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"Schuhe sind in Kenia ein Statussymbol"

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In München studiert Reyhaneh Scharifi Ethnologie mit dem Schwerpunkt visuelle Anthropologie. Die 28-Jährige ist viel gereist; Iran, Albanien, Mali, Ägypten, Türkei, China und Kenia. Überall seien ihr die Schuhputzer aufgefallen, sagt sie, also will sie jetzt einen Dokumentarfilm drehen. Weil in Kenia bald Präsidentschaftswahlen sind, beginnt sie in Nairobi – trotz möglicher Unruhen.
 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



jetzt.de: Das Auswärtige Amt warnt, dass es während der Präsidentschaftswahlen im März in Kenia zu Unruhen kommen könnte. Ihr wollt genau in diesen drei Wochen in der kenianischen Hauptstadt Nairobi drehen. Könnt ihr nicht wann anders filmen?
Reyhaneh Scharifi: Theoretisch ginge das schon, die Schuhputzer sind immer interessant. Aber Wahlen sind ein guter Moment, sie sagen sehr viel über das Land aus. Ich war 2007 während der letzten Präsidentschaftswahl in Kenia. Damals haben die Leute sich fast ausschließlich über Politik unterhalten, darüber, wer das Land regieren wird. Da wurde sehr hitzig diskutiert.
 
Auch mit den Schuhputzern?
Ja, gerade die kriegen sehr viel mit, die arbeiten ja an Hot-Spots, also dort, wo viele Menschen sind. Sie bekommen sehr genau mit, ob es Spannungen und Veränderungen gibt. Und Schuhe putzen, das dauert immerhin knapp 15 Minuten. Da redet man natürlich über das, was einen beschäftigt.
 
Nach der letzten Wahl kam es zu Ausschreitungen: 1 200 Menschen wurden umgebracht. Hast du keine Angst, dass es erneut eskalieren könnte?
2007 bin ich während der Ausschreitungen in einen Slum gegangen. Ich wollte Freunden von mir dort Nahrungsmittel bringen. In dem Slum habe ich gesehen, wie Menschen erschossen wurden. Ich habe also auch jetzt Angst. Ich bin aber optimistisch und glaube, dass sich das nicht wiederholen wird. An dem Film arbeiten fünf Leute mit und zwei davon, Peter und Lameck, leben in Kenia. Sie sagen, dass sämtliche Initiativen und Organisationen versuchen, die Leute zu beruhigen, damit sich das nicht wiederholt.
 
Und wenn das nicht reicht?
Ich habe mir versprochen, dass ich dieses Mal keine Grenzen überschreiten werde. Vor allem, weil ich mit Mehmet und Fabian da auch zwei Leute mit reinziehe, die das vielleicht nicht abschätzen können. Das Projekt birgt ein Risiko, das wissen wir aber auch. Wir haben uns dafür entschieden, es durchzuziehen. Wenn wir merken, dass die Gefahr zu groß wird, ziehen wir uns zurück. Wir verlassen uns auf unser Gefühl und die Kenntnisse von Peter und Lameck.

Warum habt ihr euch dazu entschieden, Schuhputzer zu begleiten?
Wir glauben, dass wir sehr viel über Nairobi und Kenia herausfinden, wenn wir die Schuhputzer begleiten. Schuhe sind ein Statussymbol in Kenia. Sobald du an einem Menschen vorbeigehst, wandert sein Blick nach unten, er mustert deine Schuhe. In der trockenen Jahreszeit werden die Schuhe schnell staubig, in der Regenzeit matschig. Die Schuhe werden also mindestens einmal pro Woche geputzt. Die Schuhe müssen gut aussehen, wenn man in der Stadt ist. Darum arbeiten viele Schuhputzer auch in den Slums.
 
Damit die Schuhe geputzt sind, noch bevor die Menschen in der Stadt ankommen?
Genau. Die Menschen lassen sich an den Bushaltestellen ihre Schuhe putzen, damit keiner merkt, dass sie in einem ärmlicheren Stadtteil wohnen.
 
Wie wollt ihr Kontakt aufnehmen zu den Schuhputzern?
Das haben wir schon. Peter kennt drei Schuhputzer, sie sind mit ihm zur Schule gegangen und machen gerne mit. Ohne Peter und Lameck würden wir das sowieso nicht schaffen, die beiden haben die inhaltliche Recherche komplett übernommen. In nur drei Wochen zu dritt als weiße Menschen aus Europa einen authentischen Dokumentarfilm zu drehen, hätten wir nicht geschafft. Alleine vom Zugang her, wie nahe die Menschen uns heranlassen würden. Ich kann zwar Suaheli, aber das reicht nicht für tiefgründige Gespräche. Durch Peter und Lameck sind wir direkt dabei. 

An dem Projekt arbeiten fünf Leute mit, und alle führen Regie, laut eurer Eigenbeschreibung. Wird das nicht stressig?
Ich habe schon mal einen Dokumentarfilm gedreht, bei dem alle alles gemacht haben. Das war total stressig, aber dadurch war das Ergebnis am Ende demokratisch. 
 
Mehmet ist Filmemacher, du hast Dokumentarfilme gedreht, die anderen drei hingegen haben keinerlei Erfahrungen beim Film. Warum sollten sie sich also hinter die Kamera stellen, wenn da schon zwei Profis sind?
Ich finde es wichtig, dass alle Beteiligten sich gleich behandelt fühlen. Ich will nicht, dass wir aus diesem Teil der Welt nach Kenia reisen und dort dann sagen: So und so funktioniert das.     

Auf der Crowdfunding-Seite startnext.de versucht ihr, Unterstützer zu gewinnen. Momentan steht ihr bei 1 900 Euro von 3 333. Habt ihr die Tickets schon gebucht?
Das machen wir diese Woche. Aber mit einer Reiserücktrittsversicherung.

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