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Susanne Blech - Dilettantismus als Hochkultur

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Im Internet habe ich folgende Aussage von dir entdeckt: „Susanne Blech ist ein abstrakter Kunstversuch“. Kannst du das mal etwas genauer erläutern? Abstrakt ist ja schon ein sehr sperriger Begriff für Popmusik.
Timon-Karl Kaleyta: Für mich ist Musik an sich eine abstrakte Kunstform. Ich persönlich finde es zum Beispiel albern, wenn Bands zu viel Wert auf die explizite Aussagbarkeit ihrer Texte legen. Ein gutes Lied bleibt auch mit schlechtem Text gut. Ein tiefgründiger Text wertet dagegen schlechte Musik niemals auf. Darum sehe ich Susanne Blech als Projekt auf einer sinnbefreiten Ebene. Für mich ist das nämlich der erste Schritt, um überhaupt eine Sinndebatte führen zu können. Der Begriff „Abstraktion“ bedeutet in unserem Fall, sich nie auf einen bestimmten Sinn festzulegen. Denn dann hat man stets schon unrecht.  

Gleichen deshalb auch das EPK mit dem Interview vor der Bücherwand und die gerne provokant-absurden Facebookeinträge einer überzeichneten Inszenierung der Intellektualität?
Natürlich. Gleichzeitig denke ich, dass es völlig egal ist, wie inszeniert die Präsentation einer Band wirkt. Die Musiker wollen ja genauso wahrgenommen werden, wie sie sich zeigen. Und unsere Facebook-Seite funktioniert einfach wunderbar über das Tätigen von unhaltbaren Aussagen. Zum Beispiel habe ich mich negativ über das Fünf-Musiker-Eine-Gitarre-Cover von Gotye geäußert. Dafür habe ich viele empörte Kommentare bekommen und wurde auch entfriendet. Aber genau das macht den Reiz aus. Erstmal irgend etwas in Raum stellen und sehen, wie es wirkt - das ist das Kernmerkmal von Susanne Blech.  

Mit solchen Aktionen läuft man schnell Gefahr, zum Liebling des Feuilletons zu werden. Ist das für euch ein Ziel oder eine Horrorvorstellung?
Ich hätte gar nichts dagegen, Liebling des Feuilletons zu werden. Davon sind wir leider noch weit entfernt.  

http://www.youtube.com/watch?v=dicPz71-rVg

Damit geht aber doch auch eine oft zwanghafte Überinterpretation der Textaussagen einher!?
Naja, wenn man sich den banalen Blickwinkel auf Kunst grundsätzlich ansieht, dann geht es immer um die übertriebene Einordnung und die alles entscheidende Sinnfrage. Natürlich macht diese Praxis häufig wenig Sinn. Bei meinen Texten ist zum Beispiel jeder einzelne Satz als eigenständige Aussage extrem wichtig, aber im Gesamtkontex weiß ich häufig nicht, was der Song bedeuten soll. Ich glaube aber auch nicht, dass die Überinterpretation ein reines Feuilletonproblem ist. Bei jedem Zuhörer hat der Text das Potenzial schlauer zu werden als sein Autor. Wahrscheinlich haben sich auch so abstrakte Bands wie Blumenfeld nicht viel bei ihren Texten gedacht. Und ehrlich, ein Song wie „Tausend Tränen tief“ klingt eben gerade ohne seine explizit festzustellende Bedeutung einfach toll.  

Eure Musik ist aber neben dem Kunstaspekt absolut tanzbarer Elektropop und kein Free-Jazz. Gab es nicht mal das Urteil, dass Kunst und Spass wenig miteinander zu tun haben dürfen!?
Wenn ich unhörbare Musik machen will, dann kann ich es auch sein lassen. Trotzdem ist das eine Frage, die ich mir häufig selbst gestellt habe. Leider fehlen mir einfach die musikalischen Fähigkeiten, um ein gesanglich ernsthaftes Album zu gestalten. Ich kann eben nicht singen und spiele kaum nennenswerte Instrumente. Also musste ich eine Musikform finden, die sehr hart und für mich relativ simpel umzusetzen ist. Gleichzeitig wollten wir unser Konstrukt als unnahbare Avantgarde-Band live kraftvoll aufbrechen und tragen auf der Bühne dick auf. Wir haben eine komplette Liveband und zwei wildtanzende indische MCs dabei. Durch diese Mischung knallt Susanne Blech live richtig, ohne sich dabei anbiedern zu müssen. Hoffentlich.  

All diese ganzen Anstrengungen machen es sehr schwierig euch einzuordnen. 
Das ist ein wichtiger Teil der Bandidentität, an dem wir immer weiter arbeiten. Zum Beispiel trugen wir am Anfang alle sehr bunte Kleidung auf der Bühne, doch irgendwann ist mir klar geworden, wie unsinnig das eigentlich ist. Erstmal entspricht bunte Kleidung gar nicht meinem Charakter und zweitens kommt der gewünschte Bruch erst durch eine überhöhte Ernsthaftigkeit. Mein aalglattes Aussehen und der Elektropunk als Kontrast auf der Bühne gefielen mir als Inszenierung einfach besser. Darüber hinaus aber werde ich nicht müde, zu betonen, dass Susanne Blech sehr gerne in eine Schublade gesteckt werden will. Einfach nur, weil andere erfolglose Bands wie wir, immer genau das Gegenteil davon herunterbeten, weil sie denken, das müsse man so sagen. Wenn ich darüber nachdenke, stoße ich an die Grenzen der Logik. Und dort ist es gewissermaßen sehr unangenehm.  

Würdest du bei so viel Reflexion über die Wirkung das Projekt als verkopft bezeichnen?
Ich kann nicht bestreiten, dass die Gesamtheit vielleicht verkopft ist. Die Produktion und das Songwriting sind es aber überhaupt nicht. Meistens sitze ich mit dem Produzenten im Studio und schreibe die Texte runter, während die Musiker ihre Parts einspielen und gemischt wird. Dafür brauche ich meistens nicht länger als eine Stunde. Die Sätze und ihre Aussagen bedürfen einfach keiner tagelangen Reflexion und für mich ist das die einzige mögliche Form des Songwritings. Viel genauer überlege ich mir die Ästhetik der Fotos oder meiner Postings bei Facebook. Dort kann ich das Bild, das ich von der Band habe, am deutlichsten gestalten. Das alles, ebenso wie die einzelnen Sätze in den Songs, sind für mich eine möglichst abstrakte Spiegelung meiner Welterfahrung. Ob das irgend etwas Relevantes ist, das weiß ich nicht.  

Hast du nie andere Art des Songwritings ausprobiert?
Nein! Der Rest der Band sind alles seit vielen Jahren gewachsene Musiker. Für mich ist Susanne Blech dagegen die erste Band überhaupt. Ich habe zuvor unbeachtete Hörspiele geschrieben und noch unbeachtetere Kunstwerke zusammengeschraubt und selbst das nicht wirklich ernsthaft. Auch Susanne Blech war ursprünglich ein Witz. Unser Produzent hat vorher eine HipHop-Band betreut, bei der ich nicht mitmachen durfte, weil ich so schlecht rappte. Ich habe aber solange gebettelt, bis ich einen eigenen Song bekam - ein Neopop-Ding namens „Neuzeit“, über das ich ganz schief singen konnte. Diesen Song hat dann der Hamburger Produzent und Jan Delay Manager Matthias Arfmann über ein paar Ecken in die Hände bekommen und mich angerufen. Er lud mich dann ein und gab mir letztendlich sogar einen kleinen Vertrag bei Motor Music. Du siehst, ich bin da eher reingerutscht und könnte wohl auch mit keinen anderen Musikern in einer Band zusammenspielen. Die würden mich für meine Unfähigkeit hassen.

http://www.youtube.com/watch?v=88AHlcJVins    

Kommen wir zum Schluss zu euren Konzerten. Auf der Bühne herrscht ordentlich Anarchie und das Ganze erinnert ein wenig an Deichkind. Die Hamburger Elektropunks hatten sich extra ein Bühnenkonzept machen lassen. Wie sehr choreografiert sind eure Konzerte?
Gar nicht, unsere Bühnenshows sind derzeit definitiv spontan. Aber ich kann nicht ausschließen, dass wir irgendwann mal gute Elemente vorher durchplanen. Ich denke da an die gängige Theaterpraxis, wo ja bekanntermaßen selbst spontane Gags oder scheinbare Fehlgriffe exakt einstudiert sind. Das wird sich, aber wie das gesamte Projekt noch entwickeln.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



"Triumph der Maschine" von Susanne Blech ist bei Z-Music/Broken Silence erschienen.

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