Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

Oliver Kahn beim Handball-Spielen - Antwort auf das Killerspiel-Video bei YouTube

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

Fühlen Sie sich von dem

auf YouTube angegriffen? Nein, denn bei den Berichten bei Frontal21 wurde die Gamer-Szene zwar hart kritisiert, wir haben uns aber auch auf die Spiele eingelassen. Für mich ist ganz klar, wenn ich über ein Videospiel berichte, muss ich mich genauso gut vorbereiten wie auf ein Interview mit einem Politiker. Man dringt da in die Lebenswelt vieler junger Menschen ein und wenn man ungenau ist, verliert man an Glaubwürdigkeit. Insofern kann ich nachvollziehen, dass Herr Dittmayer sich hier mehr Genauigkeit wünscht. Mich stört aber, dass er mit dem Clip auch sagt: „Lasst doch mein Hobby in Ruhe.“ Menschenverachtung in Spielen darf kein medialer Taburaum sein.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Frontal21-Autor und Computerspielfachmann: Rainer Fromm Ist es nicht ein legitimer Wunsch, dass er als Videospieler nicht stigmatisiert werden möchte? Man muss aber auch kritisch über das Thema berichten können. Computerspiele sind heutzutage virtuelle Tarnkappenbomber, die eine junge Generation auch geistig militarisieren. Diese Spiele haben zum Teil einen Inhalt, der unserem Grundgesetz diametral gegenüber steht. Mit der berechtigten Kritik an Computerspielen macht man sich als Redaktion aber unglaubwürdig, wenn man in den Grundlagen sachliche Fehler macht. Genau diese Fehler hat Matthias Dittmayer gesammelt. Auf dieser deskriptiven Seite hat das Video auch Stärken. Auf der anderen Seite ist das Subjektive aber auch das Problem, das ich mit dem Video habe. Es verlässt die Ebene eines betroffenen Gamers nicht und vernachlässigt Erkenntnisse der Wirkungsforschung sowie massive Lücken im Jugendschutz. Er ist ja auch kein Journalist, sondern selber ein Videospieler. Die Analyse, die er trifft, finde ich auch im Bezug auf die Darstellung so mancher Spiele völlig richtig. Er sagt, die geben sich keine Mühe mit uns. Und da muss man ihm Recht geben, dass es mehr Sorgfalt geben muss in der Berichterstattung über Computerspiele. Aber die Beispiele, die er selber wählt, sind für mich nur ausreichend bis mangelhaft. In dem Interview sagt er, er wolle sich gegen die zum Teil einseitige Berichterstattung in einigen Medien wehren. Können Sie dieses Gefühl nachvollziehen? Das Gefühl der Szene der Computerspieler kann ich nachvollziehen. Vielleicht muss das aber auch so sein. Es ist heutzutage nicht mehr möglich, die Elterngeneration mit Musik zu provozieren. Ich bin selbst mit den Dead Kennedys sozialisiert und mit den Sex Pistols. Und was sollen meine Kids jetzt machen um mich zu provozieren? Sie können entweder rechtsradikale Musik hören – da ich bin sehr froh, dass es so nicht ist. Oder aber sie brechen mit dem pazifistischen Anything goes-Grundkonsens der Eltern. Und das geht halt am besten, indem sie virtuell Gewalt ausüben. Und insofern ist das Computerspiel einer der Freiräume, in dem die junge Generation von heute gegen die Eltern rebellieren kann. Es geht nicht um Rebellion, sondern darum, dass in manchen Redaktionen offenbar verfälschend über Computerspiele berichtet wird. Sie arbeiten oft für Redaktionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, haben Sie den Eindruck, dass dieses Bild stimmt? Ich glaube es stimmt zum Teil. Computerspiele sind ein Paralleluniversum, mit dem einige Redakteure im Erwachsenen-Alter offenbar nichts mehr zu tun haben. Dazu werden Spiele von Beobachtern oft grundsätzlich anders wahrgenommen als von Gamern. Während die aktiven Spieler oft auf Teamstrategien achten, sehen Außenstehende oft nur die Gewaltszenen. Journalismus sollte beide Ebenen berücksichtigen.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die journalistische Leistung besteht eben gerade darin, sich in eine andere Szene einzuarbeiten. Ich befürchte, dass ist tatsächlich ein Defizit. Es gibt einige Redakteure, die sehr sorgfältig die wissenschaftliche Diskussion zu dem Thema nachvollziehen und auch anschaulich darstellen. Was aber fehlt, ist die Welt der jugendlichen Konsumenten. Und das ist eine Sache, die die Redaktionen auch ernst nehmen sollten. Denn ich glaube jeder würde sich beschweren, wenn man Oliver Kahn beim Handball-Training zeigt. Man würde sich beschweren oder das Programm einfach nicht mehr einschalten. Das sehe ich anders. Denn man kann ja die Frage stellen, warum regen sich die Leute über die Berichte der öffentlich-rechtlichen Sender auf und nicht über Filme, die im Privatfernsehen gelaufen sind, die direkte Zusammenhänge herstellen zwischen Spielen und Amokläufen an Schulen? Ich glaube, die Jugendlichen regen sich deshalb über die seriösen Formate in ARD und ZDF auf, weil sie sich an denen reiben können. Und ich finde, das ist ein sehr gutes Zeichen. Denn nicht diejenigen nimmt man ernst, die den Jugendlichen nach dem Mund reden, sondern diejenigen, die sie kritisch begleiten und vielleicht auch unangenehme Fragen aufwerfen. Denn längst nicht jeder Gamer ist Kriegsfan oder Gewaltfetischist und kann sich mit den brutalen Angeboten der Industrie identifizieren. Wenn man das Video auf YouTube sieht, hat man nicht den Eindruck, dass man sich an ARD und ZDF reiben kann. Es drängt sich vielmehr der Eindruck auf, dass sich dort niemand richtig mit den Themen auseinander setzt. Inhaltlich argumentativ ist das Video an etlichen Punkten nicht diskutierwürdig. Denn die Demagogie, die der Autor den Öffentlich-Rechtlichen vorwirft, betreibt er ja selber. Wie meinen Sie das? Ein ganz wichtiger Punkt ist zum Beispiel die Gleichsetzung von Egoshootern und Gewaltspielen. Der Autor sagt in dem Video, dass Egoshooter nur einen geringen Anteil der verkauften Spiele ausmachen und will damit begründen, dass Gewaltspiele kaum verkauft würden. Er weiß aber sehr genau, dass es Strategiespiele gibt, die einen viel brutaleren Inhalt haben als zum Beispiel ein Egoshooter. Er weiß auch sehr genau, dass Spiele wie Hitman oder wie GTA als Actionspiele laufen, aber auch sehr gewalttätig sind. Insofern verkürzt er da ganz bewusst, um seine Botschaft zu transportieren und betreibt genau den Populismus, den er ARD und ZDF vorwirft. Er will seine Position darstellen. Das mag sein, ich gebe Ihnen aber noch ein Beispiel. Das Spiel „Silent Scoop“ hat das einzige Ziel, menschliche Figuren als Sniper zu erschießen. Da fühle ich mich verschaukelt, wenn er den Inhalt des Spieles auf einen finalen Rettungsschuss der Polizei minimieren will. Diese Argumentation kann er auch in der Gamer-Szene nicht durchhalten. Jeder, der das spielt, weiß, dass es längst nicht nur um einen finalen Rettungsschuss der Polizei in Geiselnahmen geht. Der Spielfun ist das Snipen, also das reaktionsschnelle Liquidieren virtueller Gegenüber. Ein solch brutales Spiel mit einer pseudomoralischen Ebene zu überfrachten ist eine einzige bewusste Irreführung der Youtube-Betrachter und selbstredend für die Qualität der Kritik an Frontal 21. Mehr zum Thema auf jetzt.de Im Interview erklärt Matthias Dittmayer, wie er das Video - das Gegenstand der Debatte ist - erstellt hat.

  • teilen
  • schließen