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Wo die Scheinmoral in Rauch aufgeht

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Ums Rauchen geht es eigentlich nur am Rande in Ihrem Film, oder? "Thank you for Smoking" handelt eigentlich von Entscheidungsfreiheit, Selbstbestimmung und von "Political Correctness" und deren Gefahren. In Ihrem Film ist kaum einer politisch korrekt, vor allem nicht die Hauptfigur Nick Naylor. Ist "Political Correctness" so gefährlich? Political Correctness ist im Grunde eine allgemein akzeptierte Art, zu lügen. Zu lügen, um nett zu sein und angepasst. Das ist so etwas Scheinheiliges. Es ist politisch korrekt, zu sagen, die Tabakindustrie ist das Böse schlechthin. Im Film verkörpert Senator Finistirre diese Korrektheit, er führt einen Krieg gegen die Tabakindustrie und will Totenkopfsymbole auf allen Zigarettenschachteln anbringen lassen. Ich glaube nicht, dass die Tabakindustrie böse ist, das sind einfach nur Firmen, die ihr Produkt verkaufen wollen, das gesundheitsschädigend ist. Ich finde, jede Firma sollte das Recht haben, ihre Produkte zu verkaufen, auch wenn sie gefährlich sind. Küchenmesser sind auch gefährlich, man kann sich damit aus Versehen erstechen. Deswegen sollte man sie nicht gleich verbieten. Diese Argumentation hört sich ziemlich nach der Hauptfigur des Films, Nick Naylor, an. Der spricht im Film ständig von Eigenverantwortung und davon, dass man sich von niemandem sagen lassen soll, was gut und schlecht ist. Nick Naylor und ich verstehen uns da ganz gut. Aber es gilt als politisch unkorrekt, solche Sachen zu sagen. Ich meine, jeder weiß, dass Tabak schädlich ist und jeder muss für sich selbst entscheiden, ob er rauchen will oder nicht. Aber keiner braucht sich dann nachher beschweren, wenn er Lungenkrebs hat. Und keiner braucht mir erzählen, er sei von der Tabakindustrie verführt worden. Heutzutage wirst du von allen Seiten verführt, sei es, um ein Produkt zu kaufen oder um irgendjemandem deine Stimme zu geben. Das muss dir doch klar sein. Der Film ist oft so lustig, dass man vergisst, dass das Thema ja eigentlich sehr ernst ist. Mein oberstes Ziel war es, die Leute zum Lachen zu bringen. Aber ich habe auch eine politische Botschaft. In einer Komödie kann man bestimmte Dinge ansprechen, die in einem Drama ein absolutes Tabu sind. Die meisten Filme über das Rauchen sind Dramen mit einer sehr eindeutigen Botschaften: Rauchen ist schlecht, die Tabakindustrie ist böse. Das ist ziemlich einseitig. Humor im Film ermöglicht es oft, der Wirklichkeit ein bisschen näher zu kommen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Nick Naylor redet im Film viel von „moralischer Flexibilität“, die er aufbringt, um in seinem Job in der Tabakindustrie wirklich gut zu sein. Wie moralisch flexibel muss man in der Filmindustrie sein? Es gibt viele ziemlich fiese Menschen im Filmgeschäft, die andere schlecht behandeln. Also gibt es viele, die moralisch äußerst flexibel sind. Aber ich glaube nicht, dass man zwangsläufig so sein muss, um einen Film verwirklichen zu können. Ich musste nichts Unmoralisches tun, um „Thank you for Smoking“ zu machen. Sie haben viele Jahre Werbefilme gedreht, für einige große Firmen wie BMW oder Burger King. Viele Leute würden das schon als unmoralisch ansehen. Ich finde nicht, dass an Werbefilmen etwas unmoralisch ist. Ich finde überhaupt, dass es nicht schlimm ist, für große Firmen zu arbeiten. Ich mag große Firmen. Sie haben immer dieses Stigma, sie seien böse. In großen Firmen arbeiten eine Menge Leute und manche davon sind sicher böse. Es gibt überall böse Menschen, auch beim Roten Kreuz. Und es gibt gute Menschen, die für zum Beispiel eine Waffenfirma arbeiten. Sie sind nett und ihre Firma spendet viel Geld für wohltätige Zwecke und der Abteilungsleiter kümmert sich am Wochenende als Big Brother um unterprivilegierte Kinder und du denkst dir, wow, was für eine nette Firma. Überall gibt es die Guten und die Bösen. Die Aufgabe einer Firma ist hauptsächlich, Geld zu verdienen und jeder Konsument kann für sich selbst entscheiden, was er von einem Unternehmen hält und ob er dessen Produkte kaufen will.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Würden Sie Zigarettenwerbung machen? Nein, es gibt einige Dinge, für die ich das nicht machen würde, das US Militär zum Beispiel. Ich finde nicht, dass Zigarettenwerbung verboten werden soll, aber ich persönlich will nicht abends schlafen gehen in dem Wissen, dass ich Leute davon zu überzeugen versuche, dass sie rauchen sollen. Da habe ich doch größere Hemmungen als Nick im Film. Ich finde auch, dass es bei Zigarettenwerbung gewisse Einschränkungen geben sollte. Zum Beispiel sollten Kinder möglichst keine Tabakwerbung sehen. Nick Naylor hat einen zwölfjährigen Sohn, der ihn bei einem beruflichen Trip nach Kalifornien begleitet und ihm bei der Lobbyarbeit zusieht. Die Frage, was Nick machen würde, wenn sein Sohn plötzlich anfangen würde zu rauchen, scheint der einzige Punkt zu sein, an dem man Nick moralisch zu packen bekommt. Ich finde die Vater-Sohn-Beziehung ist sehr wichtig für den Film, sie gibt der Geschichte einen persönlichen Touch. Klar kannst du rumrennen und erzählen, jeder muss sich selbst überlegen, ob er rauchen will oder nicht. Aber wenn dein Sohn damit anfängt, ist es etwas anderes. In der Auseinandersetzung mit seinem Sohn macht sich Nick das erste Mal wirklich Gedanken über das Thema. Außerdem war mir wichtig zu zeigen, dass Erwachsene zwar für sich selbst entscheiden müssen, aber Kinder für ihre Entscheidungen nicht voll verantwortlich gemacht werden können. Ein Zwölfjähriger kann noch nicht wirklich wissen, was gut für ihn ist und was nicht. Für viele ist das der Punkt, an dem die Regierung einschreiten müsste. Ich finde aber, es ist die Aufgabe der Eltern. Sie müssen ihre Kinder zu eigenständig denkenden Menschen erziehen, die später vernünftig genug sind, nicht mit dem Rauchen anzufangen. Ist Nick ein guter Vater? Ja. Ich glaube, sein Sohn wird später kein Raucher werden, weil er gelernt hat, selbstständig zu denken und weiß, dass einem die Werbung nur Scheiße erzählt. Er wird sich später nicht so einfach einwickeln lassen. Zum selben Film gibt es auf jetzt.de auch ein Interview mit dem Schauspieler Aaron Eckhardt, der als Nick Naylor die Hauptrolle spielt. Bilder: 20th Century Fox

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