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Wenn die Familie eskaliert: Ein Interview mit dem Hauptdarsteller des Films "Pingpong"

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Sebastian, wie wichtig ist die Familie für dich? Familie bedeutet mir persönlich sehr viel. Das ist der Ort, wo man zum ersten Mal Schutz und Geborgenheit erfahren sollte, eine Art Hort, in dem man geformt wird. Gleichzeitig kann wahnsinnig viel schief laufen, wenn Aggression oder Wut nicht schon rechtzeitig abgebaut werden. So etwas macht vieles kaputt. Im Prinzip ist einfach alles, was innerhalb der Familie passiert, für die Person, die man später wird, sehr entscheidend. Wie bist du groß geworden? Meine leiblichen Eltern haben sich scheiden lassen, als ich sechs Jahre alt war. Ich bin zum Großteil bei meiner Mutter und ihrem Freund aufgewachsen; wenn ich heute von meinen Eltern rede, meine ich sie. Aber auch die Beziehung zu meinem leiblichen Vater ist gut. Die klassische Familie wird gesellschaftlich zunehmend zum Auslaufmodell. Sie wird aber immer wieder in Filmen, wie zum Beispiel „Pingpong“, thematisiert. Wie erklärst du dir diese Anziehungskraft auf Kunst und Kultur? Es ist für jede Geschichte interessant, zu verstehen, warum jemand ist, wie er ist. Anhand einer Familiengeschichte wie in „Pingpong“, indem man sieht, was alles schief gelaufen ist, lässt sich das ganz klar verfolgen. Dazu kommt noch: Man hat sich die Familie nicht ausgesucht, die Rollenschemata sind in der Regel von vorneherein festgelegt. Die Tante ist eigentlich eine Autoritätsperson; wenn es dann zwischen ihr und ihrem Neffen zu einer sexuellen Annäherung kommt, wie zwischen Paul und Anna im Film, wird etwas über Bord geworfen. Das ist nicht wirklich Inzest, denn die beiden sind nicht blutsverwandt- Anna ist die Frau seines Onkels- sondern ein klarer Bruch der beiden mit ihren vorbestimmten Rollen. Das anzusprechen, macht den Film sicher auch spannend. Kannst du nachvollziehen, was deine Figur Paul zu seiner Tante so hinzieht? Bei Anna vermischen sich Erotik und Mütterlichkeit- das ist ganz entscheidend. Im Urlaub bei seinen Verwandten sucht Paul nach einer intakten Familie und auch nach einer Art Mutterersatz. Seine eigene Mutter kommt mit dem Selbstmord des Vaters nicht klar, und belastet Paul mit ihren Problemen, obwohl er selbst Hilfe braucht. Wichtig ist, dass Anna ihm vordergründig Hilfe anbietet: Jedes Mal, bevor Paul auf sie zugeht, beim Kuss im Wald, oder später, wenn sie Sex haben, schlägt sie im Gespräch über seinen toten Vater eine Brücke zu ihm. Sie ermutigt ihn, sich fallen zu lassen. Deswegen klammert er sich beim Sex auch an sie, diese Szene ist bewusst nicht aufregend und „geil“ inszeniert. Das erinnert eher an Festhalten. So eine Szene ist ja sehr intim. Wie ging es dir dabei, das zu spielen? Ich besitze generell ein natürliches Schamgefühl und bin beim Spielen anfangs oft etwas unsicher, weil ich mich beobachtet fühle. Da sind vielleicht 40 Leute am Set, jeder mit einer eigenen Aufgabe, die haben nicht unbedingt viel mit dir zu tun- aber du denkst automatisch: Die schauen dir alle zu. Was kann da Abhilfe schaffen? In solchen Fällen kommt es stark auf den Regisseur an, wie sensibel er ist, wie er die Schauspieler einbindet und mit ihnen spricht. Die Schauspieler treffen Vereinbarungen; es hilft, wenn sich schon im Anspielen zeigt, dass der jeweilige Partner deinen Stil unterstützt. Auch räumliche Enge bekommt eine große Bedeutung. Je emotionaler die Szene ist, desto wichtiger wird - mir zum Beispiel- Einsamkeit; die Tatsache, dass wenige Leute anwesend sind. Bei einer Sexszene wie zwischen Marion ( Mitterhammer, d. Red.) und mir sind dann auch nur Kamera und Ton mit dabei. Da kommt keiner und hält dir einen Aufheller unter die Nase, damit deine Augen schöner aussehen. Wie hat sich die Kammerspielatmosphäre sonst auf dich ausgewirkt? Total angenehm. Du kennst den Ort irgendwann sehr gut, auch für die Zusammenarbeit unter den Schauspielern ist das förderlich. Man lernt sich einfach sehr gut kennen dabei. Es macht aber auch einen Unterschied, mit wie vielen Schnitten und Einstellungen der Film gedreht wird, wie der Rhythmus aussieht. Ich glaube, bei einer ruhigen Erzählweise, die mehr Zeit gibt, können sich die Schauspieler stärker einbringen. Die Art der Darstellung hat dann eine ganz andere Intensität.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wenn man sieht, welche Folgen die Liebe von Paul zu Anna hat, wie die Situation in der Familie eskaliert - hätte Reden geholfen? Sicher nicht mehr, ab dem Punkt, wo Paul auftritt- also in dem Moment, mit dem der Film beginnt. Das hätte früher geschehen müssen. Ich persönlich brauche das Reden. Umso größer ein Problem, desto dringender suche ich das Gespräch; mit Ungeklärtem komme ich nicht zurecht. Bei der Familie im Film sind die Probleme zwar offensichtlich: Anna ist eine verkappte Konzertpianistin, steckt aber in ihrem Hausfrauendasein fest. Sie überlastet ihren Sohn Robert, der eigentlich gerne Klavier spielt, mit ihren Ansprüchen. Aber es wird nie darüber gesprochen. Das staut sich alles an. Und kommt dann ansatzlos in Gewaltausbrüchen zum Ausdruck... Ja, aber die besitzen oft noch mal eine besonders grausame Qualität. Das sind keine reinen Affekthandlungen. Als Anna zum Beispiel vor den Augen von Robert den Konzertflügel abholen lässt, weil er die Aufnahmeprüfung zur Hochschule nicht geschafft hat, trägt das etwas unangenehm Geplantes in sich. Paul greift ja am Ende gegenüber Anna zu in der Art ähnlichen Mitteln. Sie haben immer zum Zweck, den Anderen gezielt zu verletzen. Jetzt zu etwas Erfreulichem: Du hast „Ping Pong“ dieses Jahr auch beim Filmfestival in Cannes vorgestellt. Das war schon toll. Auch wenn einem der Rummel nach drei Tagen fast schon wieder zu viel wird. Das ist einfach eine Riesenauszeichnung, da will natürlich jeder Schauspieler mal hin. Wir sind aber nicht über den roten Teppich gelaufen, auch nicht über den blauen, der für die Reihe Un Certain Regard ausgelegt war- sondern über reinen Asphalt. Bei der Semaine de la Critique, in der unser Film vorgestellt wurde, stand nicht so der Pomp, sondern noch der Film im Vordergrund. Das war schön. Die meiste Zeit verbringst du auf deiner Schauspielschule in Berlin. Wie gefällt es dir da? Es ist schon ziemlich stressig. Ich bin dreimal in der Woche zwölf Stunden am Stück da, und wenn du dann noch eine Stunde zurück fahren musst, bist du einfach platt. Die Universität der Künste ist eine sehr ensemblebetonte Schule, das heißt, man lernt gut, wie man in der Gruppe funktioniert. Ich würde mir manchmal mehr Einzelunterricht wünschen. Drehst du denn bald wieder? Zur Zeit habe ich eine kleinere Rolle in einem Fernseh-Zweiteiler von Hermine Huntgeburth und demnächst kommen „Die Fälscher“ von Stefan Ruzowitzky ins Kino, und „Schwesterherz“, zu dem Heike Makatsch das Drehbuch mitgeschrieben hat. Ein paar Sachen musste ich auch absagen, weil ich an der Schauspielschule stark eingebunden bin. Es ist nicht immer einfach, aber es macht auch sehr großen Spaß. Sonst würde ich das ja nicht machen. Bilder: Steffen Junghans

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