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Spice - die clevere Droge?

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Seit ein paar Monaten gibt es in Deutschland eine neue Art, sich auf legalem Wege zu berauschen: "Spice" heißt die Kräutermischung wörtlich und wird ganz brav als Räucherstäbchen verkauft. Wir haben mit Klaus Thieme von der Drogenberatung Mudra in Nürnberg über Risiken der Droge gesprochen, sowie darüber, warum Spice nicht einfach verboten wird.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

[b]Erklären Sie noch einmal kurz: Wie ist „Spice“ zusammengesetzt?[/b] Klaus Thieme: Generell setzt sich Spice aus verschiedenen Kräutern zusammen, und zwar nicht aus verbotenen, sondern aus solchen, die überall ganz legal wachsen dürfen. Die meisten Menschen kennen Kräuter wie Meeresbohne, blauer Lotus, indischer Lotus, Helmkraut oder Marihuanilla aber nicht. Teilweise sind sie schlecht oder gar nicht in botanischen Büchern dokumentiert, obwohl viele eigentlich schon lange bekannt sind und aufgrund ihrer Wirkung für Rauscherfahrungen benutzt worden sind. [b]In welcher Szene wird die Droge konsumiert? Welche Kontakte hatten Sie bei Mudra schon zu Jugendlichen, die Spice probiert haben?[/b] Spice ist definitiv "angekommen" in der Szene. Ein großer Teil der Menschen, die zu uns kommen, haben bereits eigene Erfahrungen damit gesammelt - meist sind es junge Leute um die 16, 17. Ich denke, das liegt an der legalen Erwerbbarkeit und dem jugendlich hippen Design der Packung. Ausschlaggebend für den Konsum war nach Angaben der Konsumenten bei vielen sicherlich das Versprechen einer cannabisähnlichen Wirkungsweise. Diese Erwartung wurde jedoch bei vielen Testrauchern nicht erfüllt und führte zu keinem Einstieg in einen gefestigten Konsum. [b]Wie wirkt Spice denn nun eigentlich?[/b] Die Wirkung an sich dauert recht lange, nämlich zwischen neun und zwölf Stunden. Das ist bedenklich. Wer Spice also abends raucht, kommt morgens high in die Schule. Manche der Bestandteile wirken an sich aufputschend anregend, andere eher LSD-ähnlich. Es kommt immer darauf an, welchen Teil der Pflanze man dafür verwendet, ob also die Wurzel oder die Blüten. Spice bewirkt bei manchen einen alkoholähnlichen Rausch, andere werden eher müde, schwindelig und gelangweilt. Diese Aussagen nehme ich auch zum Anlass zu glauben, dass die Mischverhältnisse von Spice nicht immer gleich sind. [b]Liegt darin die Schwierigkeit, die Droge einfach zu verbieten?[/b] Genau. Wir wissen momentan noch gar nicht, was in Spice eigentlich genau drin ist. Die englischen Hersteller waren clever: Zum einen haben sie laut Verpackung nur legale Kräuter verwendet - wovon es übrigens jede Menge gibt. Zum anderen wird Spice ja gar nicht als Droge sondern als Räucherstäbchen verkauft. Daher wird es gesetzlich wie eben diese behandelt. Da kann Atommüll drin sein und es merkt noch keiner. Räucherstäbchen unterliegen keiner Kontrolle, wie beispielsweise Nahrungsmittel. Wenn man einfach die Mischung an sich verbietet, umgeht der Hersteller dies, indem er sie einfach minimal verändert, so dass sich eine neue chemische Verbindung ergibt, die aber von den Molekülen her dieselbe bleibt. [b]Halten Sie ein Verbot denn für notwendig?[/b] Eine schwierige Frage. Ich habe generell Bedenken, was den Konsum und die Wirkung von Spice betreffen. Es gibt keine Langzeiterfahrungen: Wie wirkt Spice nach langer Zeit auf Körper und Geist? Manche sagen, diese Pflanzen können gar nicht so stark wirken, da muss noch was chemisches drin sein – ist theoretisch möglich. Meine Befürchtung ist wirklich, dass da richtig schlimme Sachen drin sind, wie Pestizide, Herbizide, die hier schon ewig verboten sind. Ich bin daher schon sehr skeptisch Spice gegenüber, weil es null Kontrolle unterliegt. Außerdem ist es gefährlich, dass theoretisch jeder Zehnjährige Spice kaufen kann, wenn der Verkäufer sich nicht moralisch verpflichtet fühlt. Hier in Nürnberg gab es Spice vor einiger Zeit sogar im 1-Euro-Shop. Da steckt einfach Geldmacherei dahinter. Im Zweifel wird nicht nach dem Ausweis gefragt, weil sie es ja nicht müssen. Schließlich verkaufen sie Räucherstäbchen. [b]Macht Spice denn nicht auch abhängig?[/b] Eine körperliche Abhängigkeit bezweifle ich im Moment. Die Gefahr einer psychischen Abhängigkeit hingegen ist sicher gegeben. Wer merkt, dass es ihm was bringt, abends was zu rauchen, wird auch nicht zögern, das wieder zu tun. Dramatisieren würde ich es aber nicht, wir vertreten in dem Punkt eine akzeptierende Haltung. Es ist schließlich generell Teil der menschlichen Kultur, dieses Bedürfnis nach dem Rausch. [b]Sollte man also Drogen wie Spice erlauben?[/b] Nun, man muss ja sagen dass die Kriminalisierung bestimmte Risiken birgt: Schwarzmarktbildung zum Beispiel, bei der viele Menschen viel Geld steuerfrei verdienen. Das Geld wird wieder illegal investiert, so ist das alles sehr, sehr gesellschaftschädigend. Da nützen Verbote nichts. Eine gewisse Entkriminalisierung bietet uns die Chance, offener zu reden und so bessere Präventionsarbeit zu leisten. Wir können so mit Konsumenten anders über diverse Regeln diskutieren. Jetzt kann ich zu keinem Kiffer sagen: „Gekifft wird aber erst nach der Schule“, weil ich eigentlich den Auftrag habe, kiffen überhaupt zu verbieten. Abschreckungspropaganda wirkt nicht. Was wirkt, ist Information und Aufklärung. Wenn wir Regeln aufstellen könnten bei Pflanzen, die kontrollierbar sind, wie Cannabis, dann könnte man gezielter Aktionen starten wie „kein Bier vor vier“ oder dergleichen. Man könnte mit anderen Maßstäben arbeiten. Das halte ich für sinnvoll. Die deutsche Drogenpolitik ist glücklicherweise da auch differenzierter geworden: Aktionen wir „Quit the Shit“ kommen um einiges besser an, als der erhobene Zeigefinger. Ich denke aber nicht an Freigabe der Substanzen wie in Holland, wo ein Verkehr möglich ist, so lange bestimmte Regeln eingehalten werden.

Text: christiane-lutz - Foto: dpa

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