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Vom Verkauf einer Webseite: der Erfinder von schlussmachen.com im Interview

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Schlussmachen ist nie leicht. Und immer traurig, denn schließlich hat man sich einmal gern gehabt. Meistens jedenfalls. Wann und warum die Liebe abhanden gekommen ist – oft weiß man es selbst nicht, weshalb die Worte fehlen, um zu erklären, warum es jetzt vorbei ist.

Damit einem diese unangenehmen Gespräche erspart bleiben, gibt es in den USA bereits einen Onlinedienst: die Break Up Services von Motivations- und Karrieretrainer Brian Norris. Für 100 Dollar beenden „relationship break up artists“ deine Beziehung und zwar so gut, dass dein bisheriger Partner sich angeblich über die Trennung freut. Ohne von diesem amerikanischen Angebot zu wissen, dachte sich auch Florian Aichhorn, 25, Webdesigner aus Traunstein, dass so ein Dienst eine gute Idee sei. Im September 2005 startete er die Seite schlussmachen.com: „Für kaputte Autos gibt's die Werkstatt. Für den kaputten Herd den Elektriker und für kaputte Bandscheiben das Krankenhaus. Doch was gibt's für kaputte Beziehungen? Na uns, natürlich! Wir sind die Spezialisten für Trennungen. Schnell, kompetent, gründlich und für wenig Geld kündigen wir Beziehungen und Freundschaften für Sie. Nur eines müssen Sie in Zukunft noch selber trennen: Ihren Müll.“

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Fünf Schlussmachepakete Art werden auf der Homepage angeboten: das Standard-Paket für Einsteiger, bei dem schnell und unkompliziert für 14 Euro 95 am Telefon Schluss gemacht wird, das „Lass-uns-Freunde-bleiben“-Paket für 24 Euro 95, bei dem der Ex-Partner noch Chips und Bier, die Ex-Partnerin Wein und Schokolade bekommt, das „Hart-und-Herzlos“-Paket für alle, die betrogen wurden. Ein Schlussmach-Abo für zehn Mal innerhalb von drei Monaten und schließlich ein „Lieb-Schluss-machen-deluxe“-Paket, bei dem man ein Flirt-Abo dazu bekommt. Das kostet allerdings dann 34 Euro 95.
Bevor man sich für eines der Pakte entscheidet, kann man sich aber auch noch vom Dr. Winter Team beraten lassen, wie man seine Beziehung rettet. Hört sich so überzogen an, dass es gar nicht wahr sein kann. Ist es auch nicht. Die Seite ist eine Satireseite. Viele Medien fanden die Idee aber so berichtenswert, dass sie den Hinweis „Realsatire“ und „Wir erklären ausdrücklich, dass keine Dienstleistungen erbracht werden, die Beziehungen (zwischen Partnern) beenden, oder ähnliche Dienstleistungen“ in den AGBs glatt übersehen haben. Doch auch im Gästebuch finden sich einige erboste Einträge. Mittlerweile hat Florian Aichhorn schlussmachen.com verkauft.
Wir sprachen mit Florian Aichhorn über seine Idee, die Medienresonanz und was aus der Seite wurde.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wie bist du auf die Idee gekommen? Eigentlich ist die Seite aus einer Bierlaune heraus entstanden. Ich habe mit Freunden einfach so rumgeblödelt, was man im Internet alles für Ideen umsetzen könnte und irgendwie sind wir dann auf den Schlussmachdienst gekommen.
Ich habe ein Konzept entwickelt, es Freunden gezeigt und immer wieder überarbeitet. Anfangs gab es nur das einfache Schlussmachen, aber das schien mir zu langweilig. Es gibt schließlich verschiedene Gründe, warum man sich trennt, das wollte ich in den anderen Paketen aufgreifen. Irgendwann wurde die Seite dann zu dem, was sie heute ist. War die Seite wirklich von Anfang an ein Spaß? Am Anfang wollten wir das schon richtig machen. Wir haben uns aber nicht genau überlegt, was für Konsequenzen so ein Angebot hat und wie sehr man Menschen damit verletzt. Wir fanden einfach unsere Idee sehr witzig und hatten die ganze Webseite ja auch lustig getextet, so dass wir zunächst dachten, das wird eh keiner ernst nehmen. Bis dann tatsächlich die ersten beiden Aufträge kamen. Der eine zerschlug sich von selbst, aber der zweite Auftraggeber wollte, dass ich mit seiner schwangeren Freundin Schluss mache, weil er kein Bock hätte, Vater zu werden. Echt? Ich weiß nicht, ob das ein echter Auftrag war oder von einem Journalisten – jedenfalls habe ich zurückgeschrieben, dass ich den Auftrag nicht übernehmen kann. Ab da war mir klar, dass das ein zu ernstes Thema ist Hättest du das nicht vorher wissen können? Ja sicher. Aber am Anfang war das eben ein großer Spaß. Ich wollte das Thema aufgreifen und es einmal nicht so ernst darstellen wie sonst immer. Zwei Wochen, nachdem wir die Seite online gestellt hatten, stand dann auch schon die „Bild am Sonntag“ vor der Tür und wollte ein Interview. Da fühlt man sich schon erst mal geschmeichelt, obwohl ich mir das mit dem Interview lange überlegt habe. Doch nach dem Erlebnis mit der Schwangeren wurde mir das Ganze zu heiß. Ich bin mit einer Freundin, die Psychotherapeutin ist, die Seite durchgegangen und wir haben analysiert, was alles passieren kann, wenn man das wirklich machen würde. Ab da stand dann auch der Satire-Hinweis auf der Webseite. Was allerdings wenig geändert hat: ich habe weitere Auftragsangebote bekommen und die Medien haben auch weiter berichtet. Hast du damit gerechnet, dass die Seite solch eine Resonanz hervorruft? Ein bisschen geahnt vielleicht. Am Anfang war es ja auch toll, dass nach nur einer Woche die „BamS“ anruft, aber die Aufmerksamkeit bringt natürlich auch Ärger. Ich habe einige Emails bekommen und Leute haben mir ins Gästebuch geschrieben, ich sollte mir mal überlegen, was ich da mache. Aber es hat niemand bei mir angerufen und sich beschwert. Und auch die Medien haben überwiegend positiv berichtet. Zahlreiche Radiosender haben über die Seite berichtet, im Sat1-Frühstücksfernsehen lief ein Beitrag, bei „Was guckst du“ und auf MTV ebenfalls. Die haben aber anscheinend alle übersehen, dass es sich um eine Satire handelt. Hast du es ihnen nicht gesagt? Viele Medien berichten einfach, ohne mit einem zu sprechen. Das kann man gar nicht steuern. Und im Fernsehen wollte ich kein Interview geben. Ich wollte mich nicht verheizen lassen und habe festgestellt, man muss sehr aufpassen und darf nicht bei allem mitmachen: die Medien werden auf etwas aufmerksam, verheizen es und morgen ist es schon nicht mehr interessant. Hauptsache es bringt Quoten, das ist alles, was zählt. Ich habe sicher 20 Radiointerviews gegeben, darunter waren Bayern3, Ö3, Energy und andere große Sender. Alle haben mir hoch und heilig versprochen, mir einen Mitschnitt zu schicken und von keinem habe ich einen erhalten. Sobald der Bericht gesendet ist, ist denen alles egal. Ich habe viel gelernt durch diese Erfahrungen. Zum Beispiel, dass einem viel versprochen wird, aber wenig gehalten. Wie ging es dir mit dieser Aufmerksamkeit? Du konntest das ja gar nicht mehr steuern. War dir das nicht manchmal unheimlich? Man kriegt das gar nicht so mit, wo überall etwas geschrieben oder gesendet wird. Und da dachte ich mir immer, mein Gott, wenn die Leute nicht lesen können. Gerade von Reportern sollte man ja erwarten, dass sie sich mit ihrem Berichterstattungsgegenstand beschäftigen. Genervt hat eher die Kritik im Gästebuch. Ich habe nie jemandem etwas angetan. Ich wollte keinen Gewinn aus dem Schmerz anderer Menschen ziehen und ich bin auch nicht skrupellos, aber genau das wurde mir vorgeworfen. Das hat mich schon belastet und ich habe viel darüber nachgedacht. Mir hat auch vor allem der erste Auftrag auf den Magen geschlagen, als ich mit der schwangeren Frau Schluss machen sollte. Was kann einer Person passieren, der ich solch eine Trennungsbotschaft überbringe? Was kann mir passieren, wenn die Person ihre Wut auf mich überträgt? Das wird man nicht mehr los. In der einen Woche nach dem Auftrag, habe ich entschieden, dass man so etwas wie schlussmachen.com nicht machen kann. Insgesamt bereue ich aber nicht, die Seite gemacht zu haben. Es war eine interessante Zeit. Du hast schlussmachen.com im Dezember verkauft. Warum? Ist es dir zu viel geworden? Ich hatte mir überlegt, das Konzept weiter zuzuspitzen, so dass es noch eindeutiger eine Satire-Seite zu erkennen ist, z.B. mit der Schlussmach-Happy-Hour. Oder weitere Dienste anzubieten wie für jemand anderen zu kündigen. Aber ich habe gemerkt, dass ich mit der Idee abgeschlossen hatte, nachdem ich so viel drüber nachgedacht habe. Deshalb habe ich bei Ebay ein Angebot reingestellt. Schließlich habe ich mindestens 150 Arbeitsstunden investiert, das Geld sollte schon wieder reinkommen. Weißt du, wer die Seite gekauft hat? Sie ging für 7061 Euro und 21 Cent an eine Schweizer Firma. Was die damit machen wollen, weiß ich nicht. Noch läuft sie über meinen Server und alle Kontaktdaten von mir stehen noch drauf. Hast du jetzt lauter neue Jobangebote? Nein, bisher hat keiner angerufen und gesagt, wir wollen dich haben, weil deine Idee so super war.

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