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tape.tv: „Das Musikvideo hat eine große Zukunft“

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Gestern wurde die Nachricht bekannt, dass YouTube in Deutschland Musikvideos sperren lassen will. Zuvor hat die GEMA von YouTube gefordert, dass YouTube pro Videoabruf 12 Cent an GEMA zahlen soll. Das mit den 12 Cent pro Abruf stimmt ja nicht, das hat die GEMA ja klargestellt. Das ist außerdem vollkommen unrealistisch. Das Problem, das dem ganzen Streit zugrunde liegt, ist doch: Seit YouTube im Internet die Geburt des Bewegbildes vollbracht hat, werden dort wahnsinnig viele Videos gezeigt, gleichzeitig wird dabei kaum Geld eingenommen. Die Künstler bekommen dafür bislang keine adäquate Vergütung. Das will die GEMA jetzt erreichen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Conrad Fritzsch von tape.tv Kann die Musikindustrie denn nicht froh darüber sein, dass sich Leute auf einer Plattform wie YouTube Musikclips anschauen? Insofern ist es ja entgegen ihrem Interesse, wenn YouTube die Clips aus dem Internet nimmt. Das will ja keiner, weder die GEMA noch YouTube selbst. Für die Künstler ist es super, wenn ihre Videos auf YouTube gefunden und angeschaut werden. Auch einige aus der Industrie sagen: Wir dürfen YouTube nicht dafür bestrafen, dass dort Künstler promotet werden. Der Streit dreht sich nicht um Urheberrechte, es ist ein Dealkonflikt. YouTube verfügt allerdings über Macht und sagt nun: Wenn es keine Lösung gibt, schalten wir einfach ab. Das ist ein harsches Vorgehen, aber YouTube und die GEMA werden sich schon noch einigen. Man wird auf YouTube weiterhin Musikvideos sehen können. Du hast im Juni 2008 tape.tv gegründet, eine Onlineplattform für Musikvideos. Wie kommt ihr mit der GEMA zurecht? Wir haben uns, gleich als wir tape.tv gestartet haben, an die GEMA gewendet. Die waren sehr überrascht darüber. Seitdem stehen wir mit der GEMA in Verhandlung, haben aber für Musikfernsehen im Internet noch keinen geeigneten Tarif gefunden. Ob die jetzt alle von YouTube zu uns kommen, weiß ich nicht (lacht). Wollt ihr die Lücke füllen, die entstanden ist, seitdem MTV so gut wie keine Musik mehr ausstrahlt? MTV hat schon lange seine Kernkompetenz verlassen. Aus gutem Grund: Du kannst heute keine Musiksendung mehr machen, die viele Leute gleichzeitig sehen wollen. Grob gesagt, gab es vor 25 Jahren mehr Fans für weniger Bands. Heute gibt es 20.000 relevante Erscheinungen pro Jahr in Deutschland. Man muss heute auf jeden Zuschauer individuell eingehen. Das geht nur im Internet. Wie funktioniert tape.tv? YouTube ist das Internet von 2000. Tape.tv ist nicht einfach nur eine Seite, auf der man Videos im Internet gucken kann. Wir machen Musikfernsehen, das intuitiv zu bedienen ist und wir zeigen Videos in sehr hoher Bildqualität. Jeder kann sich sein Programm selbst generieren und tape.tv erkennt schnell, was der Zuschauer mag. Man kann sich das wie eine Freundin vorstellen, die dir etwas zum Geburtstag schenkt. Das Geschenk ist überraschend, aber es passt zu dir. Ein ähnliches Prinzip wie bei Last.fm also? Genau. Wenn du auf unsere Seite schaust, läuft erstmal unser Hauptstream, sagen wir, ein Song von Coldplay. Danach kommen die Ting Tings. Wenn du die Ting Tings magst, kannst du auf den „More like this“-Button klicken, dann kommt etwas Ähnliches im Anschluss und eben nicht Bushido. Man kann auch gezielt einen Künstlerstream wählen, dann laufen Videos von ebendiesem und anderen Bands, die ihm ähneln. Wir erstellen von jedem Video, das wir neu bekommen, eine Art Fingerabdruck, indem wir beispielsweise Grundstimmung und Geschwindigkeit des Songs analysieren und ihn nach Sprache und Erscheinungsdatum sortieren. Seid ihr damit erfolgreich? Ja! Wir haben zurzeit 20 000 User am Tag und 3 Millionen Plays im Monat. Wenn wir weiter wachsen wie bisher, werden wir Ende des Jahres zu den drei größten deutschen Plattformen für Musikvideos zählen. Wir beschäftigen momentan 12 feste Mitarbeiter, Tendenz steigend. Um mit tape.tv Geld zu verdienen, entwickeln wir momentan neue Formate von Internetwerbung und sind sehr zuversichtlich, dass das klappt. Man dachte lange, die Tage des Musikvideos seien gezählt. Warum glaubt ihr an das Format? Die Leute wollen Bands nicht nur hören, sondern auch sehen. Musikvideos sind außerdem super Zeitkiller und gute Unterhaltung. Das Format hat also auf jeden Fall Zukunft. Zum einen, weil es selbst eine wunderbare Wandlung vollzogen hat. Früher war ein Musikvideo reine Werbung, um die Plattenverkäufe anzukurbeln. Da man heute mit CDs kein Geld mehr verdienen kann, versuchen die Künstler live das Geld wieder reinzuholen. Alle spielen jetzt ständig live. Jeder Künstler, jede Band möchte sich so sichtbar wie möglich machen. Und im Internet spielen da Musikvideos eine große Rolle. Ein Musikclip ist heute viel mehr ein Stück Alltagskultur und Abbild von Lifestyle und Zeitgeschichte. Und warum noch? Zum anderen ist es sehr viel einfacher geworden, heute gute Videos zu produzieren. Vor zehn Jahren ging ohne teure Kameras und Studioequipment gar nichts, heute reichen schon eine Digicam und ein MacBook. Mit einer kleinen, aber genialen Idee kannst du unglaublich originelle, witzige Clips drehen, für sehr wenig Geld. Heute kann eine kleine Band ein tolleres Video machen als eine große. Es gibt unglaublich viele Leute, die sich selbst verwirklichen wollen. Und dafür ist das Format Musikvideo das Richtige. Das ist eine großartige Entwicklung.

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