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"Wir verlegen Studenten!"

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Christine, was hat der Stellwerck-Verlag, was andere Verlage nicht haben? Wir sind zuallererst ein von Studenten geführter Verlag und wir richten uns vor allem an Studenten als Autoren. Unsere Besonderheit ist aber vor allem, dass wir im Gegensatz zu den etablierten Verlagen aus den eingesandten Manuskripten Bücher machen. Normale Verlage haben häufig einen Autoren-Pool, den sie nach Bedarf beauftragen, ein Buch zu einem bestimmten Thema zu schreiben. Man meint ja immer, dass ein Autor eine Idee für ein Buch hat, zum Verlag geht und der bestellt dann das Manuskript. Aber so läuft das überhaupt nicht. Vieles läuft dort auch über persönliche Beziehungen, Literatur-Scouts oder Autoren-Agenten, die von sich aus an die Verlage herantreten. Wenn man sich initiativ bei einem Verlag bewirbt, wird das in der Regel abgelehnt. Ausschlaggebend dafür ist meist, dass junge Leute noch nichts veröffentlicht haben und deshalb unter Marketing-Aspekten nichts hermachen. Wir möchten uns dagegen stemmen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Christine Ott und Michael Pfeuffer, die beiden Verlagsgründer. Wer ist der Stellwerck-Verlag? Wir sind zu viert. Michael Pfeuffer und ich haben die GBR gegründet und sind als Verlagsgesellschafter verantwortlich. Annalena Schott und Christiane Busch sind Mitarbeiterinnen – ehrenamtlich natürlich, weil auch sie für lau arbeiten. Die Idee für Stellwerck ist vor zwei Jahren entstanden. Unsere Überlegung war, dass ein Verlag nötig wäre, der studentische Texte herausbringt. Wir hatten gemerkt, dass junge Autoren nur sehr schwer veröffentlicht werden und wollten in diese Lücke stoßen. Warum ist euer Weg notwendig? Weil wir glauben, dass sehr viele gute Texte in dem üblichen Buchgeschäft außen vor bleiben. Junge Leute haben große Schwierigkeiten, ihre Texte zu veröffentlichen und für uns bedeutet das, dass die junge Literatur im Literaturbetrieb nicht ausreichend vertreten ist. Natürlich gibt es immer wieder mal den neuen Jung-Literaten, aber wir sind davon überzeugt, dass es da draußen sehr viel mehr gäbe, und auch von sehr viel besserer Qualität. Wir lesen wirklich jeden Text, den wir bekommen. Die Entscheidung, ob wir einen Text verlegen, treffen wir immer in der Gruppe zu viert, um möglichst objektiv sein zu können. Außerdem werden alle Absagen inhaltlich begründet. Wir geben Hinweise, warum zum Beispiel ein Text unserer Meinung nicht funktioniert, ob der Autor die Hilfestellung dann annimmt, das bleibt wiederum ihm überlassen. Das klingt für ein Studentenprojekt sehr professionell. Wir sind drei Germanistik-Studentinnen und ein Architektur-Student. Wir Germanistinnen haben alle im Buchwesen Erfahrungen gemacht und arbeiten da auch immer noch. Wir kennen also die Buchhandelsbranche, haben Kontakte zu Vertretern und auch schon in Verlagen mitgearbeitet. Und Michael, der Architektur studiert, kann alles rund ums Design machen. Was ist denn bei euch auf den Schreibtischen gelandet? Es ist so ziemlich alles gekommen, was man sich vorstellen kann: viele verschiedene Stile, viel Bekanntes, das man als Literaturwissenschaftler schön einordnen kann. Trotzdem konnten wir erstaunlicherweise dann in der Anthologie wieder Linien ausmachen, obwohl es im Auswahlprozess keine Rolle gespielt hatte. So arbeiten zum Beispiel ganz viele Texte mit Perspektivenwechsel, da sind auch Texte dabei, bei denen zwei oder mehr Geschichten ineinander verwoben sind. Inhaltlich findet sich in vielen Texten das Thema Kommunikationsstörung wieder. Und diese nicht funktionierende Kommunikation wird dann auch in Kombination mit dem Thema Scheitern gebracht. Wie viel Zeit verbringt ihr mit der Verlagsarbeit? In den Hochzeiten, kurz vor dem Druck unseres ersten Buches, haben wir ungefähr 15 Stunden pro Tag gearbeitet. Zum Glück waren da gerade auch Semesterferien. Normalerweise setzen wir pro Tag mindestens zwei Stunden Arbeit für den Verlag an, weil so viel einfach anfällt: Mails beantworten, die Buchhaltung, der Postversand. Und wenn dann mal mehr Mails kommen oder eine Telefonaktion ansteht, dann muss man eben zwei Stunden plus x rechnen. Geht euch das denn nie auf die Nerven? Noch sind wir voller Elan! In der letzten Phase war an Privatleben natürlich nicht zu denken. Aber das war nichts Neues für uns, man kennt das von Prüfungszeiten oder Ferienjobs ja auch. Wie finanziert ihr euch? Wir haben in den vergangenen zwei Jahren, seit die Idee zu dem Verlag entstanden ist, gespart. Wir haben keinen Urlaub mehr gemacht und auch sonst auf vieles verzichtet. Weil wir unabhängig bleiben wollen, haben wir keinen Sponsor und werden uns auch keinen suchen. Aber natürlich verdienen wir mit dem Verlag kein Geld. Das wäre auch total illusorisch, das anzunehmen. Uns geht es wirklich in erster Linie um die Qualität von Texten. Wir hoffen natürlich, dass wir irgendwann unsere Investitionen wieder einspielen und durch das Stammkapital dann neue Bücher verlegen können. Bezahlt ihr die Autoren? Nein, bei der Anthologie wäre das überhaupt nicht möglich. Die Autoren bekommen Freiexemplare der Bücher und damit sind sie auch wirklich zufrieden. Wenn ein Titel eines einzelnen Autors bei uns verlegt wird, dann wird der Autor am Verkauf beteiligt, ganz regulär wie auch im sonstigen Verlagsgeschäft. Sucht ihr wieder Autoren? Wir nehmen jederzeit Einsendungen entgegen und haben auch schon einen recht großen Stapel. Bis Ende Januar kann man noch für das 2010-Programm Manuskripte einschicken. Wir wollen nächstes Jahr auf jeden Fall wieder eine Anthologie herausgeben, weil wir wirklich viele kleinformatige Texte bekommen. Und dann sehen wir mal, was reinkommt. Wir würden sehr gerne einen Roman machen, aber vielleicht wird es auch eine Biographie oder ein Sachbuch. Das ist wirklich das Spannende: Wir wissen nie, was unser nächstes Buch wird.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Die Anthologie "Signalstärke: hervorragend", das erste Buch aus dem Stellwerck Verlag ist vor kurzem erschienen und im Buchhandel erhältlich.

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