. Sobald das Wochenende angefangen hat, habe ich mich wie von einem Sprungbrett aus hineingestürzt. Das brauche ich heute nicht mehr.  

Trotzdem ist die Nacht auch auf dem neuen Album wieder ein großes Thema.
Ich glaube, nichts war, ist und wird mir je so mysteriös erscheinen wie die Nacht. Allein, weil das Licht aus ist (lacht). Im Dunkeln passiert einfach mehr.  

Was ist dir denn in letzter Zeit so passiert?
Meine Nächte, gerade während der Arbeit an diesem Album, habe ich oft zu Hause verbracht. Nicht selten lag ich nächtelang wach und habe einfach nur nachgedacht.  

Worüber?
Ich habe versucht, vieles zu reflektieren. Ich hab mich gefragt: Wo war ich vor einem Jahr? Wo vor einem Monat? Wo vor zwei Wochen? Was habe ich gemacht? Wie habe ich mich gefühlt?  

Klingt wie ein ein Zeichen des Älterwerdens.
Wahrscheinlich. Und trotzdem: Zum Klugscheißer werde ich deshalb nicht. (lacht)  

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


"Too Much Information" von Maxïmo Park erscheint am Freitag.

Text: erik-brandt-hoege - Foto: Steve Gullick

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