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Radiosendung über die Zeit zwischen 20 und 30
Jenny Chen hat sich gefragt: Was macht die Lebenszeit zwischen 20 und 30 aus? Die Antwort lautete: der Moment, in dem wir alle in der Luft hängen. In dem etwas zu Ende gegangen ist und wir noch nicht wissen, wie es weitergeht, wer wir sind und wer wir sein sollen. Um diesem Moment auf den Grund zu gehen, hat Jenny sich von Menschen in ihren Zwanzigern erzählen lassen, was sie in den vergangenen Jahren besonders beeinflusst und geformt hat. Herausgekommen ist das Radio-Feature „Those Crazy 20-Somethings“, das zehn ganz unterschiedliche Schicksale und Lebensentwürfe junger Menschen in den USA zusammenfasst.
Jenny selbst ist 26 und hat als Journalistin schon für die New York Times, die Washington Post, The Atlantic und NPR geschrieben. Derzeit arbeitet sie als wissenschaftliche Autorin an der Yale University und schreibt am medizinischen Institut über klinische Forschung. Per Skype hat sie uns von ihrem Radio-Projekt erzählt (das du dir hier auch anhören kannst).
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jetzt: Warum heißt dein Radio-Stück „Those Crazy 20-Somethings“? Was ist an diesen jungen Menschen so verrückt?
Jenny Chen: Es sind eher diese Lebensjahre selbst, die verrückt sind. Es gibt extrem viele Aufs und Abs, man formt seine Meinungen über die Welt und muss die unterschiedlichsten Probleme meistern. Und die Lebensentwürfe Gleichaltriger sind sehr verschieden: Die einen sind schon verheiratet, die anderen kommen gerade erst von der Uni. Manche haben feste Jobs, andere wissen überhaupt noch nicht, was sie machen sollen.
Wie ist das Projekt entstanden?
Nach dem College habe ich einen Job bei einer Lokalzeitung angenommen, die dann pleite ging und schließen musste – und ich musste mit 24 wieder bei meinen Eltern einziehen. Ich habe mich sehr verloren gefühlt und sehr geschämt. Vorher dachte ich immer, dass ich mein Leben im Griff habe, plötzlich war das anders. Ich habe aber mit niemandem drüber gesprochen, auch mit meinen Freunden nicht, ich habe einfach immer so getan, als wäre alles in Ordnung. Als ich mich dann für ein Radio-Training-Programm beworben habe, fragte der Betreuer, ob es ein Projekt gibt, an dem ich gerne arbeiten würde. Ich sagte: „Ich würde gerne Menschen in ihren Zwanzigern interviewen und diesen Moment zwischen den Dingen einfangen. Den Moment, in dem sie in der Luft hängen.“ Er fand das super.
Wie hast du deine Gesprächspartner ausgewählt?
Ich wollte Menschen mit so vielen verschiedenen Hintergründen wie möglich. Ich habe in meinem Netzwerk rumgefragt, bei Freunden und Bekannten. Und ich hatte einen Podcast über ein Institut für Berufsbildung gehört und dachte: Dort machen die Leute definitiv was anderes als ich mit meinem College-Abchluss. Also habe ich auch dort angefragt und sie haben mir Gesprächspartner vermittelt. Manche habe ich dann getroffen, mit anderen habe ich telefoniert oder geskypt.
Was hast du sie gefragt?
Ich habe mich dafür entschieden, sie alle ungefähr das Gleiche zu fragen, und vor allem nach den Sachen, die sich in den Zwanzigern verändern: Was ist deine Idealvorstellung von einer Beziehung? Wie ist das Verhältnis zu deinen Eltern? Was arbeitest du, warum und wie geht es dir damit?
Trotzdem sind die Geschichten sehr verschieden.
Jedes Interview hat mindestens zwei Stunden gedauert, aber am Ende habe ich immer nur eine einzige Geschichte für das Stück ausgesucht: die, von der ich das Gefühl hatte, das sie unverwechselbar zum Leben dieser Person gehört.
Welche dieser Geschichten hat dich am meisten berührt?
Akin, damals 27, hat mir erzählt, wie er das Erdbeben und den Tsunami in Japan überlebt hat und wie er danach sehr religiös geworden ist. Ich dachte immer, dass religiöse Menschen mir sehr fremd sind – aber für ihn war das eine Methode, um sich mit ähnlichen Sachen auseinanderzusetzen, die mich selbst auch beschäftigen. Das fand ich sehr interessant.
Welche Sachen sind das?
Unsere Sterblichkeit. Und Kontrolle: Wie ist es, wenn du dein ganzes Leben lang alles im Griff hattest – und plötzlich passiert etwas, bei dem du die Kontrolle komplett verlierst?
Du hast auch mit Menschen gesprochen, die du vorher schon kanntest. Wie war das?
Es hat mit klar gemacht, wie komplex jedes einzelne Leben ist, und ich konnte mein eigenes Leben dazu in Relation setzen und eher erkennen, was gut läuft und was nicht. Geoffrey, der letzte, der in dem Stück spricht, ist der Freund einer Freundin von mir. Ein total schönes Paar, ich dachte immer: „Die haben es echt geschafft! Ich wäre gerne wie sie!“ Aber dann haben wir darüber gesprochen, dass er lange mit schweren Depressionen zu kämpfen hatte und wie schwer es ihm gefallen ist, darüber zu sprechen. Wie sehr er sich geschämt hat. Und ich habe eine ehemalige Mitschülerin von der Highschool interviewt, die damals immer extrem beliebt war und superviele Freunde hatte. Ich war neidisch auf sie. Sie hat mir im Gespräch dann gesagt, dass sie neidisch auf mich war, weil ich immer schon gemacht habe, was mir Spaß macht. Sie hingegen ist in ihren Zwanzigern ständig von einem Job in den nächsten gewechselt.
Klingt tröstlich: Jeder kämpft seinen eigenen Kampf.
Ja, dadurch habe ich mich am Ende viel weniger alleine gefühlt und habe die Welt viel nuancierter betrachtet.
Gibt es trotz der verschiedenen Geschichten etwas, das deine Gesprächspartner verbindet?
Die meisten hatte ich im Voraus ausgesucht, weil ich dachte, dass sie ganz anders sind als ich und ihr Leben im Griff haben. Und dann kamen in jedem Gespräch, meistens so nach einer Stunde, immer die gleichen Sachen zur Sprache. Die gleichen Unsicherheiten und Sorgen, das eigene Leben betreffend. Denn alle stellten sich die Frage: „Mache ich es richtig?“