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Meine Straße: Richard-Strauss-Straße
Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir hier regelmäßig junge Münchner, uns ihre Straße zu zeigen – die schönsten Ecken, die besten Läden, die schrulligsten Typen, die nettesten Anekdoten. Heute:
Vilmos, 32, Mediengestalter
Ich wohne seit neun Jahren in dieser Straße und habe fast die gesamte Baustellenzeit mitbekommen, in der sie untertunnelt wurde. Mein Wohn- und Schlafzimmer geht direkt zur Baustelle raus. Seither kann ich, egal wo ich bin, mit offenem Fenster schlafen. Lärm stört mich nicht mehr. Die Baustellenzeit war auch sehr anstrengend für die Läden hier. Man muss schon einen sehr guten Ruf haben, dass man so etwas unbeschadet übersteht. Viele Geschäfte sind eingegangen.„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Der Tankstellenbesitzer der Aral hat 2011 vor lauter Verzweiflung über die Baustelle und das schlechter werdende Geschäft sogar seine eigene Entführung vorgetäuscht, um irgendeinen Profit aus der Sache zu schlagen. Flog dann aber auf. Für mich ist es super, dass die Tankstelle heute noch da ist, denn sie hat rund um die Uhr geöffnet und gehört zu den Münchner Tankstellen, die eher einem kleinen Supermarkt gleichen.
Das Eiscafé Buongiorno an der Ecke zur Mühlbauerstraße ist auch schon das dritte Geschäft in diesem Haus, seit ich hier wohne. Aber ich glaube, es wird Bestand haben. Es gibt hier hervorragendes selbstgemachtes Eis und frische Crêpes. Und im Sommer sitzen rundherum an den Tischen und auf den Grünflächen am Straßenrand Menschen und genießen die Abendsonne, die die Straße flutet.
An der Ecke Stuntzstraße gibt es das Bistro Bella Luna, das ist das Herz der Straße und hat nur ganz wenige Gerichte auf der Karte. Die sind dafür aber alle günstig und top. An der Spontan-Cocktailbar kann man toll sehen, wie sich Ladenkonzepte an die Realität anpassen. Anfangs war alles total auf Cocktails ausgerichtet, aber das hat bei den Anwohnern überhaupt nicht gezogen. Im Laufe der Zeit haben sie die Cocktailauswahl auf fünf reduziert, schenken hauptsächlich Bier aus und spielen Schlagermusik. Jetzt ist das ein sehr geselliger, bodenständiger Anwohnertreff geworden, und wenn man mal einen Cocktail bestellt, merkt man, dass die Bedienungen damit mittlerweile selbst überfordert zu sein scheinen.
Das Wirtshaus Naumanns Hüttenwirt kann ich ebenfalls empfehlen. Da gibt es sehr gute bayerische Küche. Seit einigen Jahren gibt es außerdem einen großen Rewe und einen Basic-Biomarkt in der Straße, bei dem ich mich immer ein bisschen über das Publikum wundern muss: Sich sehr „umweltbewusst“ wähnende Bio-Einkaufmuttis, die dann in ihrem SUV mal eben über den Gehweg noch zum Rewe rüberrollen und dort das besorgen, was sie im Bioladen nicht kriegen. Aber gut, die Gehwege sind hier halt auch sehr breit, selbst der DHL-Wagen benutzt ihn bei der Paketauslieferung als Straße.
In der Richard-Strauss-Straße befindet sich übrigens auch das unfallbelastetste Haltestellenhäuschen Münchens – schon drei Mal habe ich miterlebt, wie da jemand reingefahren ist. Und ich verstehe es einfach nicht, denn es liegt auf völlig gerader Strecke.
Mein liebster Abhängort ist der Böhmerwaldplatz. Da gibt es eine große Liegefläche und außen herum Bänke. Es sitzt sich schön dort und außerdem mischt sich das feine Bogenhausen in das einfachere Bogenhausen der Richard-Strauss-Straße.
Was ich sonst toll finde, ist, dass die Stadt hier schon so dicht ans Land rankommt. Man ist ja nach dem Mittleren Ring praktisch direkt auf den Feldern, und wenn der Wind richtig steht, odelt es hier manchmal richtig. An der U-Bahn gibt es noch einen gut sortierten Obstmann und hier bleiben an klaren, sonnigen Tagen abends oft die Leute kurz stehen, bevor sie ins Untergeschoss abtauchen und machen ein Foto davon, wie auf dem Hypohochhaus am Ende der Straße die untergehende Sonne orange-golden reflektiert wird.
Text: mercedes-lauenstein - Foto: juri-gottschall