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Endlich daheim

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Auch das ist ja leider eine Etappe dieses Erwachsenwerdens: aus beruflichen Gründen in neue Städte ziehen, ohne dort Verwandte, Freunde oder überhaupt irgendeine Ahnung zu haben. Als ich vor zwei Monaten nach München gezogen bin und weder wusste, was der Stachus ist, noch wie viele Pinakotheken es denn jetzt eigentlich gibt, begann so eine Etappe für mich: Berlin trifft München. Neue Menschen. Neue Clubs. Neue Codes. Und mit ihnen diese fieberhafte Suche nach Orten, die uns einflüstern: Du wohnst jetzt hier, du gehörst dazu. 

In unseren Heimatstädten ist das noch klarer. Da bedeutet Zugehörigkeit, die guten, die passenden Läden zu kennen. Leider machen wir den Fehler, diese Logik auch auf neue Städte anzuwenden. Also lauschen wir in der Kantine, was aktuell die „szenigsten Kneipen“ sind (die wir in fremden Städten mit etwas Pech vielleicht sogar so nennen). Wenn wir dann zum ersten Mal Besuch bekommen, spazieren wir brav ins Museum Brandhorst, trinken einen Kaffee im Vorhoelzer Forum auf dem Dach der TU und abends noch ein Bier in einer dieser Kneipen, die ein Blog empfiehlt.  

Vielleicht haben wir in der Kantine besonders gut zugehört und kennen schon einen coolen Club oder die beste Eisdiele, damit wir noch mit Insiderwissen glänzen können. Alles in allem können so ein paar sehr schöne Tage vergehen. Spätestens, wenn der Besuch dann weg ist, klopft aber wieder diese fiese Frage an. „Naaaa“, erkundigt die sich mit schnarrender Stimme, „wie sehr zu Hause fühlst du dich denn schon wirklich?“ 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Im Nachtleben finden wir vielleicht Inspiration. Aber nicht den Boden unter den Füßen, den wir in einer neuen Stadt brauchen.

Und mit der Stimme kommt die Wahrheit: dass die aufgeregte Suche nach dem Place-to-be oder der Versuch, die szenigste Kneipe aufzuschnappen, eigentlich nie das bringen, was wir suchen – das Gefühl, irgendwie angekommen zu sein. 

Weil: Die Welt der Kneipen und Clubs mit ihren schillernden Höhen und ihren rauschenden Tiefen ist ja gerade nicht das, was uns an einem Ort erden könnte. Und die Glitzerwesen, die wir dort kennenlernen, sind eher nicht die Menschen, die uns beim ersten Heimweh den Rotz von der Nase wischen. In den Szene-Läden finden wir vielleicht Inspiration, aber nicht den Boden unter unseren Füßen. Und den brauchen wir für die ersten Schritte in einer neuen Stadt dringender. 

Mit dem Gefühl des lockeren Dazugehörens ist es allerdings wie mit der Liebe – oder Mülleimern auf Münchens Straßen: Wer krampfhaft danach sucht, wird nicht fündig. Denn das Gefühl ist scheu. Es lässt sich nicht erzwingen. Es umgibt uns eher dort, wo wir es nicht erwartet haben: Wenn wir nach der Arbeit noch schnell schwimmen gehen zum Beispiel, und plötzlich genauso selbstverständlich unsere Bahnen ziehen, wie alle anderen. Dann ist es, als hätte uns das Chlorwasser assimiliert, uns eins gemacht mit den Bürgern dieser Stadt. Wir tauchen kurz auf und schauen uns um, aber keiner merkt was. Szenen grenzen aus. Wasser macht gleich. Keiner merkt hier, dass wir bis vor Kurzem nicht mal wussten, wo der Stadtteil liegt, indem das Schwimmbad ist. 

Die Augen von Barkeepern können nicht so glitzern wie die von Kioskmännern. 


Ähnlich ist das am Kiosk. Im Englischen Garten rumzulungern, ist noch lange kein Zeichen dafür, auch wirklich in München zu wohnen. Alle paar Tage am Kiosk im Englischen Garten eine Tüte mit gemischten Gummibären oder ein Päckchen Kippen zu kaufen, schon. Spätestens, wenn in den Augen des Kioskmanns plötzlich ein kleines Glitzern auftaucht, weil er schon weiß, was es sein soll. Barkeeperaugen können so nicht glitzern. 

Es sind deshalb immer zuerst die Banalitäten, die uns wirklich beim Ankommen helfen. Die Wartezeit im MVV-Kundenzentrum, bei der wir wirken, als wäre das schon lange so, dass wir hier Monatskarten kaufen. Der Fahrradschlauch, den wir ja wohl nicht für unser Touri-Mietrad kaufen, sondern für das Rad, das uns so selbstverständlich zu unserem Arbeitsplatz trägt, wie andere Räder andere Bewohner dieser Stadt. 

Wenn wir sie gefunden haben, kann uns die Normalität das gute Gefühl geben, das Leben gehe auch in einer fremden Stadt ganz normal weiter. Wer Sätze sagen kann wie „Das ist mein Bäcker“, der hat es geschafft. Der ist viel näher dran am persönlichen Flair, das sich Menschen wünschen, die zu Besuch in einer fremden Stadt sind, als derjenige, der Clubs aus Blogs kennt. 

Glücklicherweise steht der Gipfel der Banalität, der uns in einer neuen Stadt ein kleines Zuhause gibt, an jeder Straßenecke: der Stromkasten. Ein Bier auf dem Stromkasten ist für solche bestimmt, die schon wissen, dass man gar nicht erst nach der szenigsten Kneipe suchen muss, sondern sein Bier lieber gleich am Kiosk kauft. Und wer so auf einem Stromkasten sitzt und über die Straße schaut, hat nicht nur einen guten Überblick, sondern endgültig das Gefühl: Ihr da unten, Bier hier oben. Und ich bin auch dabei.

Text: pia-rauschenberger - Foto: Alessandra Schellnegger

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