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„Wir sind noch sehr naiv“

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jetzt.de: Klara und Johanna, vor zwei Jahren klang euer Debütalbum „The Big Black & The Blue" ganz schön erwachsen für zwei Teenager. Damals habt ihr gesagt, ihr würdet euch aber gar nicht so erwachsen fühlen. Hat sich das inzwischen geändert?
Klara: Nein! Wir haben uns damals nicht erwachsener gefühlt, als andere in unserem Alter, und das ist immer noch so. Vielleicht haben wir einfach reifer gewirkt, zum Beispiel, weil wir immer diese alte Countrymusik gehört haben. Unsere Mitschüler standen eher auf Rihanna und Beyoncé, auf einige haben wir wahrscheinlich ziemlich seltsam gewirkt (lacht).

Die BBC hat euch damals als „naiv-idealistisch" bezeichnet. Würdet ihr rückblickend sagen, die hatten Recht?
Johanna: Ich würde sagen, wir sind immer noch sehr naiv.
Klara: Das schadet ja auch nicht, wenn man so oft auf der Bühne steht, wie wir. Man erwartet von Künstlern ja geradezu Naivität, die dann dazu führt, dass sie komische Dinge sagen und machen und eben unterhaltsam sind.

Erwachsen, seltsam, naiv – dabei ist eure Musik ja eigentlich ganz einfach gestrickt ...
Johanna: Sie soll auch einfach sein, einfach im besten Sinne. Wir wollen, dass man uns versteht und etwas fühlt, wenn man uns hört, so wie wir selbst etwas fühlen wollen, wenn wir anderen zuhören. Wir hören Musik oft aus therapeutischen Gründen, um in bestimmten Situationen ein bisschen Halt zu bekommen. Und wenn man unsere Songs hört, soll man sich auch nicht mehr ganz so alleine fühlen.

Ihr habt mal gesagt: ,,We aim for the hearts, not the charts!" Veröffentlicht ihr deshalb euer neues Album „The Lion's Roar" erst nach dem Weihnachtsgeschäft?
Johanna: Es war schon Taktik, es erst jetzt herauszubringen, aber aus anderen Gründen. Als Indie-Act ist es ziemlich schwierig, etwas im Dezember zu veröffentlichen, weil dann auch die ganzen Platten der Major-Künstler erscheinen. Wenn man noch nicht so etabliert ist, kann man dann schon mal verloren gehen. Deshalb kommt „The Lion's Roar" erst jetzt.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Der Albumtitel klingt groß, und es ist nur dieses kleine Apostrophe, das einen weg vom Gedanken führt, ihr würdet euch selbst als brüllende Löwinnen bezeichnen ...
Johanna: (lacht) Wir fühlen uns aber nicht wie Löwinnen.
Klara: Och, manchmal schon!

Wann denn? Wenn ihr laut zusammen singt?
Johanna: Laut singen fühlt sich immer toll an! Da spürt man plötzlich die ganze Kraft, die man hat.

Die passt dann auch zu den Geschichten auf dem Album, in denen ihr für mehr Freiräume und gegen feste Bindungen kämpft, einmal heißt es zum Beispiel: „I'm nobody's baby, I'm everybody's girl."
Johanna: Stimmt, im selben Song („King Of The World") geht es dann ja auch darum, dass man nicht irgendwann aufwachen möchte, plötzlich eine Familie hat und merkt, dass einem voll viel fehlt. Der Song handelt von dieser ständigen Angst, dass man irgendwann alles haben könnte, was man sich erträumt hat, und doch nicht zufrieden ist. Dass man eigentlich nie zufrieden ist. Das geht uns ja schon jetzt ein Stück weit so. Für uns haben sich mittlerweile so ziemlich alle Träume erfüllt, und trotzdem wollen wir mehr und immer noch ein bisschen weiter kommen.

In den Songs auf „The Lion's Roar" geht es außerdem um verschiedene Menschen, die auf ihr Leben zurückblicken und entweder Dinge bereuen, die sie getan haben, oder sich ärgern, dass sie Dinge noch nicht getan haben. Wie kommt es zu solchen Themen?
Klara: Wir haben einfach Angst, dass wir selbst irgendwann so zurückblicken müssen! Ein Song auf dem neuen Album heißt „In The Hearts Of Men", worin es darum geht, dass wir alle ständig vor anderen schauspielern. Immer wieder spielen wir den Menschen, der wir gerne sein wollen, und wir sagen Dinge, die dieser Mensch sagen würde. Besonders wenn wir in einer festen Beziehung stecken, versuchen wir häufig, besser und toller zu sein, als wir sind. Das kann irgendwann ganz schön frustrierend werden.

Glaubt ihr, dass die Menschen früher echter waren? Zum Beispiel in der Hochphase von Johnny Cash und June Carter, die ihr auf dem Album auch besingt?
Klara: Die hätten wir jedenfalls gerne miterlebt! Aber vielleicht haben wir auch ein zu schönes Bild von dieser Zeit. Eins, das es womöglich nie gab. Wir sind aber auch nicht so drauf, dass wir uns nach einem Leben sehnen, wie es das möglicherweise in den 50er und 60er Jahren gab. Vor allem stehen wir auf die Musik, die damals irgendwie ehrlicher, authentischer war.

Was hat dazu geführt, dass Musik heute weniger authentisch ist?
Johanna: Das Internet! Damals hat es den Leuten noch wirklich was bedeutet, eine gute Band zu hören. Wenn jemand eine Platte aufgelegt hat, saßen alle gespannt da, ein ganzes Album lang, jeder hat sich voll auf Songs konzentriert und sie genossen. Man hat Musik einfach noch viel mehr zu schätzen gewusst. Heute hört man Musik über den Computer und macht nebenbei noch zig andere Sachen. Mir geht es ja genauso, ich kann auch nicht einfach mal da sitzen und einen Film gucken, ohne dass ich nebenher an meinem Telefon herumspiele. Ich weiß nicht, warum das so ist. Vielleicht sind wir alle mittlerweile auf Multitasking programmiert.

„The Lion's Roar" von First Aid Kit erscheint am 27. Januar auf Wichita/PIAS. 

Text: erik-brandt-hoege - Foto: Screenshot

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