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"Wir featuren Musik, die man sonst im Radio nicht hört." Sandra und Patrick sind der "Sunday Service"

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Viele Menschen beklagen die schlechte Musik im Radio und dass überall die gleichen wenigen Stücke rauf und runter genudelt werden. Ihr sendet schon seit zehn Jahren unbekannte und unkommerzielle Musik. Wie kam’s denn dazu? P.: Auslöser war, dass wir in Hamburg ganz einfach gutes Radio vermisst haben. Früher gab es das mal im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber irgendwann wurden alle guten Sendungen abgeschafft. Ich hatte damals schon beim offenen Kanal eine Sendung gemacht, fand aber die Strukturen dort eher schlecht. Sandra hat in diversen Bands gespielt und einer ihrer Bandkollegen war an der Gründung des FSK, eines freien Radios, das sich ausschließlich über Spenden seiner Hörer finanziert und dadurch völlig unabhängig von der Stadt und vom Senat ist, beteiligt, der hat uns eingeladen und gesagt, versucht doch mal, eine Sendung zu machen. Wie gings dann weiter? P.: Wir haben der Musikredaktion unser Konzept vorgestellt: Es ging um ein Musikmagazin, eigentlich so, wie es jetzt auch läuft. Ich hatte damals schon ab und zu für ein Fanzine geschrieben und hatte zum Beispiel Tortoise und Sea and Cake frisch in der Tasche. Außerdem wollten wir auf Konzerte in Hamburg hinweisen, um das Nachtleben etwas transparenter zu machen, und natürlich viel neue Musik vorstellen. Warum wolltet ihr unbedingt ein Musikmagazin machen? S.: Wir wollten Musik featuren, die man sonst vielleicht nicht im Radio zu hören bekommt. Wir sind Musikliebhaber und wollen immer neue Bands entdecken, sei es im Internet oder indem man Neuheiten im Plattenregal durchwühlt und –hört. Es hat sich auch schnell gezeigt, dass drei Stunden Musik gerade ausreichen, um all die Neuheiten eben so abzudecken. Es gibt viele Bands, die gar nicht in die Musikzeitschriften kommen, denn da wird oft auch nur besprochen, was von einer größeren Plattenfirma kommt, die eine Anzeige schaltet. P.: Ich hab damals in Hamburg in einem Club an so einem Indie/Britpop-Abend aufgelegt und eigentlich muss man immer das gleiche spielen, weil die Leute immer zu den gleichen Songs tanzen. Wenn man mal was Neues ausprobiert, dauert es sehr lange, ein Stück zu etablieren. Es sei denn, es lief vorher auf MTV. Ich hatte einfach keine Lust mehr, dort jede Woche den gleichen Kram zu spielen. Da war Radio natürlich ein gutes Medium, um dem zu entkommen. Ist das immer noch so, dass die Bands, die ihr vorstellt, in den Medien sonst nicht vorkommen? Indie ist in den letzten Jahren ja auch verstärkt in den Mainstream rübergeschwappt. S.: Die Grenzen sind seit „Nirvana“ und MTV schon verschwunden, aber es gibt immer noch wahnsinnig viele gute Platten, die hier in Deutschland gar nicht mehr ankommen, weil der Vertrieb nicht da ist oder die Promofirma es nicht gebacken bekommt. Zum Beispiel die letzte Platte von Edith Frost: wir haben echte Probleme gehabt, die im Plattenladen zu finden. Dabei ist das ist eine hervorragende, wunderschöne Songwriter-Platte. Das ist traurig, dass über die nirgendwo etwas zu hören oder zu lesen ist. Aber dafür sind wir ja da. Wie kriegt ihr denn das alles mit? P.: Wir haben ein Netzwerk und musikbegeisterte Freunde, die sich auch Platten kaufen und uns sagen, da solltet ihr mal reinhören. Wir kriegen natürlich auch viel von den Hamburger Clubs zugeschickt, weil die wissen, dass wir die Bands spielen, wenn sie uns gefallen. Und ganz viel natürlich über Recherche im Internet oder Stöbern im Plattenladen. Habt ihr musikalische Lieblingsgenres? S.: Wir versuchen, uns nicht selbst einzugrenzen, obwohl man, glaube ich, schon merkt, dass Patrick und ich selbst - von der Jugend her – ein bisschen Gitarrenpop sozialisiert sind. Das fällt schon auf.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Ihr seid Geschwister. Gibt es da nicht Streitereien über den Musikgeschmack, dass einer etwas toll findet, was der andere gar nicht verstehen kann? S.: Ja eigentlich ständig. P.: Sandra legt immer die langweiligen Sachen auf. S.: Patrick ist total unsensibel manchmal. Aber das macht ja auch die Sendung aus, glaube ich. Dass jeder seine eigene Meinung vertritt und wir auch im Radio selten ein Blatt vor den Mund nehmen. Wenn uns etwas gefällt, sagen wir es, genauso wie wenn uns etwas nicht gefällt. P.: Es geht aber nicht darum, in der Sendung unsere Lieblingsmusik zu spielen, sondern wir versuchen, einen Überblick über neue, aktuelle und spannende Musik zu geben. Wir spielen natürlich auch Platten, die wir vielleicht gar nicht so super toll finden, die aber eine Relevanz haben. Das finden wir wichtig. Mittlerweile habt ihr auch ein Label gegründet. Wie kam es dazu? P.: Wir haben natürlich viel Kontakt zu Künstlern, vor allem wenn sie aus Hamburg kommen, die kommen dann zu uns im Studio und spielen live. So bekamen wir Kontakt zu zwei Musikern, „Künnecke & Smukal“, die wir sehr toll fanden, die es aber selber nicht hingekriegt hat, eine Platte raus zu bringen. Da haben wir uns gesagt, dass wir das doch machen könnten. Ich finde immer noch, dass das die beste Platte ist, die bei uns erschienen ist. So ging das los mit dem „Sunday Service“ auch als Label. S.: Das mit dem Label ist natürlich eine konsequente Weiterführung unserer Mission als Musikvermittler, weil man Leuten eine Plattform geben kann, die sonst untergehen würden und keinen Plattenvertrag kriegen würden. Wie finanziert ihr das denn alles? Ein Label kostet ja schließlich auch Geld? P.: Das ist natürlich alles Zusammengespartes mehr oder weniger. S.: Wir hoffen aber, dass sich das mit dem Label selbst trägt, mit der Zeit. Was macht ihr denn in eurem anderen Leben, wenn ihr nicht den Sunday Service moderiert? P.: Ich arbeite an der Uni in Hamburg und bin wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Biochemie. S.: Ich bin freie Journalistin und verdiene eigentlich so gut wie gar kein Geld. Wenn Ihr zurückschaut auf die letzten zehn Jahre: Wie hat sich die Radiolandschaft entwickelt. Der Impuls für den „Sunday Service“ war ja, dass es nichts gab, was man hören wollte. P.: Ich höre unheimlich wenig Radio, glaube aber, es ist noch schlimmer geworden. S.: Es gibt auf NDR Kultur ein paar Sendungen, die laufen aber immer nur nachts, aber da sind wir entweder selbst als DJs unterwegs oder machen Radio oder schlafen. Aber tagsüber kann man eigentlich hier kein Radio hören. P.: Ich glaube, gerade Norddeutschland ist extrem schlecht versorgt. Wenn man WDR und EinsLive empfangen kann oder in Berlin lebt, da ist es schon besser. S.: Übers Internet kann man jetzt natürlich gute Sendungen hören oder sich runter laden. Auch ausländische wie „KCRW“aus Kalifornien und auch den „Sunday Service“ kann man sich als Podcast runter laden. Das wird auch fleißig getan. Diese Technik ist ein Vorteil für uns. Merkt ihr, dass ihr durch Internet und Podcast mehr Hörer habt? S.: Ja, das merken wir sogar sehr. Ohne Internet und Podcast wären wir auch nicht so weit oben im „Spex“-Leserpoll. Wird Internet und Podcast die Radiolandschaft positiv verändern? Ich glaube nicht. Die Leute, die sich gezielt Sendungen aus dem Netz runter laden, das ist nicht die große Masse. Radio ist ein Massenmedium, will ein bisschen beschallen, ein bisschen unterhalten, die Leute bei Laune halten, so dass sie nicht woanders hinschalten. Außerdem wird Radio meistens nebenbei gehört. Zum Frühstücken, beim Kochen, beim Autofahren. Die Leute, die sich im Netz Sendungen aussuchen, das ist eine ganz andere Klientel, die werden die Radiolandschaft nicht verändern. Warum heißt ihr eigentlich Sunday Service? Ihr sendet doch Montag Abends? Anfangs lief die Sendung am Sonntag. Damals hatte der FSK noch eine vier Stunden Lizenz, und Sonntags von 20 bis 23 Uhr. Das war der „Sunday Service“. Dann bekamen wir eine 24 Stunden Lizenz, allerdings nur 6 Tage die Woche ohne den Sonntag. Deshalb sind wir auf den Montag gerutscht. Hier kannst du dir den "Sunday Service" anhören und runterladen.

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