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"Nordic Walking müsste eigentlich German Walking heißen"

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Adam Fletcher hat sich in England nie richtig wohlgefühlt. Als ein Jobangeobt aus Leipzig kam, zog der Brite kurz entschlossen nach Deutschland. Das war vor sechs Jahren. Jetzt hat er seine Beobachtungen über die großen und kleinen Eigenartigkeiten der Deutschen in einem Buch zusammengefasst: “Wie man Deutscher wird. In 50 einfachen Schritten. Eine Anleitung von Apfelsaftschorle bis Tschüss.”

jetzt.de: Adam, bevor ich dein Buch gelesen habe, war mir nicht klar, dass Versicherungen so etwas typisch Deutsches sind. Wie wird das in England gehandhabt?
Adam Fletcher: Bevor ich nach Deutschland gezogen bin, habe ich nie von so etwas wie Versicherungsberatern gehört. Jetzt kümmert sich meine deutsche Freundin Annett um meine Versicherungen. Sie hat auch eine Haftpflichtversicherung für mich abgeschlossen. Obwohl ich wirklich nicht weiß, wofür man sowas braucht.

Und Apfelschorle hast du auch nicht gekannt? Was trinkt man denn in England, wenn man kein Bier trinkt?
Wir trinken Wasser, oder wir trinken Saft, aber wir mischen es nicht. In Deutschland scheint man der Meinung zu sein, dass sich ein Getränk allein im Glas einsam fühlen würde.

Gibt es eine Eigenschaft, die deiner Meinung nach besonders bezeichnend für die Deutschen ist?
Vielleicht die Gründlichkeit. Es gibt hier das Sprichwort: Man macht etwas richtig, oder man lässt es ganz bleiben. Ein gutes Beispiel dafür ist Nordic Walking. Nordic Walking müsste eigentlich German Walking heißen. Man scheint sich gedacht zu haben: Spazieren gehen ist nett, aber wie können wir es besser machen? Dann kauft man sich erstmal die richtige Ausrüstung.

Wann hast du das erste Mal gemerkt, dass hier vieles anders ist als in England?
Da ging es um Mülltrennung. In England haben wir damals alles in eine Tonne geworfen, und so habe ich es in meiner ersten WG in Leipzig auch gemacht. Am Anfang haben meine Mitbewohner nichts gesagt und alles im Nachhinein sortiert. Irgendwann haben sie mich dann zur Seite genommen und mir erklärt, wie das mit dem Müll funktioniert, und wir sind auch zum Altglascontainer gelaufen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Und wie wurde daraus ein Buch?
Zuerst hatte ich die Idee für das Cover, auf dem typisch deutsche Dinge dargestellt sind. Das haben wir als Poster und T-Shirt auf meinem Onlineshop The Hipstery verkauft. Aber die Leute haben mich ständig gefragt, was die einzelnen Symbole bedeuten. Daraus ist ein Artikel mit 20 Schritten entstanden, und daraus wiederum das Buch.

Sag mal ganz ehrlich, was hältst du wirklich von Kartoffeln?
Ich bin ein großer Kartoffelfan. Wir Engländer sind genauso verrückt danach wie ihr. Wir sind nur nicht so kreativ, was die Verarbeitung anbelangt.

Du schreibst in der Einleitung, du hättest dich in England nie richtig zu Hause gefühlt. Fühlst du dich in Deutschland zu Hause?
Komplett. Wenn ich in Europa bin, ist Deutschland meine Heimat. Zumindest in Leipzig und Berlin, wo ich bisher gelebt habe, fühle ich mich zu Hause. Ich bin ein großer Deutschlandfan.

Wie fühlt es sich an, wenn du nach all den Jahren in Deutschland zwischendurch nach England kommst?
Der Smalltalk in England bringt mich um. Ich hätte gerne eine Stoppuhr, um jedes Mal zu messen, wie lange mein Vater über das Wetter redet. Das ist ja nicht sehr interessant. Jeder, der ein Fenster hat, weiß, wie das Wetter ist. Aber mein Dad redet darüber, als hätte er Insiderinformationen. Vielleicht ist mein Vater ein Extremfall, aber eigentlich sind alle Engländer so. Man sitzt auf bequemen Sofas im Wohnzimmer und tauscht einen Haufen Wörter aus. Und ich muss in England über jeden Satz genau nachdenken: Gibt es irgendeine denkbare Möglichkeit, wie meine Familie den Satz falsch verstehen könnte? Subtext ist in England sehr wichtig. Es ist immer besonders interessant, wenn Annett mit nach England kommt. Sie ist wie ein Tornado, wenn sie einen Raum betritt. Sie ist so deutsch.

Mit welchen Klischees über die Briten bist du in Deutschland konfrontiert worden?
Die Engländer trinken zu viel. Sie fritieren alles. Sie können keine Fremdsprachen. Das stimmt auch alles. Vielleicht schreibe ich als nächstes das Buch “How to be British”.

Adam Fletcher: Wie man Deutscher wird / How to be German. Zweisprachiges Buch in deutsch und englisch, Verlag C.H. Beck, 8,95 Euro.

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