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Alles für den Herrn

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[b]Daniel G. Friesen, 22, Christlich-brasilianische Gemeinde München[/b] „Ich mag Publikum. Mein Wunsch ist es, gehört zu werden, als Musiker oder Prediger. Lieber als die Predigt sind mir die Möglichkeiten, die ich durch die Musik habe. Als Gitarrist und Sänger habe ich einen Weg gefunden, nicht nur meine eigenen Gefühle auszudrücken, sondern auch andere Menschen zu erreichen und ihnen von der Liebe Gottes zu berichten. Musik ist direkter als Worte. Das habe ich vor allem in Brasilien gespürt, wo ich drei Jahre auf eine christliche Musikschule gegangen bin und ich mich mit Sprache allein manchmal nicht verständigen konnte. Dort habe ich auch meine große Liebe kennengelernt, eine Brasilianerin, mit der ich seit Kurzem verheiratet bin. Hier in Deutschland habe ich auch einen richtigen, einen anderen Job: mit meinen beiden Brüdern zusammen führe ich einen eigenen Shop, das „Santo Loco“ in der Eisenmannstraße, wo wir Surf- und Boardwear verkaufen. Es nervt mich, dass man als Christ immer diesem Streber-Image unterliegt: der uncoole Erzieher mit dicker Brille. Die Leute denken bei mir, ich müsste doch eher ein Surfer als ein Gläubiger sein. Das stimmt ja auch. Nur will ich außerdem Menschen von Jesus erzählen. Christliche Werte sind gesellschaftliche, soziale Werte, die wir in diesem Land gut gebrauchen können. Aber Vielen fällt das gar nicht auf, weil wir noch immer sehr reich sind und es vielen Menschen gut geht. Wem es gut geht, der vergisst Gott oft. Erst, wenn irgendeine Notsituation kommt, erinnert man sich plötzlich wieder und fängt vielleicht an zu beten. Komische Reaktionen kommen schon manchmal. Auch bei den wöchentlichen Aktionen, die ich mit meiner Kirche, der „Christlich Brasilianischen Gemeinde“ jede Woche in der Stadt starte. Wir tanzen viel zu brasilianischer Musik, fordern die Leute auf zum Mitmachen und Zuhören. Wir sind laut und bunt. Das stört manche. Man trifft auf Unverständnis, wie früher in der Schule, als nur wenige verstanden haben, dass ich vor der Ehe keinen Sex möchte. Ich respektiere das aber, denn ich möchte über Niemanden richten.“


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

[b]Daniel Reichel, 33, katholischer Kaplan im Pfarrverband Erdweg[/b] „Gespürt habe ich lange schon, dass ich eigentlich Priester werden möchte. Ich habe aber vorher zwei andere Ausbildungen gemacht. Ich kann mich aber noch sehr gut an meine erste Predigt erinnern. Jedes Mal, wenn ich heute an der Kirche vorbeifahre, denke ich daran, wie nervös ich war. Und dass ich die Gemeinde unbedingt mitreißen wollte. Letztlich habe ich sie dann wohl etwas überfordert mit meinem Anspruch. Man muss sich als Pfarrer von dem Ideal freimachen, immer jeden einzelnen mit einer Predigt persönlich ansprechen zu können. Wenn das Hüsteln in den Reihen losgeht, dann weiß ich, dass ich zu komplex werde und besser zum Ende kommen sollte. Es ist heute sicher schwieriger, gut zu predigen, da die Kirchgänger aus freien Stücken zum Gottesdienst kommen. Den sozialen Druck, sonntags zur Messe zu gehen, gibt es nicht mehr. Ich spüre, dass ich den Menschen die Evangelien aufschlüsseln muss; einen Bezug zu ihrer Welt herstellen, damit die Botschaft ankommt. Das Schöne an meinem Beruf ist, dass er eben genau das ist: nahe am Leben. Ich finde den Gedanken schön, ein Kind zu taufen und dann auf seinem weiteren Lebensweg zu begleiten. Sicher gibt es auch in mir eine gewisse Wehmut, wenn ich glückliche Familien bei der Taufe ihres Kindes sehe. Zu wissen, dass ich dieses Gefühl des Eltern-Seins nie erleben werde, dass ich nie eine eigene Familie haben werde, ist manchmal schwer. Ich schaffe mir dafür meine Freiräume, auch außerhalb der Gemeinde, um mal bewusst Zeit mit Freunden zu verbringen, gemeinsam zu kochen oder nur mal fern zu sehen. Man muss als Prediger irgendwie auch nahbar bleiben, menschlich. Ich bedaure sehr, dass die katholische Kirche mit so vielen Vorurteilen zu kämpfen hat, auch wenn Einiges leider seine Berechtigung hat. Ich habe etwas die Sorge, dass dem Beruf das Ungezwungene verloren geht. Wenn ich beispielsweise mit meiner Ministrantengruppe ins Schwimmbad gehe, muss ich sicher sein, dass noch eine Aufsichtsperson dabei ist, wenn ich nicht im Café sitzen, sondern mit ins Wasser gehen will. Denn dann wollen die Kinder eben spielen, sich untertauchen. Und dieser Kontakt allein reicht oft schon, um Misstrauen gegenüber dem Pfarrer zu schüren. Das ist furchtbar – es sind Kinder. All das aber nehme ich in Kauf für den Beruf, oder besser gesagt: für die Berufung. Denn die ist in erster Linie eine sehr schöne.“


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

[b]Deborah Lieber, 19 Jahre, Vorsitzende des Verbands jüdischer Studenten München, aktives Mitglied der jüdischen Gemeinde am Jakobsplatz[/b] „Wenn ich den Jugendlichen die jüdischen Traditionen und Werte nicht weitervermittle, wer macht es dann? Ich finde es wichtig, ihnen zu zeigen, was für schöne Seiten das Judentum hat. Viele kennen sich nicht sehr gut aus, die Regeln sind ihnen zu kompliziert und zahlreich. Ich selbst bin auch nicht streng gläubig. Traditionell schon. Aber ich kasteie mich nicht mit der Einhaltung der über 600 Gebote. Koscher zu essen zum Beispiel ist natürlich nicht überall umsetzbar, also zwinge ich mich nicht dazu. Nächstes Jahr will ich anfangen, Psychologie zu studieren, aber bis dahin werde ich mich vor allem meiner Arbeit in der jüdischen Gemeinde und dem Verband jüdischer Studenten widmen. Den Ursprung hatte alles vor etwa vier Jahren, als ich fünfzehn war. Ich fing zum ersten Mal an, mich wirklich für meine Religion zu interessieren. Quasi von einem Tag auf den anderen bin ich regelmäßig in die Synagoge gegangen. Meine Eltern haben das nicht verstanden, obwohl sie selbst Juden sind. Schließlich haben sie mich vor die Wahl gestellt: Den Glauben aufgeben oder Ausziehen. Daraufhin bin ich mit siebzehn von daheim ausgezogen und habe seither keinen Kontakt mehr zu meinen Eltern. Das ist sicher das größte Opfer, das ich für meinen Glauben gebracht habe. Deswegen ist mir meine Arbeit auch besonders wichtig. Mit dem Verband jüdischer Studenten machen wir das, was alle Studentenorganisationen machen: Freizeiten, Partys, Ausflüge. Als jüdische Frau darf ich ja keine richtigen Gebete in der Synagoge leiten, aber schon das Beten vor den Jugendlichen und Studenten machte mich früher nervös. Heute genieße ich es, vor anderen zu sprechen und zu bemerken, wie sie mir zuhören. Die Menschen in meiner Gemeinde sind wie eine Familie für mich, keine andere Religion birgt so viel Zusammenhalt. Sicher ist das auch Ergebnis der Geschichte unseres Volkes. Heute ist es sehr schön, als Jude in Deutschland zu leben, auch wenn ich lange gebraucht habe, mich daran zu gewöhnen, dass unsere Synagoge immer von der Polizei bewacht sein muss.“


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

[b]Mesut, 27, Imam im islamischen Kulturzentrum München[/b] „Ich bin aus Neugier mit einem Freund von mir in die Moschee gegangen, weil der immer Koranlehrer werden wollte. Als ich in Berührung mit den Schriften des Korans kam, war ich selbst fasziniert. So habe ich meinen Beruf gefunden und drei Jahre lang die Koranschule besucht, bis ich Imam wurde. Das ist arabisch und bedeutet „Vorbeter“. Ich bin als Imam auf Spendengelder und Zuschüsse angewiesen, aber das ist es mir wert. Mir gefällt es gut: Ich lebe meinen Glauben zusammen mit meinem Beruf, wer kann das schon von sich sagen? Das erste Mal, als ich ein Gebet geleitet habe ist lange her, das muss während meiner Schulzeit gewesen sein. Ich durfte mit fünfzehn, sechzehn, einmal in der Moschee beten. Das heißt, laut vorbeten. Ich fand das nicht besonders schlimm, nur mit dem Arabisch hatte ich Probleme, denn meist werden die Gebete in eben dieser Sprache gesprochen. Türkisch und Arabisch haben zwar ähnliche Wurzeln, aber man versteht deswegen lange nicht alles. Wenn ich höre, dass die Gemeinde nicht mit mir zufrieden war, fällt es mir schwer, mit der Kritik umzugehen. Aber es überwiegen für mich die positiven Seiten. Auch die Tatsache, hier in Deutschland zu leben und zu arbeiten, gefällt mir. Außerdem mag ich die Arbeit mit Kindern. Wir geben hier im „Islamischen Zentrum“ Nachhilfeunterricht in den normalen Schulfächern und in Religion. Die Kinder sollen im Kontakt mit beiden Kulturen stehen. Einen Missionsauftrag wie im Christentum gibt es im Islam allerdings nicht. Ich sage immer, dass wir schon genug damit zu tun haben, die Muslime auf den rechten Weg zu bringen. Wir haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Manche sind leider wahr, aber die Medien verstärken das negative Bild noch. Die Nachbarn hier sind glücklicherweise alle sehr offen und freundlich. Wir dürfen während des Ramadans sogar eine nahegelegene Kirche für unsere Gebete nutzen, weil hier so wenig Platz ist. Dafür bin ich sehr dankbar.“


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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

[b]Alexandra Zittinger, 23 Jahre, Missionarin der Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage[/b] „ Missionsarbeit ist eine der schönsten Aufgaben des Christseins, weil man die Möglichkeit hat, den verschiedensten Menschen zu begegnen und sie auf die für sie richtige Weise zu erreichen. Eigentlich war es gar nicht so schwer, fremde Menschen anzusprechen – auch auf der Straße nicht. „Hast du schon einmal vom Buch Mormon gehört?“ fragte ich einfach. Wenn ich Glück hatte, kam ich mit den Menschen ins Gespräch und habe sie zusammen mit meiner Missionspartnerin Zuhause besucht. Ein paar Menschen haben sich nach der Begegnung auch taufen lassen, was natürlich ein schöner Erfolg war. Erstaunlicherweise gab es in all der Zeit keine so negative Reaktion, dass ich mich jetzt daran erinnern könnte. Manchmal war es hart, klar, und ich hatte das Gefühl, nicht mehr weitermachen zu können. Aber im Gespräch mit Gott habe ich die Kraft dazu dann immer wieder gefunden. Daher fiel es mir auch leicht, mit den Entbehrungen umzugehen, die ein Missionseinsatz mit sich bringt: Kein Besuch der Familie, keine Zeit für Hobbys, kein Kino. Das Studium musste auch erst mal warten. Aber ich kann heute sagen, dass die Missionszeit für mich die glücklichste bisher war. Ich bin eigentlich evangelisch geboren. Meine Familie ist es immer noch. Klar wünsche ich mir, dass meine Eltern auch vielleicht einmal ausprobieren, ob das Buch Mormon für sie wegbereitend sein kann. Allerdings hat ja jeder die Freiheit, selbst zu entscheiden. Jetzt habe ich begonnen, Informatik zu studieren. Das ist natürlich etwas völlig anderes, aber es bleibt mir noch genug Zeit, für meine Kirche zu arbeiten. Ich leite beispielsweise sonntags den Kindergottesdienst und bin verantwortlich für die Gruppe der „Jungen alleinstehenden Erwachsenen“. Ich kann mich inzwischen recht selbstbewusst vor eine Menschenmenge hinstellen, und mein Zeugnis geben.“

Text: christiane-lutz - Bilder: Christiane Lutz

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