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Schule ahoi!

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Am Samstag legt das Segelschiff „Regina Maris“ von einem holländischen Hafen Richtung Teneriffa ab. An Bord: 30 bayerische Gymnasiasten der zehnten Klasse, fünf Fachlehrer und eine Schiffscrew. „Schule einmal anders!“ wirbt das Institut für Sportwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen für das Projekt, bei dem eine sechsmonatige Kreuzfahrt dazu dienen soll, Sozialverhalten und kulturelle Offenheit der Schüler zu fördern. Zur Schiffsbesatzung gehört Manuel Sand, 26, Diplom-Sportwissenschaftler. Er promoviert über die Schule auf dem Schiff. Wir haben gefragt, welchen Sinn es ergibt, eine Klasse auf Kreuzfahrt zu schicken. [b]jetzt.de: Manuel, nach welchen Kriterien habt ihr die mitreisenden Schüler ausgewählt?[/b] Manuel: Wir hatten über 60 Bewerber aus ganz Bayern, die wir dann näher kennengelernt und auf körperliche Fitness, soziale Kompetenzen, schulische Leistungen und auch finanzielle Möglichkeiten geprüft haben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

[b]Also sind es in erster Linie Schüler aus wohlhabenden Familien, die mitfahren?[/b] Im Grunde ja. Das Projekt wird noch nicht gefördert durch spezielle Stipendien, daher müssen die Familien die Reisekosten komplett übernehmen. Bei 2390 Euro pro Monat muss natürlich eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit gegeben sein. Wir hoffen allerdings, in den kommenden Jahren auch Sponsoren zu finden, die mehr Schülern die Erfahrung ermöglichen. [b]Du begleitest die Fahrt als Wissenschaftler. Was willst du während der sechs Monate untersuchen?[/b] Ich möchte die Entwicklungen der Schüler in zwei Bereichen untersuchen: Zum einen im sozialpsychologischen Bereich. Das heißt, ich werde beobachten, wie sie anfangs und später interagieren. Wie sie Konflikte lösen und miteinander umgehen. Zum anderen werden sich auch spezielle Veränderungen der einzelnen Persönlichkeiten zeigen. Ich werde schauen, wie mit Heimweh umgegangen wird, mit Kulturschock und Arbeit an Bord. [b]Welchen Zweck hat das Ganze? Und was haben die Schüler davon?[/b] Die Reise bietet den Schülern die Möglichkeit, selbstständiger und selbstbewusster zu werden. Sie leben von der Familie getrennt auf engstem Raum, müssen an Bord mit anpacken und werden mit fremden Kulturen konfrontiert, in denen sie sich erst mal zurechtfinden müssen. Das sind wichtige Lernprozesse.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

[b]Die ausgewählte Route (Holland – Teneriffa – Martinique – Panama – Kuba – Bermudas – Azoren) erweckt aber eher den Anschein einer luxuriösen Kreuzfahrt…[/b] Die Atlantiküberquerung ist von großer historischer und symbolischer Bedeutung, das hat uns daran gefallen. Zudem hat die Leiterin des Projekts, Dr. Ruth Merk, gute Kontakte nach Südamerika, die sie natürlich nutzen wollte. Weihnachten in der Karibik klingt vielleicht schön, aber man darf nicht vergessen, dass die Schüler täglich in den normalen Gymnasialfächern unterrichtet werden und zudem mitverantwortlich sind für kochen, putzen und handwerkliche Aufgaben. [b]Täte es für diese Untersuchung nicht auch ein bayerischer Bauernhof?[/b] Das wäre auch eine Idee. Aber ein Schiff bietet natürlich ganz andere Möglichkeiten. Beziehungsweise gegebenenfalls auch eben gerade nicht – wenn man den engen Raum bedenkt, auf dem die Gruppe während der Zeit lebt. Das belastet auf ganz spezielle Weise, weil man sich nicht aus dem Weg gehen kann. Der Unterricht wird zudem auch sehr aktuell und praxisbezogen sein, das heißt, auf dem Lehrplan steht die jeweils aktuelle Landeskunde: Kultur, Natur, Geschichte. Das hat man auf einem Bauernhof nicht. [b]Ist dieses Projekt dann nicht etwas elitär?[/b] Na ja, wir arbeiten ja daran, dass auch Schüler aus finanziell schwächeren Familien in Zukunft mitkommen können. Darüber hinaus möchten wir für die Daheimgebliebenen möglich machen, über das Internet mit ihren Klassenkameraden in ständigem Kontakt zu stehen. Die Gruppe der „Weltkundschafter“ kann dann quasi das Gelernte direkt nach Hause weitergeben.

Text: christiane-lutz - Fotos: KUS-Projekt

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