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Remmidemmi in Hamburg: Warum G8-Gegner sich freuen können

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Als ich heute früh in der Zeitung gelesen habe: G8-Gegner protestieren in Hamburg habe ich kurz gedacht: Was, jetzt schon? War das jetzt der Beginn von Heiligendamm? Ich denke schon, dass die Durchsuchungswelle vielen Leuten deutlich gemacht hat, was die G8 wirklich sind: Nämlich ein System, dass sich mit undemokratischen Methoden gegen demokratischen Protest abschirmt. Es hat doch aber das Bundesinnenministerium die Razzien angeordnet. Ja schon, aber Angela Merkel als Vorsitzende des Gipfels repräsentiert die G8. Mit dieser Aktion will man wohl andeuten, wie auch der Umgang mit den Gegnern in Heiligendamm selbst sein könnte und die Leute so einschüchtern. Die Regierung hat gemerkt, dass sich doch ein Protest im Land regt und wollte jetzt die Notbremse ziehen. Natürlich setzt die große Masse der Protestierenden auf friedliche Aktionsformen. Also waren die Demonstrationen von gestern eine Art Auftakt, geht es jetzt los? Nein, so weit würde ich nicht gehen. Natürlich ist die Empörung sehr groß. Uns war nicht klar, mit welcher Härte die Polizei vorgehen würde. Das hat bei vielen doch einen ziemlichen Schrecken ausgelöst. Hat euch die Durchsuchungsaktion überrascht? Die Geschichte der G8-Proteste ist ja auch weltweit eine Geschichte der polizeilichen Repression. Insofern war das jetzt keine große Überraschung. Trotzdem halte ich das Vorgehen für vollkommen überzogen und ungerechtfertigt. Es kann doch allen Ernstes niemand annehmen, dass irgendwelche linken Gruppierungen Terroranschläge planen. Der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft hat ja gestern gemeint, die Gefahr von links sei noch nie so groß gewesen, wie derzeit. Was sagst du dazu? Man spricht ja sogar vom Geist der RAF, von dem die Linke angeblich beseelt sei. Für mich sind Leute, die so etwas sagen, einfach nur ewig Gestrige. Was mich wirklich geärgert hat, ist, dass der Vizevorsitzende der CDU-Bundestagsfraktion Wolfgang Bosbach gemeint hat, niemand hätte sich so aufgeregt, wenn die Polizei so hart gegen Rechtsextreme vorgegangen wäre. Da geht doch vollkommen der Maßstab verloren. Wir setzen uns für die Menschenwürde auf der ganzen Welt ein und werden dafür mit Neonazis in eine Schublade gesteckt. Wie schätzt du das Interesse an G8 außerhalb des eher linken politischen Spektrums ein? Ich hatte bisher den Eindruck, dass das ganze in der „Normalwahrnehmung“ noch nicht so richtig präsent sei. Mir kommt es auch so vor, als habe die Mobilisierung bisher vor allem im linken Spektrum statt gefunden. Aber in den letzten Wochen kommen auch immer mehr Leute dazu, die sonst nicht so politisch aktiv sind. Ich mache ja dauernd Info-Veranstaltungen und war heute für einen Vortrag in einer Schule hier in Hamburg: Da hatte eine Klasse gerade eine Klausur geschrieben, in der sie sich mit dem G8-Protestaufruf beschäftigen sollten. Das Thema dringt also schon ins öffentliche Bewusstsein vor. Aber ist dann die Razzia nicht das Beste, was euch passieren konnte? Immerhin steht der G8-Protest jetzt überall in den Schlagzeilen. Also, das Beste ist es sicher nicht. Ich denke, diese Aktion hat deutlich gemacht, wie undemokratisch G8 ist und zu welchen Mitteln die Verantwortlichen im Zweifel greifen. Wer die Stimmung so anheizt, wird auch massiven Protest ernten. Viele Leute sind von der Politik von Innenminister Schäuble ziemlich irritiert, gerade was Datenschutz anbelangt. Davon könntet ihr jetzt doch profitieren. Ich glaube nicht, dass sich über diese Thematik noch viele Leute uns anschließen werden. Allerdings kann man schon sagen, dass die Polizeiaktion gezeigt hat, was G8 ist. Angela Merkel verkauft die als die Retter der Welt, die sich des internationalen Elends annehmen. In Wirklichkeit ist das ein repressives System, das keinen Widerstand zulässt. Das könnte durchaus noch mehr Leute auf die Straße bringen. Also könnt ihr euch doch ein bisschen freuen über die Vorfälle? Mir wäre es lieber, wenn es nicht passiert wäre. Denn jeder Schlag gegen unsere Bündnispartner richtet sich ja auch gegen uns. Und wir lassen uns nicht von der Politik in gute und böse Demonstranten einteilen. Diese Versuche, den Protest zu kriminalisieren führen zu einer angespannten Stimmung. Das einzige, was dabei heraus kommen kann, ist dass es in Heiligendamm härter zugeht.

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