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Opfer der kollektiven Unachtsamkeit?

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Es ist ein Szenario, das so unwirklich anmutet, dass man es wohl kaum glauben würde, wäre es nicht von einer Überwachungskamera genau so aufgezeichnet worden: Zunächst war alles ganz normal, ein Pendlerzug in San Francisco. Menschen auf dem Weg in die Arbeit, den Blick starr auf den Bildschirm ihrer Smartphones gerichtet. Die Außenwelt ausgeblendet. Als einer der Fahrgäste seine 45-Kaliber-Pistole zog und sie auf einige der Personen im Abteil richtete, merkte es: niemand. Offensichtlich waren alle zu abgelenkt. Für einen Fahrgast endete seine und die kollektive Unachtsamkeit tödlich: Ein 20-jähriger Student war letztlich das Zufallsopfer des Attentäters. Bevor er aussteigen konnte, traf ihn eine Kugel in den Rücken. Erst dann registrierten die übrigen Fahrgäste den Killer.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert



Natürlich läuft man nicht jeden Tag Gefahr, bewaffnete Mörder zu übersehen, aber dieser Fall illustriert, wie wenig Aufmerksamkeit viele von uns ihrer Umgebung zuteil werden lassen. Es sind meistens viel kleinere und unauffälligere Menschen und Dinge, die man verpasst, wenn man sich auf nichts außer den kleinen Bildschirm vor einem konzentriert.

Die Barriere, die man durch die Stöpsel im Ohr oder das emsige Tippen auf dem Mobiltelefon zur Außenwelt herstellt, ist manchmal auch ganz praktisch. Wenn man gerade einfach keine Lust hat, von den beiden angetrunkenen Jungs angequatscht zu werden oder wenn man die ehemalige Mitschülerin lieber übersehen will, zum Beispiel. Trotzdem ist es schade, wie viel einem entgeht, wenn man seine Umwelt so ausblendet. Vielleicht wäre man mit einem besseren Gefühl nach Hause gegangen, wenn man dem alten Herrn geholfen hätte, der den Weg nicht mehr wusste? Vielleicht hätte sich ein nettes Gespräch mit der Mitschülerin von früher entwickelt? Rausfinden kann man das nur, wenn man nicht vergisst, auch ab und an mal aufzublicken. Vielleicht würde die U-Bahn dann ein bisschen weniger wie ein Sammelbecken für Smartphone-Sklaven wirken.

Wie ist das bei dir? Welche U-Bahn-Handy-Geschichten hast du schon erlebt? Wie oft wandert dein Blick aufs Handy-Display, wenn du unterwegs bist? Blendest du deine Umgebung komplett aus, sobald deine Finger über die Tasten fliegen, oder kriegst du trotzdem noch was mit von deiner Umwelt?

Text: lisa-freudlsperger - Foto: mesiu / photocase.com

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