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Constantin Schreibers Buch "Inside Islam"
Bedrohlich ragen die beiden Minarette in den wolkenverhangenen Himmel, inmitten der Türme steht Constantin Schreiber und verkündet: „Inside Islam – Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird“. Dunkle Minarette als das Zeichen einer schleichenden Islamisierung – auf dem Buchcover perfekt inszeniert.
Als „Brückenbauer mit kritischem Blick“, wie sich der 37-Jährige auf seinem Twitter-Account nennt, ist er bislang aufgetreten. Schreiber spricht Arabisch und hatte auf ntv seine eigene Sendung „Marhaba – Ankommen in Deutschland“, in der er Fernsehbeiträge für Geflüchtete und Deutsche drehte. Mittlerweile arbeitet Schreiber als tagesschau-Moderator. Innerhalb von acht Monaten besuchte Schreiber 13 der rund 2500 deutschen Moscheen, was den plakativen Buchtitel „Inside Islam“ besonders fragwürdig erscheinen lässt.
Schreiber erntete nach Erscheinen seines Buches Kritik von renommierten Islamwissenschaftlern in Deutschland. Johanna Pink, Professorin für Islamwissenschaft an der Uni-Freiburg, schrieb einen offenen Brief an die ARD-Chefredakteure, den der Tagesspiegel veröffentlichte. Sie kritisiert, dass der Moscheereport „verzerrend, insgesamt einseitig war und Fehler enthielt“: „Ein kleiner Recherchefehler in solch einem Zusammenhang kann Existenzen bedrohen, bis hin zu verweigerter Einbürgerung aufgrund der Mitgliedschaft in bestimmten Moscheevereinen.“
Abgesehen davon zieht sich eine Tendenz durch das gesamte Buch: Es ist das Anti-Wir-Gefühl. Es sind scheinbar nebensächliche Beobachtungen und kritisch verpackte Kommentare, die den Moscheereport eben nicht zu einem differenzierten, ausgewogenen Bericht werden lassen.
Bereits zu Beginn seines Buches räumt Constantin Schreiber – unkommentiert und völlig unbelegt – bestimmten Aussagen Raum ein, die sich in der anschließenden Lektüre der Predigten nicht belegen lassen. So behauptet der Freiburger Islamwissenschaftler Hakim-Abdel Ourghi, in arabischen Moscheen würden „häufig Sachen gesagt wie ‚Gott möge Israel vernichten‘ oder ‚Gott möge uns im Kampf gegen Christen und Juden unterstützen‘“. Schreiber hinterfragt diese Aussagen nicht, er ordnet sie nicht ein – und erweckt dadurch schon zu Beginn den Anschein, dass er gezielt auf der Suche nach möglichst skandalträchtigen Inhalten ist. Erst in seinem Resümee schreibt er: „Konkrete Aufrufe zur Gewalt oder Verherrlichung des Dschihad habe ich während meiner Moscheebesuche nicht erlebt.“
Auch am Anfang seines Buches fragt Schreiber wahllos im Bekanntenkreis nach, ob diese schon mal in Moscheen gewesen seien. Er kenne zwar auch viele Muslime, aber die lässt er an dieser Stelle seltsamerweise nicht zu Wort kommen. Dabei kritisieren auch Muslime hierzulande seit Jahren öffentlich die Moscheelandschaft. Auch der muslimische Gefängnisseelsorger Husamuddin Meyer, der vor wenigen Tagen gemeinsam mit Constantin Schreiber bei Markus Lanz zu Gast war, bestätigte, dass auch Muslime sich immer wieder über unangemessene Imame und deren Predigten beschweren. Doch offenbar traut Schreiber es Muslimen nicht zu, selbst Kritik zu üben. Dabei hätte dieses Buch tatsächlich einen guten Anstoß geben können, auch für Muslime, die ja in erster Linie die Leidtragenden von negativen Einflüssen durch Imame wären. Doch es beginnt schon mit dem Satz: „Es ist eine Schwelle, die die wenigsten Deutschen überschreiten: Die in eine der zahlreichen Moscheen in unserem Land.“ Damit schließt er aus, dass Muslime auch Deutsche sein können. Aber dazu später mehr.
Stattdessen also die nicht-muslimischen Freunde: Sie kennen Moscheen vor allem aus dem Urlaub. Dass Moscheen in der Türkei, in Abu Dhabi oder in Ägypten ganz andere Funktionsweisen haben wie hierzulande, lässt Schreiber an dieser Stelle unkommentiert. Dabei sind Moscheen in Deutschland oft eben nicht nur Gebetsraum, sondern auch Begegnungsstätte. Wer schon einmal in einer größeren Moschee in Deutschland war, dem wird aufgefallen sein, dass in Gebetspausen Kinder über Teppiche sprinten. Dass sie an Wochenenden Koran- oder Sprachunterricht besuchen. Und dass Moscheen auch Orte sind, in denen Festessen ausgerichtet, Hochzeiten geschlossen und auch mal Eheprobleme gelöst werden. Schreibers Bekannte wissen das wohl nicht. Sie sagen beispielsweise, in Moscheen herrsche „totale Ernsthaftigkeit, kein Lachen, kein Humor.“ Es sind Aussagen wie diese, die dem Leser gleich zu Beginn nichts weiter als ein negatives Grundgefühl vermitteln – ohne dabei Fakten zu liefern. Dieser fremdländische, exotisierende und vor allem bedrohlich wirkende Ton zieht sich durch das gesamte Buch.
Das wird vor allem an seinem Wir und Ihr-Duktus sichtbar: Nachdem Schreiber bereits mehrere muslimische Gebetshäuser besucht hatte, schreibt er über eine Moschee in Berlin: „Zum ersten Mal sehe ich Deutsche: drei blonde junge Männer, Bodybuilder, mit einem Bartschnitt, der sie als gläubige Muslime erkennbar macht.“ Dass sich ein Großteil der vier Millionen Muslime hierzulande Deutschland zugehörig fühlt, sollte spätestens seit dem 2015 erschienen Religionsmonitor der Bertelsmann Stiftung deutlich geworden sein (Hier als pdf). Doch es sind Untertöne wie die von Schreiber, die diese Zugehörigkeit immer und immer wieder in Frage stellen: Hier die Deutschen, da die Muslime. Dass ein Mensch beides ist, wird außer Acht gelassen. Dabei ruft die Autorin der Sonderauswertung Islam der Bertelsmann-Studie, Yasemin el-Menouar, dazu auf, die Zugehörigkeit von Muslimen nicht ständig infrage zustellen: „Deutschland braucht ein inklusives Wir-Gefühl, das unterschiedliche Religionen und Kulturen umfasst. Viele gehen davon aus, dass Muslime keine Deutschen sein können und Deutsche keine Muslime, als ob es sich hierbei um zwei sich gegenseitig ausschließende Gruppen handeln würde.“
Dabei sei der Großteil der Muslime in Deutschland mittlerweile hier geboren und aufgewachsen, heißt es weiter. Deutschland ist ihre Heimat. Doch Constantin Schreiber widerspricht dieser Aussage in seinem Resümee: „Was die Predigten angeht, die ich im Laufe meiner Recherche gehört habe, muss ich sagen: Das stimmt nicht.“ Die Warnung vor dem Leben in Deutschland habe sich wie ein roter Faden durch die Predigten gezogen, schreibt der Autor. Noch einmal zur Erinnerung: Seine Zweifel beruhen auf Besuchen in 13 von rund 2500 Moscheen in Deutschland. Gerade von einem „kritischen Brückenbauer“ hätte man in diesem Kontext wesentlich mehr Sensibilität erwarten können – oder zumindest, dass er dass er bestehende Gräben nicht weiter vertieft.
Was außerdem verwundert: Aussagen wie „Moscheen prägen längst das Erscheinungsbild unserer Städte.“ Hinterhof-Moscheen, die den Großteil der Moscheen in Deutschland ausmachen, können das Stadtbild gar nicht prägen – wie der Name schon sagt: Hinterhof. Hinter Stripbars, hinter schäbigen Häusern im Bahnhofsviertel, hinter Großmärkten im Gewerbegebiet. Und nicht selten auch im Keller. So sieht die Realität der meisten Moscheen in Deutschland aus. Besonders kurios: Im Buch beschreibt der Autor selbst mehrmals seine Schwierigkeiten, sogenannte Hinterhof-Moscheen überhaupt zu erkennen und zu finden.
Es ist ein seit Jahren bestehender Teufelskreis: In einer Stadt wie München gibt es über 50 Moscheen, davon sind nur zwei repräsentativ, also von außen erkennbar mit Minarett. Diese stehen aber nicht im Ortszentrum, sondern in der Nähe von Kläranlagen (kein Witz!) oder am Stadtrand. Das Freitagsgebet, dass für muslimische Männer zur religiösen Pflicht zählt, können die meisten Berufstätigen deshalb nur in einer Hinterhofmoschee beten. Dass genau in diesen Moscheen Import-Imame häufig eine Opfermentalität bei den Gläubigen schüren, liegt – in zynischem Maklerjargon formuliert – nicht gerade an deren besten Ortslage.
Gerade um zwielichtigen Predigern kein Forum zu geben, gerade um ihnen den radikalen Nährboden für Argumente wie „Wir können machen was wir wollen, wir gehören nicht dazu“ unter den Füßen wegzureißen, bräuchte es repräsentative Moscheen, für jedermann öffentlich zugänglich. Dann könnten sich Prediger mit ihren teils demokratiefeindlichen Gedankengut nicht mehr in Hinterhofkellern verstecken und Muslime bekämen einen sichtbaren Platz in der Gesellschaft. So viel zum Wir-Gefühl.
Warum das so schwierig ist? Der heikle Moscheebau – ein Thema mit dem konservative Politiker regelmäßig auf Stimmenfang gehen. Es werden Bürgerinitiativen gestartet, auf Pegida-Kundgebungen tragen Demonstranten Schilder mit durchgestrichenem Minarett durch die Straßen. Oft scheitert der Moscheebau an der ausländischen Finanzierung aus Ländern wie Katar oder Saudi-Arabien. Doch dieses Thema scheint an Schreiber vorbeigegangen zu sein. Stattdessen weckt er mit seiner Formulierung „Moscheen prägen das Erscheinungsbild unserer Städte“ Angstszenarien (auch hier wieder: unserer. Sind das denn nicht auch Städte deutscher Muslime?) und stößt bei Muslimen auf Kopfschütteln. Wo ist denn dieses ominöse Stadtbild?
Auch Schreibers Resümee wirkt in diesem Zusammenhang bestenfalls blauäugig: Während sich im christlichen Bereich eine zeitgenössische Architektur für Sakralbauten entwickelt habe, sei das bei Moscheen grundsätzlich nicht der Fall. „Moscheen müssen offenbar aussehen wie vor Jahrhunderten“, schreibt der Autor. Was Schreiber in diesem Zusammenhang fatalerweise nicht erwähnt: Wenn Muslime den Bau einer repräsentativen, transparenten und einladenden Moschee planen, müssen sie mit vielen Schwierigkeiten rechnen. Der Islam ist in Deutschland nicht als staatliche Religionsgemeinschaft anerkannt, Muslime zahlen keine „Moscheensteuer“, die Finanzierung neuer Moscheeprojekte gestaltet sich deshalb als schwierig. Stattdessen werden Wohnhäuser angemietet, man gründet ein Verein und schon entsteht eine neue Hinterhofmoschee, in der nach Lust und Laune gepredigt werden kann.
Ein Beispiel aus der Praxis: In München plante der Penzberger Imam Benjamin Idriz den Bau einer Moschee, die gleichzeitig ein Gemeindezentrum, Museum, Bibliothek und eine Akademie beherbergen sollte – erbaut in zeitgenössischer und moderner Architektur und in gut erreichbarer Lage, doch das Projekt konnte nicht verwirklicht werden, die Finanzierung aus dem Ausland stand auf wackeligen Beinen. Die Politik argumentiert immer wieder, man wolle nicht, dass Saudi-Arabien oder Katar sich in die Belange der neuen Moschee einmischen. Dazu schreibt Rupprecht Polenz, früherer CDU-Generalsekretär, auf Facebook: „Ich finde es absurd, eine Weltreligion zur Finanzierung ihrer Aktivitäten ausschließlich auf das Inland zu verweisen. Was würde mit den weltweiten Aktivitäten von katholischer und evangelischer Kirche, die von Deutschland aus finanziert werden?“ In einer offenen Gesellschaft müsse es reichen, dass sich alle an die allgemeinen Gesetze halten – egal, woher sie das Geld für ihre Aktivitäten hätten.
Diese Problematik wäre ein elementarer Baustein gewesen, wenn man über Moscheen in Deutschland hätte ausgewogen berichten wollen. Stattdessen verfängt sich Constantin Schreiber in komplexen theologischen Spinnweben, für die ihm die fachliche Kompetenz fehlt. Der Autor beschuldigt den Imam der Berliner Imam-Riza-Moschee, – in diesem Fall einer schiitisch-türkischen Moschee, was sich noch als wichtig erweisen wird – gegen Jesiden zu hetzen. Der Jeside, so der Imam, stehe als Symbol für Massaker und Barbarei. Das ist eine der schärfsten Vorwürfe, die Schreiber bisher in einigen Interviews und im Buch erhebt. Mathias Rohe, Islamwissenschaftler an der Uni-Erlangen, geht auf Anfrage von einem Übersetzungsfehler Schreibers aus: „Historisch gesehen macht die Aussage des Imams keinen Sinn. Es lässt sich nicht festmachen, warum Jesiden als Symbol für Massaker und Barberei stehen sollen. Vielmehr gilt der Ummayyaden-Kalif Yazid als schiitisches Urtrauma.“ Der Teufel liegt eben nicht nur im Detail (Jesiden (türk.: Yezidiler) und Yazid (türk.: Yezitler)). Auch Schreibers mangelndes Fachwissen wird entlarvt. Falschübersetzungen bei heiklen Inhalten, so Rohe, können zu massiven Spannungen im Inland führen. Tatsächlich hat es das bereits: Der Zentralrat der Eziden in Deutschland hat gegen den Imam der schiitisch-türkischen Moschee, in der ja angeblich Hetze gegen Jesiden betrieben wurde, Anzeige wegen des Verdachts der Volksverhetzung erlassen. Die Moschee könnte im schlimmsten Fall wegen Schreibers Falschübersetzung schließen.
Auch in der auf Arabisch gehaltenen Predigt in der Dar-as-Salam-Moschee in Berlin-Neukölln, die Schreiber in seinem ARD „Moscheereport“ veröffentlichte, kam es zu einem Übersetzungsfehler. Der Imam sagte, hunderttausende Türken hätten nach dem Krieg mitgeholfen, Deutschland aufzubauen. Heute könnten sie hier ihre Religion leben, die Frauen sich kleiden wie sie wollten, und anders als in seiner nordafrikanischen Heimat dürfe man in Deutschland seine Meinung frei äußern. „Was wollt ihr mehr?“ ruft der Prediger den Gläubigen zu. Doch Schreiber hatte statt Türken (arabisch: turki) Soldaten (arabisch: dschundi) gehört. Damit hatte er das leidenschaftliche Plädoyer des Imams komplett missverstanden. Die ARD reagierte und bedauerte die Veröffentlichung des Moscheereports. „Deshalb haben wir dieses Video umgehend wieder von der Seite genommen“, heißt es dort.
Abgesehen von den Übersetzungsfehlern ist der große Interpretationsspielraum, den sich Schreiber selbst zugesteht, erschreckend: In einer Predigt aus Berlin sagt der Imam, die Rechtschaffenheit der eigenen Kinder sei die größte Herausforderung vor der man stehe. „Nicht das Geld, nicht die Aufenthaltsgenehmigung, nicht die Sprache, nichts anderes, all das kommt [von selbst].“ Schreiber vereinfacht, bis eine ganz andere, integrationsfeindliche Botschaft herauskommt: Der Imam weise an, auf eine strenge Religiosität der Kinder zu achten, denn das sei etwa wichtiger als das Erlernen der Sprache. Doch das hat der Imam eben nicht gesagt.
In dem kürzlich erschienen NDR-Fernsehbeitrag „Was predigen Imame in Deutschland?“ rudert Schreiber merklich zurück. Er sagt, der Moscheereport sei nicht repräsentativ und es seien Einzelfälle, die er erlebt habe – doch die gesamte Aufmachung (auch der Titel: „Inside Islam – Was in Deutschlands Moscheen gepredigt wird“) sowie die tendenziöse Kommentierung im Buch sprechen eine andere Sprache. Im Fernsehbeitrag besucht Schreiber erneut eine Moschee, diesmal das Islamische Zentrum in Wolfsburg, das in seinem Buch allerdings nicht vorkommt. „Ein heller, moderner Bau, ein Imam, der fließend deutsch spricht und offen und dialogbereit sei“, so wird die Moschee im Beitrag vorgestellt. Constantin Schreiber spricht nach dem Gebet mit dem Imam. Der Imam lächelt und sagt, es gäbe wöchentliche Treffen, in denen jeder herzlich eingeladen sei zu kommen. Schreibers Antwort? „Aber nicht jeder traut sich.“
Und damit könnte er tatsächlich Recht haben, denn spätestens nach der bloßen Aufmachung seines Moscheereports wird man sich als Nicht-Muslim wahrscheinlich dreimal fragen, ob man in eine Moschee geht.