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Atomkraft - ja bitte!

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Am Eingang leuchten Sonnenblumen, goldgelb, ein ganzes Feld, auf einem riesigen Plakat gleich neben der Tür. Die Sonnenblumen sind aber nur der Vordergrund, im Hintergrund qualmt monströs ein Kühlturm. Auf dem Plakat daneben ruht idyllisch ein See, am Ufer stehen zwei fensterlose Klötze. Das Bild entstand in Finnland und zeigt Olkiluoto Block 1 und 2. Gerade entsteht Block 3 – Europas neuer Super-Atommeiler, am Netz ab 2009. Hier wird er entworfen. Hier bei Framatome ANP in Erlangen. Hier arbeitet Cora. Ihr Firmenausweis baumelt wild umher, als sie zur Tür hereinkommt. Auf dem Ausweisband um ihren Hals steht kernenergie.de. Cora trägt einen dunklen Hosenanzug, ihre langen blonden Haare hat sie hinter die Ohren geklemmt. Sie lächelt. Kaum hat sie „Hallo“ gesagt, schwärmt sie von ihrer Firma. Dass hier alles ist wie in einer kleinen Stadt. Dass es hier eine eigene Bibliothek gibt und eine Kindertagesstätte. „Das ist wichtig“, meint Cora, „für später einmal“. Ein junger Mann mit Hemd und kurzen Haaren geht an ihr vorbei und grüßt sie kurz. Jetzt lächelt Cora noch mehr. „Das war einer von unserem Stammtisch“, sagt sie. Einer von ihren vielen Freunden hier. Einer von den vielen jungen Kollegen. Jedes Jahr stellt die Firma hundert neue Leute ein. Die Atomwirtschaft boomt. Cora Fischer ist 27 und stellvertretende Vorstandssprecherin der „Jungen Generation“, einem Zusammenschluss junger Kerntechniker. Die etwa 200 Mitglieder sind alle nicht älter als 35, studieren Physik, arbeiten in Atomkraftwerken oder eben wie Cora als Ingenieurin in einer Firma, die Atomkraftwerke baut. Die „Junge Generation“ will zeigen: Hier sind verantwortungsbewusste, intelligente und völlig normale junge Leute und sie finden Atomkraft gut. Weil sie daran glauben. So wie Cora. Dafür demonstrieren sie und geben Fernsehinterviews, treffen sich mit Politikern, führen Studenten durch Uran-Anreicherungsanlagen und diskutieren mit Schülern. Cora kann Sätze formen wie ein Politiker: „Ich finde Kernkraft gut weil sie ein notwendiger Teil des Energiemix ist. Sie liefert beständig Strom, ist wirtschaftlich und umweltfreundlich.“ Mit ähnlichen Argumenten hat der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) den Bau neuer Atomkraftwerke (AKWs) in Deutschland gefordert. Obwohl die alte Bundesregierung und die Industrie schon im Jahr 2000 beschlossen hatten, bis 2020 alle deutschen AKWs abzuschalten. Seit Öl, Gas und Kohle aber täglich teurer werden, wird wieder über die Zukunft der Atomkraft diskutiert. Cora hat in einem schmucklosen Konferenzraum Platz genommen. „Ich bin nicht der Meinung, dass der Atomausstieg so kommt“, sagt sie. Cora redet ruhig und bedächtig. Für die Sprecherin einer Interessensorganisation wirkt sie fast ein wenig schüchtern. Aber auf ihrem Standpunkten beharrt sie fest. Für sie ist Atomkraft vor allem eines: völlig normal – schon ihr ganzes Leben lang. Cora wurde in Greifswald an der Ostsee geboren. Dort gab es vor der Wende ein Atomkraftwerk. Ihr Vater arbeitete dort, ihre Mutter, ihr Opa, ihr Onkel, ihre Tante. Als vor zwanzig Jahren der Reaktor in Tschernobyl explodierte, saß Coras Mutter vor dem Fernseher und weinte. Darüber geredet oder gar diskutiert wurde nicht. Während die Kinder in Westdeutschland die folgenden Jahre Gudrun-Pausewang-Bücher lasen und umweltbewegten Lehrern zuhörten, begegnete Cora das Thema Tschernobyl erst wieder später im Physik-Unterricht. „Wir hatten im Leistungskurs einen Lehrer, der in Sachen Kernenergie sehr aufgeschlossen war“, erinnert sie sich. „Der hat anschaulich erklärt, wieso eine solche Katastrophe bei unseren Reaktortypen nicht passieren kann. Das war ein überzeugendes Argument.“ Der aufgeschlossene Lehrer machte mit der Klasse Exkursionen in Kraftwerke und Endlager. Cora fing an, in Dresden Maschinenbau zu studieren. Dort gibt es an der TU einen Übungsreaktor, an dem die Studenten lernen können, wie man ein AKW am Laufen hält. Cora stellte fest, dass die Atomwirtschaft Nachwuchs sucht und übte am Uni-Reaktor. Sie war die einzige Kerntechnik-Studentin in ihrem Jahrgang und hatte einen Professor ganz für sich. Ihre Diplomarbeit schrieb sie bei ihrem heutigen Arbeitgeber. Jetzt arbeitet sie hier als Diplom-Ingenieurin, Aufgabenbereich Störfallanalyse. Ihr Job: Herausfinden, wie man ein Unglück verhindert, wenn ein Reaktor Kühlmittel verliert. Im Grunde macht sie mit ihrer Arbeit die Kernkraft sicherer. Ein wenig zumindest. Für ihre Überzeugungen gehen Cora und ihre Kollegen von der „Jungen Generation“ auch auf die Straße. Einmal wollten Atomkraftgegner ihre Jahrestagung stören. „Da haben wir Flagge gezeigt“, erzählt Cora, „und uns ihnen gegenüber gestellt und für Atomkraft demonstriert.“ Sie schrieen und schwenkten Transparente, auf denen stand: „Atomkraft – ja bitte“. Einmal zog eine Gruppe sogar vor das Hauptquartier ihres größten Feindes – die deutsche Greenpeace-Zentrale. Die große Demo kennt Cora allerdings nur aus Erzählungen. „Eigentlich“, sagt sie, „sind Demonstrationen so gar nicht mein Ding.“ Sie benutze lieber sachliche Argumente. Sie fährt gerne an Schulen. Dort hören ihr die Schüler interessiert zu. Das Umweltministerium ließ im Januar Schüler zwischen 12 und 16 Jahren befragen. 72 Prozent wünschten sich mehr Unterricht zum Thema Atomkraft. Foto: Patrick Ohligschläger Dieser Text ist Teil der jetzt.de-Macht-Seite, die am Montag in der Süddeutschen Zeitung erscheint.

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