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„Alice Schwarzer wäre gar nicht stolz auf uns"

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„Frauen sollten sich nicht wie Schlampen anziehen, wenn sie nicht zu Opfern werden wollen“ – mit dieser Aussage hat der kanadische Polizist Michael Sanguinetti Anfang des Jahres einen Proteststurm ausgelöst, der nun auch nach Deutschland kommt. Am 13. August werden in ganz Deutschland sogenannte Slutwalks stattfinden, um gegen die Aussage des kanadischen Polizisten zu demonstrieren. Frauen und Männer laufen dabei in „Schlampen-Klamotten“ durch die Stadt. Lorena Jaume-Palasi ist im Organisationsteam für den Münchner Slutwalk.

jetzt.de: Lorena, denkst du, Alice Schwarzer wird am 13. August stolz auf euch sein?
Lorena Jaume-Palasi: Ich glaube, Alice Schwarzer wird überhaupt nicht stolz auf uns sein. Wir benutzen Begrifflichkeiten und Outfits, die sie absolut verurteilen würde. Für sie sind solche Outfits wohl eher eine Form der Unterdrückung der Frau und eine Beleidigung unseres Geschlechts. Wenn man den jungen Feminismus aber als etwas versteht, das die Geschlechtergleichheit zum Ziel hat, dann kann man davon bestimmt auch ein bisschen in den Slutwalks erkennen.
 

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


"Mein Rock kann euch egal sein" - Plakat einer Slutwalkerin auf einem Protestzug Ende Juli in Indien

Warum gibt es die Slutwalks jetzt auch in München? Schließlich ging es bei dem Ur-Walk um einen kanadischen Polizisten.
Die Antwort liegt in dem Wort „slut“. Man assoziiert damit Schmutz und Unordnung. Eine Schlampe ist eine degradierte Frau, sprich eine Frau zweiten Ranges. Dieses Wort hat nur eine Bedeutung – überall auf der Welt. Und es begegnet uns überall. Genau deshalb waren auch hier in Deutschland alle empört darüber, was da in Kanada gesagt wurde. Intuitiv kann sich jeder auf der Welt damit identifizieren. Deshalb solidarisieren wir uns jetzt auch hier in München damit.
 
Es ist bekannt, dass beide Geschlechter zum Opfer werden können. Warum dann der weibliche Begriff „slut“?
Das liegt einfach nur an der Aussage, dass man nicht als Schlampe herumlaufen soll, wenn man nicht vergewaltigt werden will. Dadurch hat er alle Männer, älteren Frauen und auch Kinder als Schlampen deklariert – denn auch diese Gruppen sind betroffen. Ich glaube allerdings nicht, dass eine 68-jährige Frau, die Opfer sexueller Gewalt geworden ist, mit hochhackigen Schuhen und Minirock durch die Stadt gelaufen ist. Der Begriff „Slutwalk“ soll deshalb auf ironische Art und Weise damit umgehen, dass für Sanguinetti anscheinend jedes Vergewaltigungsopfer eine Schlampe verkörpert – egal ob Mann, Frau, Kind oder Erwachsener.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert


Lorena Jaume-Palasi

Was ist die eigentliche Grundaussage des Walks speziell in München?
Ein Mensch, der aufreizend herum läuft, fordert dadurch niemanden auf, ihm sexuelle Gewalt anzutun. Wir wollen die öffentliche Meinung widerlegen, dass das Opfer automatisch eine Mitschuld trägt. Die Person, die sexualisierte Gewalt ausübt, ist der Täter oder die Täterin – sonst niemand. Eltern bläuen ihren Kindern ein, sich nicht zu aufreizend zu kleiden, um nicht zum Opfer zu werden. Das ist verständlich, aber doch der vollkommen falsche Denkansatz.
 
Was genau wollt ihr erreichen? Glaubst du, dass ihr überhaupt etwas ausrichten könnt?
Wir wollen erreichen, dass sich Opfer und potenzielle Opfer nicht länger von dieser angeblichen Mitschuld verunsichern lassen. Prävention soll nicht mehr ein längerer Rock sein, sondern eine aufrechte und selbstbewusste Körpersprache. Wir wollen gar keine bestimmte Gesetzesänderung oder dergleichen erreichen. Durch einen sich wiederholenden Diskurs soll sich langsam aber sicher etwas in der Gesellschaft verändern.
 
Seid ihr mit den Organisationsteams der anderen Städte vernetzt?
Wir besprechen, worauf man achten muss und wie man so eine Demonstration überhaupt organisiert. Das heißt aber nicht, dass wir eine homogene Gruppe sind. Wir sind uns sehr wohl bewusst, dass beispielsweise Berlin ein völlig anderes Pflaster ist als München.
 
Was sind das denn für Unterschiede zwischen Berlin und München?
In Berlin waren anfangs noch verstärkt Antifa- und Linke-Anhänger aktiv, mittlerweile hat sich das politische Spektrum dort auch ausgeweitet. Die Berliner planen außerdem eine riesige Warm-up-Party. Wir in München gehen das ein bisschen konservativer und ruhiger an. Wir veranstalten den Walk nicht als Party, und ich denke, hier in München werden auch weniger Teilnehmer in Strapsen oder Bikinis kommen.


Text: verena-kuhlmann - Foto: Lorena Jaume-Palasi, dapd

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