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„Ich gerate immer an die Falsche!“ Ein Gespräch über´s Prinzip Kennenlernen

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Das Wort „Partnerwahl“ steht in dicken Lettern auf den Flyern, die ihr für euer Seminar verteilt. Verkuppelt ihr Singles? Friederike: Nein. Wir wollen erklären, was bei der Partnerwahl im Hintergrund läuft. Christine: Die Idee kam über den Bekannten einer Kommilitonin. Er ist 35, solo und meinte: Macht doch mal was für Singles! Die Studenten am Lehrstuhl für Familienpsychologie machen jedes Jahr ein Präventionsprogramm. Jetzt aber zum ersten Mal für Singles. jetzt.muenchen: Ihr gebt mir also keine seltsamen Tipps nach dem Motto „Flirten leicht gemacht“? Christine: Uns geht es nur darum: Wie suche ich mir die Leute aus? Martin: Wir richten uns an die, die sich schwer tun, jemanden zu finden und auch an die, die sagen: Ich gerate immer an den Falschen. Friederike: Nebenbei: Flirttipps- und trainings lösen das Problem nicht. Die mögen gut sein, um das Praktische zu lernen, aber sie lösen nichts von dem, was dahinter steht. Ich kann dann zwar ansprechen, nehme aber trotzdem die Person, die nicht zu mir passt. Wir fragen zum Beispiel, welche Rolle die Familie beim Kennenlernen spielt. Christine: Ein klassisches Problem ist „Nähe-Distanz“. Die Frau klammert und der Mann zieht sich zurück. Er fragt sich vielleicht: Warum kann ich mich nicht einmal anders verhalten? Ich liebe den anderen ja! Und ihr sagt, dass die Ursache für dieses Problem in der Familie liegen kann? Christine: Eine Klischee-Erklärung wäre: Der Mann war der Liebling der Mutter und hatte in der Familie so eine Art Partnerfunktion, weil der Vater nicht emotional greifbar war. Wenn er nun bei einer Partnerin die gleiche Nähe sieht, bekommt er einen Fluchtreflex.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Darf dann an dem Wochenende jeder von seinen Beziehungen erzählen? Friederike: Nicht wirklich. Die Übungen können alle auf sich beziehen, preisgeben muss niemand etwas. Martin: Es gibt ja auch nicht „den Single“. Wir geben Impulse. Und wir schildern Fakten aus der Forschung. Friederike: Wir wollen bei den Leuten was anstoßen, indem wir zum Beispiel Szenen vorspielen oder zwei Teilnehmer das Kennenlernen spielen lassen. Ihr habt von Übungen gesprochen – welche Übungen meint ihr? Friederike: Zum Beispiel Gesprächseröffnung“ oder „Signale geben“. Christine: Wir machen unter anderem Zweier-Kennenlern-Übungen und fragen dann: Was habt ihr am anderen gesehen? Was habt ihr versucht zu senden und was ist angekommen? Welche Signale meint ihr? Friederike: Wie ich mich setze, ob ich das Kinn auf die Hand stütze und interessiert zuhöre oder ob ich mir durch die Haare fahre. Gibt es ideale Signale? Christine: Was bei beiden Geschlechtern gleich gut ankommt ist, die Präsenz zu unterstreichen. Durch die Haare streichen, sich lauter unterhalten, mit größeren Gesten sprechen. Es geht darum darzustellen, dass jetzt ICH wirklich da bin. Friederike: Aber der Mann darf nicht zuviel erzählen. Er muss die Frau trotzdem noch in den Mittelpunkt stellen, so dass sie sich wichtig fühlt. Ist aufmerksames Zuhören ein gutes Signal? Christine: Zuhören ist erst der nächste Schritt. Der erste Schritt ist Signale senden. Die sind ausschließlich nonverbal. Friederike: Und: Reine Zuhörer sind uninteressant. Ist das wie beim Tango: Einer muss führen? Der Mann? Friederike: Da kann ich nur spekulieren. Christine: Bei der Gesprächseröffnung steuert die Frau, soweit ich weiß. Friederike: Aber durch Signale. Sie bestimmt: Möchte ich das Gespräch beginnen oder nicht. Also führen eher die Frauen beim Kennenlernen? Christine: Das Aufforderungssignal geben die Frauen. Der Part des Mannes ist es, zu reagieren und das Gespräch zu eröffnen. Das klingt schon sehr nach „"Vortanzen"“. Friederike: Ja. Die Männer müssen die Komplimente machen, die Frau in den Mittelpunkt stellen -– die haben die fieseste Aufgabe, habe ich so das Gefühl. Gibt es Signale, die sicher für Interesse an meiner Person sprechen? Friederike: Wenn Blickkontakt besteht und gelächelt wird, dann stehen die Chancen gut. Martin: Es gibt aber Studien, nach denen Männer diese Signale gern überinterpretieren. Wenn ich daraus einen Tipp ableiten darf: Hingehen und fragen! Was wäre deine Frage? Martin: ,Hallo, ich weiß nicht ob ich das richtig interpretiert habe, aber ich habe den Eindruck – immer Ich-Botschaften senden – du hast zweimal zu mir rübergeschaut und ich war mir nicht sicher ob ich das richtig interpretiert habe und deswegen wollte ich fragen ...' Friederike: Weißt Du, was die dann sagt? ’'Studierst du auch Psychologie?’' Martin: Ja, aber mal grundsätzlich: Bei sich bleiben und ehrlich sein! Liebe lebt doch von den gegenseitigen Unsicherheiten. Eindeutige Tipps gibt es nie.


Viele sind auch einfach -– scheu. Schüchtern. Christine: Wer scheu ist nimmt einen „Korb“ vorweg. Er denkt, wenn er abgelehnt wird sei er nichts wert. Was kann ich dagegen tun? Martin: In der Psychotherapie nennt man das Ent-Katastrophisieren: Darüber nachdenken, was passieren könnte. Wenn man sich das Allerschlimmste denkt, das passieren könnte, kommt man zu dem Schluss: Es kann eigentlich nix wirklich Schlimmes passieren. Friederike: Bei uns fehlen leider die Rituale für das Ansprechen. In anderen Kulturen wird zum Beispiel über den Tanzstil rausgefunden, ob man zueinander passt. Haben wir in Deutschland besonders viel Angst, bei diesem Spiel zu verlieren? Friederike: Ich denke schon. Die meisten wollen nicht abgelehnt werden, weil . . . weil sie denken, sie würden in dem Moment als Person abgelehnt. Dabei kennt dich der andere gar nicht. Könnt ihr sagen, was den Münchener Single ausmacht? Friederike: Die Münchner Frauen gucken dich mit den Augen ausführlich von oben bis unten an. Martin: In München ist es zum Beispiel absolut unüblich, Menschen einfach so in der Kneipe anzusprechen. Das gilt, in Anführungszeichen, als asozial oder als Eingeständnis nach dem Motto: ,Ich hab’ keine Freundin’. Man kommt hier nicht so einfach ins Gespräch. Friederike: Ich glaube, deswegen war die WM auch so cool. Die Münchner haben das genossen. Sie hatten plötzlich einen Grund, mit jedem zu reden.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Wollen gemeinsam mit Kommilitonen in einem Workshop das Prinzip Partnerwahl ergründen: Friederike, Martin, Christine (von links; Foto: oh) Wir könnten das Ganze zuspitzen und sagen: München ist für Singles nicht gerade die geeignetste Stadt. Christine: Es ist einfach die Aufgabe jedes Einzelnen, diesen Check-Blick sein zu lassen und offener zu werden. Ein bisschen weniger arrogant sein! Ich erlebe das an mir selber: Je länger ich hier lebe, desto mehr passe ich mich dem an, desto münchnerischer werde ich. Aber nochmal: Woher kommt euer Gefühl, dass die Menschen in München . . . weniger offen sind? Martin: In München gibt es, spekuliere ich mal, In und Out-Groups. Die Türsteherkultur, die Konkurrenz zwischen den Läden, das macht die Beziehungen weniger offen. Viele haben hier ihre Homebase, die sie nicht verlassen und in die man schwer reinkommt. Seid ihr Single? Martin: Verheiratet. Friederike: Beziehung. Christine: Single. Mit derart verschiedenen Einstellungen –- gab'’s da nicht sehr verschiedene Ansichten zum Thema „Single sein“? Christine: Massiv. Martin: Jeder hat einen "Stereotyp „Single"“ vor Augen. Friederike: Über die Zielgruppe gab es heftige Diskussionen. Es gab das Singlebild von jemand, der permanent auf der Suche ist und immer an den Falschen kommt. Dann das Bild von jemandem, der sich überhaupt nicht traut. Dann von jemand, der sich traut, aber niemand kennenlernt. Christine: Dann das Bild vom kopflastigen Single, der nie zum Handeln kommt ... Christine, auch wenn du den Workshop mit vorbereitet hast – erwartest Du dir irgendetwas Neues von den Wochenenden? Christine: Garantiert. Ich bin vor allem gespannt, wie andere Singles in dieser Stadt über „Partnerwahl“ denken.

Text: peter-wagner - Illustration: Katharina Bitzl

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