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Obacht, das ist die neue Kate Nash!

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Question of Today: What happened to Kate Nash? So titelte das englische Klatschmagazin Heat. Trotz aller Hysterie, die dem britischen Boulevard üblicherweise zueigen ist, keine ganz ungerechtfertigte Frage. Das neue Material der Songwriterin aus London erinnert kaum noch an den süßen Indiepop à la "Foundations", jener Hitsingle, die ihr auch in Deutschland großen Erfolg bescherte. Alles ist viel lauter jetzt, dreckiger, wütender. Das Klavier wurde gegen einen verzerrten Bass getauscht, die neuen Kernelemente  sind amerikanischer Grunge und Riot Grrrl Feminismus. Courtney Love statt Fräuleinwunder, sozusagen. Also: What happened to Kate Nash? Wir haben nachgefragt.

jetzt.de: Kate, du hast das Instrument gewechselt, deine Band völlig neu besetzt, deine Musik klingt viel punkiger als früher, deine Texte sind kämpferischer und in den neuen Videos erkennt man dich ehrlich gesagt kaum wieder. Was hat dich zu all diesen Veränderungen veranlasst?
Kate Nash: Das war keine bewusste Entscheidung, sondern etwas, das ganz natürlich gekommen ist. Es ist ja völlig normal, sich zu verändern. Ich meine, du machst ja auch nicht mehr dieselben Dinge, die du mit 17 gemacht hast, oder? Niemand macht das. Und wenn es bei jemandem so wäre, müsste man sich Sorgen um diese Person machen. Wenn du dagegen in der Öffentlichkeit stehst, erwarten die Leute aus irgendeinem Grund, dass du immer dieselbe bleibst. Aber das wäre doch langweilig. Es ist ja auch wichtig, den Fans hin und wieder etwas zum Verteidigen zu geben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Auch äußerlich hat sich Kate Nash verändert.

Es gab also kein zentrales Schlüsselerlebnis, nach dem du von einem Tag auf den anderen alles umgeworfen hast?
Nein, es ist viel passiert. Ich hatte ein, zwei schwierige Jahre. Verschiedene Personen und Vorfälle um mich herum, ich möchte da nicht ins Detail gehen. Letztlich war ich in einer Situation, in der ich das Gefühl hatte: Das Beste und Gesündeste was ich tun kann, ist, mich in meine Arbeit zu stürzen. Wenn ich weiter grübele, gerate ich vielleicht noch aus der Spur und ende als emotionales Wrack. Und da meine Gefühle sich verändert hatten, musste ich eben auch anders schreiben, um sie auszudrücken.


http://www.youtube.com/watch?v=EUW2pugyIAw

Die öffentlichen Reaktionen darauf waren sehr gemischt. Gerade im Internet gab es – du beschäftigst dich damit auch auf deinem Blog – viele sehr bösartige, beleidigende Kommentare. Hat dich das überrascht oder war das etwas, was du bewusst provozieren wolltest?
Ich habe da nicht so sehr drüber nachgedacht. Aber es hat mich definitiv nicht überrascht. Das ist eben das Internet, und wofür die Leute es benutzen. Was manche Menschen in Youtube-Kommentaren von sich lassen, wirkt völlig geisteskrank. Es gibt da soviel seltsames Zeug, mich schockiert das nicht. Außerdem kenne ich das alles schon. Seit ich 17 bin, werde ich damit konfrontiert, ich hatte ein paar Jahre, um mir eine dicke Haut zuzulegen.

Es lässt dich kalt?
Nicht, wenn ich es lese. Ich bin schließlich auch nur ein Mensch. Darum vermeide ich diese ganzen Kommentare, so weit es geht. Ich glaube, das ist der Grund, warum manche Leute in diesem Job verrückt werden. So viele Künstler habe ich durchdrehen sehen, weil sie unsicher waren und mit so viel Häme überschüttet wurden. Man muss sich wirklich disziplinieren, diese Sachen nicht zu lesen. Mein Job ist es, auf der Bühne vor Publikum zu stehen, selbstbewusst und erhobenen Hauptes. Ich kann es mir nicht leisten, mich scheiße zu fühlen wegen irgendeines Blödsinns, den irgendjemand auf Youtube geschrieben hat.

Denkst du, das ist etwas, was weibliche Künstler besonders betrifft?
Der Hass im Netz ist ein allgemeines Phänomen, man sieht das ja auch bei vielen männlichen Interpreten. Bei Frauen richten sich die Attacken  allerdings noch viel stärker auf das Aussehen. Darauf sind wir schließlich getrimmt. Das Marketing der Schönheitsindustrie basiert doch zu großen Teilen darauf, Frauen öffentlich in den Dreck zu ziehen, weil sie normale menschliche Wesen sind. Diese ganzen Magazine: „Oh, seht sie euch an, mit ihrer schlechten Haut. Oh, sie ist so fett und verschwitzt, ist das ekelig!“ Es gab Bilder von mir, auf denen meine Akne hervorgehoben war. Und dann blätterst du weiter und findest tausende Anzeigen für Beautyprodukte, Schönheitschirurgie, dieses ganze Zeug. So vermarktet man so was eben. Dass sich diese Art und Weise Frauen anzugreifen, dann auch im Internet wiederfindet, ist keine Überraschung.

Du arbeitest seit einiger Zeit ehrenamtlich mit jungen Mädchen zusammen, in deiner Heimat Großbritannien hast du den Rock’n‘Roll After School Club for Girls gegründet. Worum geht es da? Ich war sehr aufgebracht, weil ich im Rahmen einer Podiumsdiskussion über die gender gap in der Musikindustrie herausgefunden habe, dass es viel weniger weibliche Komponisten und Songwriter als männliche gibt. Mich hat das sehr wütend gemacht, weil ich nicht verstanden habe, warum. Frauen können das doch eigentlich! Ich wollte nicht in Jammerei und Missmut versinken sondern lieber aktiv werden. Dann habe ich von diesen Rock’n‘Roll Sommercamps für Mädchen gehört, die es in Amerika gibt. So etwas wollte ich in England machen. Nur nicht als Camp, sondern eben als After School Club. Ich habe sechs verschiedene Schulen kontaktiert, die ich während Tourstopps besuchen konnte, da bin ich dann hingegangen und wir haben das einfach gemacht. Das war alles sehr grass roots, Do-It-Yourself.

Wie sieht das in der Praxis aus?
Letztendlich geht es darum, Selbstvertrauen, Selbstwertgefühl zu geben. Wir haben Instrumente, und die Mädchen können sie ausprobieren, Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboard. Wir bringen ihnen die Basics bei. Dann arbeiten wir in Gruppen an Songs und Texten. Am 1. Dezember wird es eine große Show in der Queen Elizabeth Hall in London geben, mit zwei der Schulen, mit denen ich gearbeitet habe. Das ist einfach großartig! Es gibt da dieses eine Mädchen, sie war anfangs sehr schüchtern, weil sie auf ihrer alten Schule so gemobbt wurde. Sie hat eine fantastische Stimme, und jetzt wird sie in einer großen Halle in London auftreten. Anfangs hat sie sich noch nicht mal getraut ins Klassenzimmer zu kommen! Ich finde das so cool. Die Kids von heute sind so entmutigt. Es ist sehr wichtig, etwas dagegen zu tun. 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Die EP "Death Proof" von Kate Nash ist als Download zum Beispiel bei iTunes oder amazon.de erhältlich, das neue Album "Girl Talk" erscheint im Januar und kann hier vorbestellt und gesponsert werden.

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