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„Die Älteren ,littern’ eher allein“
Über eines muss man nicht diskutieren: Müll nervt! An der Isar. Am Kulturstrand. Wer seinen Abfall liegen lässt, ist ein Idiot. Aber ist er auch zwangsläufig ein Jugendlicher? Oder machen Ältere genauso viel Dreck? Wir haben jemanden gefragt, der sich damit auskennt: Dr. Rebekka Gerlach, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Humboldt-Innovation GmbH – ein Tochterunternehmen der Humboldt-Universität in Berlin –, forscht zum Thema „Littering – Merkmale, Ursachen, Prävention“. Was man schließlich sehr dringend diskutieren sollte: Warum lassen Menschen ihren Müll liegen? Und was lässt sich dagegen tun?
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
jetzt.de: Frau Gerlach, was sind die häufigsten Ursachen, aus denen Menschen ihren Müll liegen lassen?
Rebekka Gerlach: Bequemlichkeit und Gewohnheit.
Ist den meisten die Umwelt auch einfach egal?
Nein. Nur den Wenigsten. In unserer Studie haben wir Teilnehmern Computerbilder mit Fällen von „Littering“ gezeigt und dann die Pupillenerweiterung gemessen. Wenn sich die Pupille bei einem Bild erweitert, dann deutet dies auf eine emotionale Anspannung hin. Das heißt, dass das Bild emotional negativ bewertet wird. Sowohl Erwachsene als auch Jugendliche reagierten auf diese Bilder mit einer signifikanten Pupillenerweiterung. Das ist ein Zeichen dafür, dass Umweltbewusstsein also durchaus existiert. Es wird aber von schlechten Gewohnheiten überlagert und die sind nun einmal sehr schwer zu verändern.
Gibt es den typischen „Litterer“?
Nein, nicht wirklich. Es gibt Gruppen, bei denen „Littering“ häufiger vorkommt. Oft wird in Stadtteilen mit einkommensschwachen Schichten mehr Müll liegen gelassen. Auch Raucher, Jugendliche und vor allem junge Erwachsene sind vertreten. Man glaubt zwar immer, dass die ganz Jungen am schlimmsten sind, aber die 20- bis 30-Jährigen sind keineswegs vorbildhafter. Viele glauben auch, dass Obdachlose viel Müll liegen lassen, dabei stimmt das gar nicht.
Wie unterscheidet sich das Litter-Verhalten von Jungen und Alten?
Jugendliche littern eher in Gruppen, in denen sie sich ja meist aufhalten. Sie folgen in der Regel nicht den gesellschaftlichen Normen, sondern denen der Clique. Wenn die Gesellschaft sagt, es sei schlecht, Müll einfach auf den Boden zu werfen, dann ist es für sie eben cool, genau das zu tun. Die Älteren littern eher allein und unbeobachtet, denn sie wissen ja, dass sie das eigentlich nicht tun sollten.
Die Kampagnen gegen die Verschmutzung an der Isar scheinen großteils wirkungslos zu sein. Was denken Sie über kreative Sensibilisierungsversuche? Können „Müllfeen“ in knappen Outfits Bewusstsein für das Problem schaffen?
Eigentlich ist es immer ein guter Ansatz, mit Leuten zu reden und auf sie zuzugehen. Ich frage mich nur, wieso man bei derartigen Kampagnen nicht einfach Psychologen fragt, ob auch sinnvoll ist, was man tut. Abgesehen von dem Sexismus der Aktion, der viele gestört hat, funktionieren solche aggressiven Strategien einfach nicht. Diejenigen, die man eigentlich motivieren möchte, fühlen sich provoziert. Der Bezug zum eigentlichen Problem – dem Müll – rutscht in den Hintergrund. Solche Kampagnen verfehlen das Thema.
Was ist mit Humor? An der Isar wurden lustige Schilder aufgestellt.
Humorvoll kann man Schilder natürlich gestalten. Man sollte nämlich unbedingt negative Formulierungen vermeiden. Es ist wirksamer, wenn auf einem Schild „Bitte halten Sie die Isar sauber“ steht, statt „Lassen Sie Ihren Dreck nicht liegen“.
Weil damit unser Trotz nicht aktiviert wird?
Ja genau. Bei Ermahnungen kommt es schnell zu Abwehrreaktionen.
Wieso eigentlich?
Um es einfach zu erklären: Wenn Ihnen eine Person sagt „Tun sie das nicht!“, reagiert man meist mit einer Abwehrreaktion. Man fühlt sich ja als autonomes Wesen, das eigenständig entscheiden kann. Wenn ich Ihnen mit erhobenem Zeigefinger sage, was Sie tun oder lassen sollen, bekommen Sie schnell einmal das Gefühl, Ihr Selbstwertgefühl schützen zu müssen und gehorchen deswegen erst recht nicht. Es ist deswegen wichtig, diese sehr menschlichen Abwehrreaktionen gar nicht erst zu provozieren.
Also bringen weder „Müllfeen“ noch seriöse, uniformierte Aufpasser etwas?
Zweitere schon. Aber nur, wenn sie einem auf Augenhöhe begegnen. In Hamburg wurden etwa "Kümmerer" eingesetzt, die versuchten Menschen auf der Straße für das Problem zu sensibilisieren. Man sollte den Leuten das Gefühl geben, dass man ihnen nur dabei helfen will, ihre gute Absichten umzusetzen.
Wie kann man hier dem Müllproblem also am effektivsten begegnen?
Kommt darauf an: An der Isar entsteht viel Müll beim Grillen. Da muss man sich dann spezifisch überlegen, welche Behälter man dort hinstellt, also welche am nützlichsten für diese Art von Müll sind. Alleine mehr Abfallbehälter aufstellen wirkt in der Regel nämlich nicht, das hat unsere Studie gezeigt. Am effektivsten ist es, wenn verschiedene Maßnahmen miteinander kombiniert werden und sie gestaffelt zum Einsatz kommen: zuerst eine Plakatkampagne, dann eine Aktion wie die der „Kümmerer“ und zum Schluss ein Bußgeld.
Geldstrafen können also auch etwas bewirken?
Ja. Das Problem bei Bußgeldern ist aber, dass man dazu intensive Kontrollen braucht. Wenn Leute nicht konsequent bestraft werden, kann das negative Verhalten sogar zunehmen. Strafen sind meist wirksam, aber man muss für die Kontrolle und Umsetzung viel Geld ausgeben. Außerdem setzen solche Aktionen nicht am Verantwortungsbewusstsein der Bürger an.