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Anziehende Neubauten

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Abbruchparty
Im August 2007 brennt das Olympiadorf. Vandalen nutzen eine Abbruchparty, um einige Bungalows abzufackeln. Radikal ist auch der Abriss der schimmligen, schlecht wärmegedämmten Häuser in den drei Jahren danach. Zwölf werden saniert – denn eigentlich steht das Ensemble seit 2001 unter Denkmalschutz.
 
Bungalow
In den 70ern entstehen 800 Häuser à 23 Quadratmeter, seit 2010 sind es 1 052 à 19 Quadratmeter. Jeder Bungalow ist eine autarke Einheit mit Bad, Bett, Kochnische und Dachterrasse. Ein neuer kostet 312 Euro warm, einer der Denkmalbungalows 20 Euro mehr.
 
Connollystraße
Die Straße ist nach dem ersten Olympiasieger der Neuzeit (1896) benannt: James Connolly.
 
Dorfcharakter
„Hast du das aus der L-Gasse gehört?“, heißt es in Gasse C. Jeder kennt jeden, wie in einer über Jahre gewachsenen Dorfstruktur, die zusammenkittet. Schwieriger: ein Sozialleben außerhalb. Ist ja alles da: Bäcker, Kramer, Arzt.
 
Empfang
So ein Betonbungalow ist wie eine Festung: Durch die dicken Wände dringt kein Funksignal fürs Handy. Wer einen Anruf erwartet, öffnet die Haustür. Auf dem Balkon ist der „Empfang“ dafür einmalig: Unterhaltungen zum Nachbarn am Ende der Gasse funktionieren bestens.
 
Farben
Das Dorf ist bunt. Aber definitiv dominant sind die Farben Blau (symbolisch für den bayerischen Sommerhimmel), Grün (hach, die schönen Alpenwiesen) und Orange (für Optimismus und Lebensfreude).

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Geiselnahme
Am 5. September 1972 ermorden palästinensische Terroristen elf israelische Sportler. Die Wohnungen im Haus an der Connollystraße 31 vermietet jetzt das Max-Planck-Institut. Eine Bewohnerin aus Südamerika stellt sich Weihwasser in die „friedlosen Räume“. Andere wundern sich nur über Fernsehteams, die für Dreharbeiten übers Dach trampeln.
 
Haussprecher
Die Neuen haben es gut: Um sie kümmern sich Haussprecher, die auch im Präsidium des Vereins der Studenten im Olympiadorf sitzen, einer der größten studentischen Selbstverwaltungen Europas. Zu ihr gehören Bierstube, Olydisco, Lounge und der Fasching Olympialust – nur 2012 blieb die Verkleidung im Schrank, da die Räume gerade umgebaut werden.
 
Individualität
Manchmal klingeln Architekturstudenten, um die Bungalows zu begutachten. Drinnen sehen sie verschiedene Böden, nachträglich vergrößerte Betten, Holztresen und aufblasbare Küchentische.
 
Juni-Juli
„Am schönsten ist es Juni-Juli“, hört man hier oft. Dann stehen die Türen offen, es wird gegrillt, alle sind da, die Uniprüfungen scheinbar weit weg. Man radelt zum Lerchenauer See, aufs Tollwood, zum Theatron oder Open-Air-Kino an den Olympiasee.
 
Kuriosa
So ein Leben macht kreativ bis übermütig und liefert jede Menge Anekdoten über kuriose Ereignisse. Ein paar Auszüge: Es regnet Orangen vom Hochhaus, dann steht da oben eine Snowboardrampe. Außerdem: Flitzer in den Gassen, Parkourläufer auf dem Balkon, headbangende Rocker bei einer Hochzeit in der dorfeigenen Kirche – und Mutti, die wöchentlich zum Putzen anreist.
 
Luft
Berlin hat seine Luft, das Olydorf auch. Noch bei Dauerregen zieht der Geruch von Grillkohle durch die Gassen, an jeder Hausmauer lehnt ein Rost. Gebraten wird alles, und auch das Gestell muss nicht lange halten. Das Dorf ist eine Ein-wegstraße, in der sich die Reste der Wegwerfgesellschaft in den Tonnen türmen.

Auf der nächsten Seite liest du, wo Münchens kleinster Pub steht und warum Thomas Gottschalk mal im Olympiadorf gewohnt hat.



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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Mentalität
„Sautolerant“ seien die Dorfbewohner, sagt Eva Schleippmann vom O’Connolly’s (siehe Pub). Und anspruchslos. Vier Mal am Tag surrt das Haus, wenn zentral gelüftet wird. Und die Toilette liegt nur hinter einer Glasschiebetür. Sonst ist der Durchschnittsdörfler 24, freiheitsliebend, grillmanisch und Teamworker.
 
Nachbarschaft
Der eine hat den Beamer, der zweite die Jalousie. Sie frühstücken in der Gasse, spannen Wäscheleinen zum Nächsten, lernen gemeinsam. Kündigen sich Eltern an, weicht jemand in der Gasse zur Freundin aus. Und angeblich braucht es keine fünf Minuten, bis ein passendes Handy-Ladekabel gefunden ist.
 
OZ, OEZ ODER OWF
Etwas verwirrend sind die vielen Abkürzungen, die bei den Dorfbewohnern für die Stationen der Linie U3 gebräuchlich sind. Das Olympiadorf liegt im Oberwiesenfeld OWF, Haltestelle ist aber das OZ, und wer Klamotten braucht, fährt zum Olympiaeinkaufszentrum OEZ. Klar?
 
Pub
Der kleinste Pub der Stadt ist das O’Connolly’s in Bungalow U07. Eva Schleippmann stellt Kunst in ihre Vitrine und lädt jeden zweiten Donnerstag ins Parterre zu Guinness, für das der Gast eine Spendendose füttert.
 
Quickie
Bunga-bunga ist ein beliebtes Gesprächsthema im Dorf, weil es interessant ist, wer am Morgen aus der falschen Haustür tritt. Quickies im Freien sind selten. Logisch, man hat es ja nie weit nach Hause.
 
Rote Stadt
Eigentlich besteht die „Rote Stadt“ nur aus ein paar Ziegelsteinmauern. Graffitisprayer, Parkourläufer und Kinder haben die abstrakten Bauten erobert. Fern von Straßen klettern sie durchs Treppen-Tunnel-Geflecht im Park.
 
Silvia Sommerlath
Es war einmal eine Hostess, die traf bei Olympia ihren König. Silvia Sommerlath, heute besser bekannt als Königin Silvia von Schweden, wohnte allerdings nicht im Dorf, sondern in der Studentenstadt Freimann.
 
Thomas Gottschalk
Thomas Gottschalk war nach Olympia 72 und vor der Fußball-WM 74 im Dorf daheim – im selben Apartment-Haus wie der damalige Bundesminister Vogel. Im Aufzug fuhr er mit Wachleuten und Maschinenpistolen. Weibliche Begleitungen soll das ganz schön beeindruckt haben.
 
Umzug
Es kursiert das Gerücht, dass 90 Prozent der Umzüge innerhalb des Dorfes ablaufen, weil Wohnwert und Lebensqualität so hoch sind, dass keiner ausziehen will. Wenn doch, sind Einkaufswagen und Obi-Karren im Einsatz, und manchmal wird ein übriges Klavier verschenkt.
 
Vitrinen
In den neuen Häusern wurden Fenster auf Brust- und Taillenhöhe gebaut, die nachträglich aber mit Sichtschutzplatten versehen wurden. So entstanden unverhofft Vitrinen, in denen die Studenten jetzt ihre eigenen kleinen Ausstellungen erschaffen: Bei Jungs sieht man Fußballschals oder Bierkrüge. Mädchen setzen auf Pumps, Orchideen oder Oma-Geschirr. Origineller: OP-Besteck oder Bilder einer türkischen Hochzeit.
 
Wirsing
Er ist der Bungalow-Vater: der Architekt Werner Wirsing. Schon während der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg beschäftigte sich der heute 92-Jährige mit Studentenhäuschen und wurde vielfach ausgezeichnet.
 
X-Gasse
Die beliebteste Häuserreihe ist X, weil sie hinten bei den grünen Hängen liegt. Sie ist kurz, ruhig, ohne Laufkundschaft und garantiert die beste Lage für Konzerte und Feuerwerk vom nahen Stadion.
 
Y-Chromosom
Yoga, Yorkshireterrier, Yucca-Palmen gibt es im Dorf. Nur keine Gasse Y. Dafür ist das Y-Chromosom unter den Studenten stark vertreten: Immerhin 52 Prozent sind Männer.
 
Zoo
„Oly-Zoo – 1 054 Sichtbetongehege Homo sapiens“, steht an einer Wand. Zu den Nachteilen des Lebens hier gehören Schüler, Studenten und Touristen, die die Bungalows von innen sehen wollen.

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