Süddeutsche Zeitung

Unsere Kernprodukte

Im Fokus

Partnerangebote

Möchten Sie in unseren Produkten und Services Anzeigen inserieren oder verwalten?

Anzeige inserieren

Möchten Sie unsere Texte nach­drucken, ver­vielfältigen oder öffent­lich zugänglich machen?

Nutzungsrechte erwerben

„Wenn ich nicht selbst auflege, bleibe ich auch 30 Stunden auf einer Party“

Teile diesen Beitrag mit Anderen:

jetzt.de: Ellen, du hast eben in einem Radiointerview gesagt, ich zitiere: „Wir lieben ja München. Die Stadt hat 'ne super Partykultur.“ Sagst du das der Höflichkeit halber in jedem Ort, wo du auftrittst oder meinst du das wirklich ernst? Ellen Allien: Ich sag das nicht einfach nur so. München war schon immer für Bpitch Control sehr wichtig. Es gibt großartige Locations hier. Früher das Ultraschall, jetzt die Rote Sonne, Harry Klein, Registratur. Die haben alle Clubbesitzer, die das aus Passion machen und junge Artists unterstützen.

Default Bild

„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Dabei meinen die Berliner ja immer, dass man hier nicht feiern kann. Klar sagen Berliner immer: Woanders ist es nicht toll außer in Berlin. Aber das stimmt nicht. Die Leute hier in den Clubs feiern extrem. Und das sage ich als Berlinerin nicht einfach so. Montag und Dienstag ist ja in Berlin auch nichts los. Dafür aber ab Mittwoch durchgehend. Tourismus ist eine unserer Haupteinnahmequellen, deshalb gibt es keine Sperrstunden. Außerdem ist München ja noch christlicher als Berlin. Macht das einen Unterschied? Auf jeden Fall. Strengere Sperrstunden sind eine Form von gesellschaftlicher Kontrolle. Wie definierst du den perfekten Club? Frauenfreundlich. Wenn ich viele Mädchen sehe, wenn sie sich wohl fühlen, bin ich happy. Und die Jungs sind dann auch happy. Sind Clubs nicht per se frauenfreundlich, weil Frauen männliches Publikum anziehen und somit Umsatz versprechen? Das ist auch nur eine umgekehrte Form von Sexismus. In Deutschland ist es relativ gleichgestellt. Da wird keine Frau aus einer Schlange nach vorne gerufen, wenn zehn Männer vor ihr stehen. Es gibt auch selten freien Eintritt für Frauen. Spielt das für dich noch eine Rolle, dass du in der Männerdomäne Techno als Frau erfolgreich bist? Ich bin eine der wenigen Frauen, die ein Label machen. Es gibt mittlerweile aber sehr viele Kolleginnen, die auflegen. Es ist ja nichts neues, dass Frauen musikinteressiert sind. Natürlich gibt es mehr Männer in der Szene. Frauen werden schwanger, bleiben dann zu Hause und brechen ihre Karriere ab. Sind Kinder für dich ein Thema? Immerhin bist du jetzt 35. Ich möchte die Erfahrung auf keinen Fall missen. Wann ich Kinder bekomme, weiß ich aber nicht. Bis jetzt habe ich nicht daran gedacht, weil ich mit meinem Lebensstil sehr zufrieden bin. Du legst überall auf der Welt auf, sei es in Tokio oder Rio. Ist es für dich am DJ-Pult egal, in welcher Stadt man auflegt? Jedes Land hat seine eigene Partykultur. Von daher reagiert jedes Publikum anders auf meine Musik. Man merkt allerdings, dass Techno mittlerweile eine globalisierende Wirkung hat, dass überall auf der Welt die Menschen sich ähnlich dafür begeistern und sich mit Techno auskennen. In den letzten Jahren sind auch die Clubs selbst viel internationaler geworden. Man sieht mehr Menschen verschiedener Nationalitäten im Publikum. Was sehr schön ist. Du legst seit Anfang der 90er auf und bist einer der großen Stars des Phänomens „Berlin Techno“. Als Star fühle ich mich nicht. Aber ich merke in anderen Ländern, dass ich ein Berlin-Export bin. Das Logo von BPitch ist ja auch der Fernsehturm. Für die Veranstalter, die mich buchen, bin ich ein Aushängeschild. Wie eine Marke. Trotzdem hängt alles immer davon ab, ob ich gut oder schlecht auflege. BPitch Control bedeutet: Der DJ ist die Bitch, der die Menge unter Kontrolle pitcht. Das schaffe ich nicht immer und genau das ist der Grund, warum ich immer noch auflege. Weil es ein Zusammenspiel zwischen DJ und Publikum ist und ich jedes Mal nicht weiß, ob der Funke an diesem Abend überspringen wird. Hat Berliner Techno seinen Zenit schon überschritten, wie Paul Kalkbrenner bei der Veröffentlichung von „Berlin Calling“ gesagt hat? Techno ist auch heute noch nicht Rock oder Hiphop, aber es hat echt große Ausmaße angenommen. Wir werden in Italien oder Japan mittlerweile von großen kommerziellen Clubs eingeladen, früher eher nur von Underground-Läden. Und wenn du dir die Charts anguckst: Hiphop klingt inzwischen wie Techno, sehr minimal. Der große Hype ist natürlich vorbei. Jetzt gibt es gerade wieder einen House-Vibe, oder, wie bei Modeselektor, einen Mix aus Techno, Hiphop und Breakbeats. Wir bei BPitch würden auch jemanden unter Vertrag nehmen, der singt wie CocoRosie. Du hast Bpitch 1999 gegründet und bist die Chefin. Fühlst du dich manchmal als Labelmama? Mama ist das falsche Wort, aber ich stelle die Leute ein, ich mache das Business. Team, Herstellung, Struktur, Auslieferung. Musik ist unser Hobby, das ist klar. Aber wir arbeiten weltweit, da müssen bestimmte Dinge einfach funktionieren. Was machst du eigentlich vor und nach dem Auflegen? Vorm Auflegen ruhe ich mich aus, dusche, lege mich ins Bett, schlaf ein bisschen. Dann geh ich in den Club. Nach dem Auflegen bleibe ich vielleicht noch eine Stunde oder zwei, gehe aber recht schnell nach Hause oder wieder ins Hotel. Wenn ich in Berlin ausgehe, ohne dass ich arbeite, bleibe ich auch 30 Stunden.



Text: xifan-yang - Bilder: Lisa Wassmann; Michael Mann

  • teilen
  • schließen