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In der U-Bahn stinkt es, es ist stickig und warm und dann setzt er sich auch noch direkt neben mich: der unangenehmste Banknachbar der Welt. Er riecht schlecht, hustet ohne sich die Hand vor den Mund zu halten und motzt fleißig den Rest des Abteils an, der für ihn scheinbar durchweg ungehobelt ist. Ich beginne zu überlegen, wie ich hier am schnellsten raus komme... oder ist das zu unhöflich?

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Vor einem Jahr schrieb die Soziologin Esthe Kim von der Yale University in New Haven, Conneticut, einen Artikel über dieses Phänomen. In „Nonsocial Transient Behavior“ erklär sie, warum und wie man sich aktiv dagegen wehren kann, dass fremde Menschen sich neben einen setzen. Nämlich indem man unsympathisch wirkt. Man soll zum Beispiel positiven Blickkontakt tunlichst vermeiden, laut Musikhören oder bei längeren Reisen einen Film sehen. Noch besser ist es, sich breit zu machen und schlafend zu stellen. Wird man doch geweckt, soll man laut Kim so verrückt wie möglich schauen, um dem anderen Angst einzuflößen. Es gibt hunderte von Möglichkeiten, seinen eigenen Doppelsitz zu retten, und nur eines ist tabu: stinken.

Diese Taktiken will ich lernen! Dann müsste ich in der U-Bahn keine Angst mehr haben – vor Nachtschwärmern, die meine Turnschuhe mit Erbrochenem überziehen ebenso wenig wie vor miefigen und zweifelhaft sauberen Mitfahrern.

Es geht hier nicht nur um den Ekelfaktor, sondern auch um Peinlichkeiten, Langeweile und blankes Unverständnis. Es geht um die immergleiche Lebensgeschichte diverser Großmütter, schreiende Kleinkindern komplett überarbeiteter Mütter und –wichtig, wichtig - Geschäftsgespräche am Handy. Manchmal will ich einfach sagen: „Entschuldigung, aber was Sie gerade erzählen, ist so unsagbar doof, da setz ich mich lieber weg.“

Darf man das oder ist das verletzend? Was macht ihr um solche Situationen zu vermeiden? Und wie reagiert ihr, wenn ihr doch einen unangenehmen Sitznachbarn bekommt? Flüchtet ihr und setzt euch einfach weg? Oder kommt ihr nicht gegen euer Gewissen an und leidet deshalb still vor euch hin?

Text: johannes-drosdowski - Foto: Hackebeilchen/photocase.com

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