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US-Dauerstudent Johnny Lechner über sein wildes, öffentliches Uni-Leben

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In den USA zwölf Jahre studieren, das will was heißen. Die meisten Studenten wollen schnell raus aus der Hochschule, die Studiengebühren sind hoch. Johnny Lechner aber liebt das Studentenleben. Er blieb. Irgendwann wurde dieser Kauz von einer Zeitung entdeckt, dann von CBS: Er stand dem Talker David Letterman Rede und Antwort. Später drehte eine Entertainment-Firma eine Komödie mit ihm, weil er das macht, was sich viele wünschen: Er lebt ein amerikanisches Party-Studentenleben, das scheinbar nicht endet. Die Firma zahlt ihm mittlerweile auch die Studiengebühren.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nachzuverfolgen ist das alles auf Lechner Homepage www.johnnylechner.com. Dort belegen Bilder sein ausschweifendes Leben, dort ist ein Link zu seinen ersten Versuchen als Musiker gelegt und dort stehen auch Sätze wie: „Degree or No Degree, there are millions of people in the world that do not know what they are doing with their lives, and I am one of them. The only difference is that while they are dealing with the stressors of the real world, I am balancing the social side of college with the academic side and enjoying every minute of it.” Zurzeit versucht er sich an einem vierwöchigen Auslandsstudium in Europa – ein professionell bearbeiteter Videocast auf seiner Homepage dokumentiert die ersten Schritte, die Johnny diese Woche im Alten Europa ging. Johnny Lechner inszeniert sein Leben als Student – und lebt davon. jetzt.de erzählte er, warum er glaubt, dass ihn so viele Menschen beneiden. In den USA bist du als Langzeitstudent berühmt geworden. Wie ist es dazu gekommen? Der ganze Medienrummel ist seltsam für mich. Hey, ich bin doch kein Star! CNN hat über mich berichtet. Letzte Woche war ich im People Magazine, wie ein richtiger Promi. Im Augenblick bin ich darüber einfach nur ehrfürchtig und geschockt, aber natürlich auch glücklich. An meiner Persönlichkeit gibt es zwei Seiten, eine akademische und eine soziale. Ich gehe immer noch auf Parties und habe eine super Zeit. Ich fühle mich jung und sehe auch so aus. Gleichzeitig schwinge ich mich jeden Morgen brav aus dem Bett, gehe studieren, kriege gute Noten. Damit bekomme ich zwei Dinge hin, die sich meist ausschließen. Vielleicht ist es das, was die Leute so anspricht. Du studierst nicht nur lange, sondern auch in die Breite: Du belegst Kurse in Kommunikationswissenschaften, Erziehung, Frauenwissenschaften und Gesundheitswesen. Warum? Ich bin bald dreißig und kann nach meinem Studium entweder als Sozialarbeiter oder als Gesundheitsspezialist arbeiten. Ist doch toll! Aber eigentlich steckte kein Plan dahinter. Ich bin ganz einfach meinen Interessen gefolgt. Findest du deinen Weg nachahmenswert? Die meisten Leute verfolgen einen sehr klaren Weg: Schulabschluss, Heirat, Hausbau, Kinder. Aber viele sind dabei nicht wirklich im Reinen mit sich. Sie fühlen sich durcheinander. Genau genommen wissen sie nicht, was sie da mit ihrem Leben anstellen, so wie ich es ja auch nicht weiß. Es dauert nicht lange, dann geraten sie in Stress: Kindererziehungs-Stress, Haus-Sauberhalten-Stress, Karriere-Stress. Dann kommen sie zu mir, weil ich es ja offensichtlich ganz anders angehe. Aber ich kann keine Rezepte geben. Ich sage dann nur: Deine Entscheidungen müssen vom Herzen kommen. Verlass dich einfach auf dein Gefühl. Das klingt fast so, als würdest alle bemitleiden, die ihr Studium schon abgeschlossen haben. Gibt es nicht auch welche, bei denen es ganz gut läuft – trotz Studienabschluss? Okay, zugegeben: Manchmal bin ich schon ein wenig eifersüchtig, wenn ich alte Freunde treffe, die ihren Abschluss haben und jetzt ein geregeltes Leben führen. Aber ich gönne ihnen das. Es sind schließlich meine Freunde. Es wäre ja traurig, wenn ich nicht wollen würde, dass sie glücklich sind! Aber auf der anderen Seite ist mein eigener Lebensstil doch auch perfekt. Viele wachen morgens auf und tun exakt das Gleiche wie gestern, an fünf oder sogar sechs Tagen die Woche. Bei mir ist jedes Jahr total unterschiedlich. Ich kann mir vorstellen, dass meine Freunde da auch auf mich ein wenig eifersüchtig sind. Was sind denn die Dinge, die dich ausfüllen? Ich bin leidenschaftlich und folge meist meinem Bauch. Ich engagiere mich viel in College-Organisationen und Wohltätigkeitsgruppen. Gut, damit lehne ich mich vielleicht nicht weit aus dem Fenster – es ist nicht schwierig, dort mitzumachen. Aber ich gehe darin auf, es macht mir einfach viel Spaß. Und ich spiele in einer eigenen Band. Es heißt, du willst im Ausland studieren? Ja, etwa Anfang Juli geht es los! Ich studiere in verschiedenen europäischen Städten, unter anderem London, Rom und Venedig, insgesamt für vier Wochen. Das ganze ist ein Studienprogramm, um in europäische Architektur reinzuschmecken. Damit will ich schauen, wo ich im Herbst hingehe, dann will ich ein ganzes Semester bleiben. Sicher eine intensive Zeit, ich freu mich drauf. Deutschland ist in meinem Studienprogramm leider nicht enthalten. Bei uns in Deutschland sollen Studiengebühren eingeführt werden – auch als Maßnahme gegen Langzeitstudenten. Ich kapiere es einfach nicht! Ewig leiert man uns vor, wie wichtig geistige Flexibilität ist, dass man sein Leben lang lernen soll, auch nach Schule und Uni. Und was passiert? Sobald man seine Abschlüsse in der Tasche hat, merkt man, dass das alles nur Gerede ist. Der Druck wird sehr schnell sehr groß. Dann geht nur noch ums Geldverdienen – von wegen "Lebenslanges Lernen"! Kritiker halten dein Langzeitstudium für einen wohl durchdachten PR-Gag. Angeblich haben deine Freunde ausgeplaudert, dass du in Wirklichkeit ein äußerst eifriger Student bist. Sind die ewigen Parties und Frauengeschichten nur Show? (lacht)Es stimmt schon, ich bin kein totaler "Sex, Drugs and Rock'n'Roll"-Typ. Ich bin allerdings auch kein total zurückgezogener Bücherwurm. Ich bewege mich irgendwo in der Mitte. Auf deiner Website bekommt man aber einen etwas anderen Eindruck. Die sieht nicht nach humanistischer Ausgewogenheit aus, sondern ist ziemlich rockig. Ein PR-Manöver? Naja, sagen wir, da haben wir mehr den Schwerpunkt auf die typischen Anteile des College-Lebens gelegt. Hast du Pläne für ein Leben nach dem Studium? Ich habe mir fest vorgenommen, einen Studienabschluss machen. Danach schreibe ich erstmal ein, zwei Bücher. An dem ersten arbeite ich gerade. Es handelt von meinen Jahren auf dem College.

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