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„Zerrissenheit ist ein ständiger Begleiter“

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jetzt.de: Das Singer-/Songwritertum aus deutschen Landen erlebt gerade einen ziemlichen Boom. Im Gegensatz zu vielen Anderen liegen deine Wurzeln jedoch im Reggae. Vor- oder Nachteil?
Maxim: Schwer zu sagen. Ich habe immer schon bewusst versucht, mich von dieser typischen Singer-/Songwriter-Ästhetik abzugrenzen. Durch mein Umfeld und meine musikalischen Ursprünge passiert das aber automatisch. Ich sehe mich da nicht großartig in einer Konkurrenz zu Philipp Poisel und Konsorten.

Du selbst hältst sowieso nicht allzu viel von Begriffen wie „Singer/Songwriter" und „Pop", oder?
Ja, das stimmt. Das ist mir zu unkonkret, das sagt nichts aus. Der Begriff „Pop" setzt bei mir zudem eine total negativ besetzte Assoziationskette in Gang, die irgendwo bei Detlef D! Soost endet. Und Singer-/Songwriter sind letztlich alle, die ihre Stücke selbst verantworten.

Gibt es denn eine Bezeichnung für deine Musik, mit der du gut leben kannst?
Wenn ich danach gefragt werde, sage ich auch, ich sei Singer-/Songwriter und mache Gitarrenmusik – und bin mir durchaus des Umstands bewusst, dem Reichtum der Musik damit nicht ansatzweise gerecht zu werden.

In der Presseinfo zum Album steht, du hättest dich freigeschwommen. Wovon?
In allererster Linie von den vielen Zweifeln, welchen musikalischen Weg ich einschlagen will. Ich bin ja bei einem Label, das sich vor allem auf deutschsprachigen Reggae spezialisiert hat, sodass ich dort künstlerisch immer schon ein bisschen außen vor war. Ich wollte aber einen anderen Weg gehen und glaube, ihn mit dem neuen Album nun endlich gefunden zu haben.

Deine Stücke pendeln zwischen Reggae, Rock, Pop und Liedermachertum. Welchem Bereich fühlst du dich mit dem Herzen am engsten verbunden?
Keinem. Es gibt kein Genre, dem ich mich mehr verpflichtet fühle als einem anderen. In meiner Kindheit war ich vor allem durch klassisches Singer-/Songwriterum geprägt, weil mein Vater der größte Bob-Dylan-Fan war; damit bin ich sozialisiert worden. Meine Jugend war jedoch eher durch Reggae beeinflusst. Aber gegen die Plattenkiste deiner Eltern kannst du dich nicht wehren – deren Songs sind auf ewig in dein Herz eintätowiert.

http://www.youtube.com/watch?v=LXLsHzLrn0o&feature=player_embedded

In vielen Musikszenen hagelt es schnell mal Kritik, wenn man sich über deren Grenzen hinauswagt. Hast du ähnliche Erfahrungen gemacht oder wurde dein musikalischer Blick über den Plattentellerrand bisher immer honoriert?
Sowohl als auch. Ich selbst war nie so extrem in diesem Reggae-Ding drin und finde einiges daran auch arg befremdlich. Denn wenn man sich ernsthaft damit beschäftigt, müsste man als aufgeklärter Mensch eigentlich automatisch eine gewisse Distanz dazu aufbauen – man nehme nur mal die Homophobie einiger Reggae-Künstler als Beispiel. Kritisiert werde ich daher hauptsächlich von diesen verbohrten Hardcore-Leuten, die meinen Ansatz nicht verstehen – und auch nicht verstehen wollen.

Deine erste Platte hast du 2005 veröffentlicht. Letztes Jahr bist du vom Radiosender N-Joy zum „Newcomer des Jahres" gewählt worden, obwohl du schon lange kein Newcomer mehr bist. Ist das ein Beleg dafür, dass viele Mainstreammedien neue Künstler häufig verschlafen?
Nein, das würde ich so nicht sagen. Es gibt eben unglaublich viele Künstler, die man nicht alle auf dem Zettel haben kann. Und für die N-Joy-Hörer bin ich auf jeden Fall ein Newcomer. In der Reggae-Zeitschrift Riddim war ich allerdings bereits 2005 „Newcomer des Jahres" – die sind aber eben auch viel näher dran.

Ist das nicht ein komisches Gefühl, jahrelang von den verschiedenen Medien immer wieder als Newcomer bezeichnet zu werden?
Nein. Ich mache da niemandem einen Vorwurf. Man wird eben erst flächendeckend medial wahrgenommen, wenn man einen Hit hat – und den hatte ich bisher noch nicht.

Wie beurteilst du denn das Werken, Wirken und die Wichtigkeit von Independent- im Vergleich zu Mainstreammedien?
Für mich war es ungeheuer wichtig, den kompletten Independent-Weg gegangen zu sein. Das hat mir die Möglichkeit gegeben, mich zu entwickeln. Man erkennt sehr schnell, wer diese Schule durchlaufen hat und wer nicht. Denn die Leute, denen das fehlt und die sofort zu großen Stars hochstilisiert wurden, die klingen alle gleich. Das ist ja auch das Problem der großen Radiosender, bei denen man diese Gleichförmigkeit jeden Tag hören kann.

Du hast auch mal gesagt, dass du kein großes Vertrauen in den Pop-Markt hast. Warum nicht?
Aus den eben genannten Gründen. Die breite Masse denkt ja, der Mainstream wäre derjenige, der neue Trends schafft. Aber das fängt ja viel weiter unten an, weil so etwas in der Regel immer erst einen bestimmten Weg gehen muss. Die entscheidenden Entwicklungen beginnen woanders. Das sehe ich auch bei mir – mein erstes Album kann ich mir heute gar nicht mehr anhören. Insofern wundert es mich aus heutiger Sicht auch nicht, dass das damals kein riesiger Erfolg war (lacht).

Die Presseinfo beschreibt dich als Teil einer Generation, die getrieben sei von „Zukunftsängsten im Wohlstand und der ständigen Zerrissenheit zwischen ‚Großstadt Hipster' und ‚Hochzeit in weiß'." Fangen wir mal vorne an: Welche Zukunftsängste sind konkret gemeint?
Die eigene Lebensplanung; dass das alles nicht klappt. Diese Angst plagt sämtliche Leute in meinem Umfeld. Man muss sich ja bloß einmal ansehen, wie viele Leute an Depressionen leiden. Die Leute gehen zugrunde an dem Alltagsstress und haben Angst davor, ihr Leben nicht gemeistert zu bekommen.

Und bei dir ist das auch so?
Natürlich – schon von Berufs wegen. Nahezu alle Musiker haben Zukunftsängste, denn selbst mit einem Hit kann man kurze Zeit später schon wieder weg vom Fenster sein. Bei mir kommt hinzu: Ich habe immer nur Mucke gemacht, nichts gelernt oder studiert. Ich bin also auf die Musik angewiesen. Wobei ein Studium oder eine Ausbildung heutzutage auch keinerlei Sicherheit mehr bedeutet.

Dein Album heißt „Asphalt". Der gleichnamige Song scheint sich gegen das Großstadtleben zu richten. Stimmt das?
Es geht eher um die Frage, ob man sich ein offenes Leben der Selbstverwirklichung wünscht, in dem sich alle fünf Jahre noch mal alles komplett ändern kann, oder ob einem Sicherheit wichtiger ist.

Wünscht sich denn nicht jeder eine gewisse Sicherheit?
Bestimmt, aber man muss sich über den Preis im Klaren sein. Denn in der Regel bedeutet ein Mehr an Sicherheit auch ein Weniger an Freiheit. Diese Zerrissenheit ist ein ständiger Begleiter.

Im Stück „Schaufenster" singst du gegen den Perfektionismus gesellschaftlicher Ordnung an. Was war der Auslöser dafür?
Mir ist dieses oberflächliche, nach außen zur Schau getragene Glück einfach sehr suspekt. Ich kann einfach nicht glauben, dass alle Menschen um mich herum konstant gut drauf sind. Aus bestimmten Perspektiven sieht die Welt immer so glücklich aus, und das kann einfach nicht stimmen – da bin ich skeptisch.

Würdest du dir denn wünschen, dass die Leute ihre Unzufriedenheit offener zur Schau tragen?
Nein – auch wenn das jetzt widersprüchlich erscheinen mag. Es hilft natürlich auch keinem, wenn alle nur noch rummeckern. Das ist ein Problem ohne Lösung. Ein Umstand, auf den ich einfach mal hinweisen wollte.

Asphalt erscheint heute über Rootdown/Soulfood. 

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