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Meine Straße: Taubenstraße
Niemand kennt eine Straße so gut wie die Menschen, die in ihr leben. Deshalb bitten wir hier regelmäßig junge Münchner, uns ihre Straße zu zeigen – die schönsten Ecken, die besten Läden, die schrulligsten Typen, die nettesten Anekdoten. Heute:
„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.
Illustration: Julia Schubert
Laura, 31, Journalistin
Die Taubenstraße in der Au ist so klein und kurz, dass nicht einmal die Taxifahrer sie kennen. Ich komme ursprünglich aus Hamburg und habe damals direkt auf der Reeperbahn gewohnt, das war das absolute Gegenprogramm.Am Ende der Straße werden die Häuser kleiner und man kann sich vorstellen, wie es hier aussah, als München noch aus lauter Dörfern bestand. Gleich hinter den Häuschen geht es den Nockherberg hoch, hier gibt es kleine Mini-Terrassenbeete, in denen Gemüse und Blumen wachsen, sie sind jeweils etwa so groß wie mein Balkon und gehören einigen Anwohnern. Zwei, drei öffentliche Wege führen aber zwischen ihnen hindurch und ich gehe gern dort entlang oder setze mich auf die Stufen und gucke hinunter auf die Straße. Es gibt auch zwei Kruzifixe und wenn du das Stadtpanorama ausblendest, denkst du, du bist in Tirol.
Immer zur Nockherbergzeit laufen hier viele in Trachten gekleidete Jugendliche herunter und lachen und albern rum, und ich sitze dann auf meinem Balkon und gucke runter wie eine alte Oma und beobachte sie.
In der Österia kaufe ich meinen Rotwein, die haben dort eine gute Auswahl, das ist sehr praktisch. Mein Stammwirtshaus aber ist das Wirtshaus zum Alten Kreuz gleich um die Ecke in der Falkenstraße. Die erkennen mich dort mittlerweile am Telefon schon an meiner Stimme. Ich muss nur „Hallo!“ sagen, da ruft die Frau am anderen Ende schon in die Küche: „Kleiner Schweinsbraten zum Abholen mit zwei Kartoffelknödeln, viel Soße, viel Kruste, ohne Kraut!“ Das ist mal echtes Heimatgefühl.
In meiner Straße, aber überhaupt in der näheren Gegend, gibt es noch viele alte Ladengeschäfte im Erdgeschoss, die zu Wohnungen geworden sind oder seltsamen Hybrid-Orten, die ich noch nicht ganz durchschaut habe. Zum Beispiel gegenüber meines Hauses, da ist ein Laden unten drin, der lauter alte Uhrenwerbungspappaufsteller von Breitling oder Rolex im Schaufenster hat, drinnen steht aber nur ein alter Ledersessel und ein Schreibtisch. Manchmal sitzen da Typen und reden, aber ich habe noch nie jemanden durch den eigentlichen Eingang rein- oder rausgehen sehen. In einem anderen Laden hier um die Ecke ist es ähnlich: Da sitzen manchmal Freunde zusammen und trinken, aber es scheint weder ein Laden, ein Büro, eine Wohnung, noch eine öffentliche Bar zu sein.
In der Falkenstraße um die Ecke gibt es seit einigen Jahren das Solino Café, mit kleinen Tischchen draußen und einem Kunstverkauf drinnen. Es ist eine schöne Alternative zu anderen Cafés wie etwa das Miss Lilly’s hier in der Gegend.
Und dann gibt es noch den Eiermann, der zu meinem Leidwesen jeden Sonntag um 13 Uhr mit seinem VW-Bus vorgefahren kommt und ewig seine laute Klingel schüttelt. Das ist zwar süß, aber ich finde es, wenn ich ehrlich bin, auch total nervig, denn gerade Sonntags schlafe ich um 13 Uhr noch.
Ich mache manchmal kleine Feiern mit meinen Freunden auf meinem Balkon, durch mein Küchenfenster werden Drinks serviert und wir sitzen bis spät nachts zusammen und hören Musik. Das ist wirklich erstaunlich in dieser ruhigen, kleinstädtischen Straße: Man kann laut Musik hören, ohne, dass jemand die Polizei ruft.
Und ich muss unbedingt noch meinen tollen Hausmeister erwähnen, der immer so lieb zu mir ist, weil er sagt, dass ich ihn an seine Tochter in Griechenland erinnere. Und er erinnert mich auch an meinen Vater! Neulich wollte ich mein Fahrrad gerade zur Reparatur bringen, da hat er es mir aus der Hand genommen und gesagt: „Das repariere ich für dich.“ Trotz meiner Widerrede hat er darauf bestanden und einige Tage später stand mein perfekt hergerichtetes Rad im Hinterhof.
Text: mercedes-lauenstein - Foto: juri-gottschall