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Total Recall: Das Festival der nacherzählten Filme

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Das Total Recall Festival hat neulich in Düsseldorf wieder hunderte Zuschauer angezogen. Wie ging das damals, 1999, los, als ihr angefangen habt? Ich mache selber Kurzfilme, war damals auf vielen Kurzfilmfestivals und hab da viele Filme gesehen, die man nur auf den Festivals sieht. Deshalb war es oft notwendig, diese Filme nachzuerzählen, weil sie eben kein Mensch kannte. Und so habe ich das eine Zeit lang gemacht, mit Axel Ganz, mit dem ich das Festival zusammen organisiere. Wir wollten dann ausprobieren, ob man da nicht ein komplettes Filmfestival daraus machen kann, auf dem man nur noch Filme erzählt und gar nicht mehr zeigt. Was fasziniert dich am nacherzählten Film? Es sind zwei Sachen. Einmal der Film, der nacherzählt wird, und der Erzähler selbst. Wir haben festegestellt, dass der gleiche Film - von zwei Menschen nacherzählt - vollkommen anders ist. Es ist spannend, wie Menschen in der Regel Filme nacherzählen, die sie besonders gut oder schlecht fanden. Wichtig scheint die emotionale Bindung zum Film zu sein. Entweder sie finden ihn total gut oder total schlecht. Das ist immer eine gute Voraussetzung, um einen Film nachzuerzählen. Welche Filme eignen sich denn besonders zum Nacherzählen? Wir haben gerade einen Festival in Düsseldorf gehabt. Da hat ein Film gewonnen, der hieß „Schwedenerz für deutsche Hochöfen“. Der kommt aus den 60er Jahren und ist so eine Art Industriefilm. Also wahrscheinlich im Original nicht besonders spannend - war aber super gut zum Nacherzählen. Ein lustiger Film ist scheinbar am schwierigsten nachzuerzählen. Offensichtlich ist es ganz schwer, den Humor einer Komödie wiederzugeben. Ansonsten werden eigentlich alle Arten von Filmen gewählt. Nur eben Komödien werden selten nacherzählt. Hast du einen Lieblings-Recall Film? Es sind viele Highlights dabei. Es fällt ganz schwer, zu sagen, welche Nacherzählung mir am besten gefallen hat. Es sind oft auch nicht die Gewinner, die ich am meisten mag. Wir haben hauptsächlich Amateure, die mitmachen. Es ist dann gar nicht mehr der, der am geschicktesten mit den Worten umgeht, dem man dann am besten zuhören kann, sondern manchmal sind es ganz tolle Pausen in der Nacherzählung - oder einfach eine Geste, die total ansprechend ist. Kennst du „Brokeback Mountain“? Wenn der von einer älteren Dame, Mitte 60, nacherzählt wird, kriegt das was Besonderes. Gerade die Sexszenen waren herrlich. Sind auf den Recall-Festivals alle Altersklassen vertreten? In Berlin war der Älteste 84. Der kennt Filme, die gibt’s gar nicht mehr, weil die im Krieg einfach verbrannt sind. Das sind meistens Filme aus den 30er Jahren. Er kennt Schauspieler, die von uns kein Mensch mehr kennt, die aber damals total gut waren. Er kennt keine aktuellen Filme, das interessiert ihn nicht mehr. Die Jüngsten sind um die vierzehn Jahre alt. Das ist total spannend, ein Vierzehnjähriger erzählt natürlich vollkommen anders als ein 84-Jähriger. Ich würde auch gerne einen Film nacherzählen. Wie kann ich mitmachen? Mitmachen kann jeder, der einmal einen Film gesehen hat. Man kann sich online bewerben auf unserer Webseite, für die Stadt, die gerade aktuell angekündigt ist. Man kann sich an den Abenden auch noch auf dem Festival bewerben. Wir haben da Plätze frei gehalten, wo auch unvorbereitete, unangemeldete Zuschauer mitmachen können, die sich spontan entschieden haben, mitzumachen. Gibt es denn irgendwelche Regeln, die ich einhalten muss? Es geht um freies Reden am Pult, mit der eigenen Gestik als einzig erlaubtes Hilfsmittel. Man soll keine Requisiten mitbringen, keine Verkleidung. Das Konzept ist einfach: einfach nur stehen und erzählen. Die maximale Erzähldauer sind zehn Minuten. Nach zehn Minuten ertönt ein Signalton , das Rattern eines alten Filmprojektors. Außerdem muss der Film, den man nacherzählt, veröffentlicht worden sein. Selbst wenn er nur einmal in Sibirien gelaufen ist, reicht das. Bisher fand das Festival in Düsseldorf, Berlin, Kassel und Zürich statt. Wie sehen die Zukunftspläne aus? Wir wollen weiter wachsen. Zuschauer haben wir jede Menge. Es macht uns einfach sehr viel Spaß. Wir wollen den Festivals einen würdigen Rahmen bieten, das Ganze soll nicht in Kneipen stattfinden. Dort würden die Auftritte untergehen. Wir haben festgestellt, dass Theater sich immer am besten eignen. Es gibt zwar noch keine ganz konkreten Pläne, doch die großen Städte wie Hamburg oder München stehen natürlich ganz oben auf unserer to-do Liste.

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