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Cannabis und Koks im Supermarkt?

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Personen, die für eine Legalisierung von Drogen eintreten, haben meistens bunte Dreadlocks, schlechte Zähne und ein klappriges Fahrrad. Manche von ihnen haben Probleme, einen vollständigen Satz zu sprechen. Aber das stört sie nicht, weil ihnen das wie vieles andere einfach egal ist. Ihre Gegner hatten es nichtzuletzt deswegen immer sehr leicht - Legalisierungs-Befürworter diskreditierten sich einfach häufig selbst durch ihr Auftreten. Die Forderung nach einer Freigabe von Drogen klang genauso naiv wie der Wunsch friedensduseliger Kriegsgegner, die von einer Welt ohne Nuklearwaffen träumen. Letzteres hat Präsident Barack Obama vor kurzem als Ziel formuliert. In das Thema "Legalisierung" scheint ebenso Bewegung zu kommen. "Die Prohibition hat versagt, Legalisierung ist das kleinere Übel", lautete die Unterzeile des Artikels "How to Stop the Drug Wars". Auf dem Cover des Magazins prangte ein Cannabisblatt. Im Artikel selbst ging es vor allem um Zahlen: 40 Milliarden Dollar geben alleine die USA aus, um das Angebot an illegalen Drogen einzudämmen. Der amerikanische Staat verhaftet jährlich 1,5 Millionen seiner Bürger aufgrund von Drogenvergehen, 500.000 von ihnen erhalten Haftstrafen. In den letzten Jahren sind die Preise für Drogen gestiegen, gleichzeitig nahm ihr Reinheitsgehalt ab. Trotz dieser Faktoren blieb die Nachfrage konstant. Im Dezember 2006 starben 600 mexikanische Polizisten im Drogenkrieg, in der Dritten Welt ganze Staaten im Chaos versinken und zu sogenannten "Narco States" werden. Helfen könne angesichts dieser Tatsachen nur noch eines: Die Legalisierung aller Drogen. Das Magazin, das diese These vertritt, ist so ziemlich das Gegenteil eines verpeilten Kifferblatts. Es handelt sich um eine März-Ausgabe des renommierten Londoner Wirtschaftsmagazins The Economist. Am 26. Februar 1909 trafen sich in Shanghai mehrere ausländische Diplomaten, um zum ersten Mal in der Geschichte Vereinbarungen zu treffen, die den Drogenhandel eindämmen sollten. Aus dem Treffen entstand drei Jahre später die "Internationale Opium Convention", in der sich 13 Staaten dazu verpflichteten, Handel und Herstellung von Kokain, Morphium und Hanf zu kontrollieren. 100 Jahre später, so schreibt The Economist, sei klar: Der Krieg gegen die Drogen ist gescheitert.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

So steil die These klingen mag, sie ist mit zahlreichen Fakten untermauert. Die Prohibition macht ansonsten rechtschaffene Bürger zu Kriminellen, sie macht Drogen gefährlicher, weil ihr Wirkstoffgehalt unbekannt ist. Die Legalisierung würde aus einem Kriminalitätsproblem ein Gesundheitsproblem machen. Experten fordern schon seit langem, Drogensucht als Krankheit einzustufen. Strikt verboten sein sollte der Verkauf an Minderjährige, ansonsten könnte der Staat die Drogen nach ihrer Stärke besteuern. Auch die Befürchtung, wonach mehr Menschen Drogen nehmen, wenn diese erstmal legal erhältlich sind, sei unbegründet: Es gebe keine nachweisbare Korrelation zwischen Konsum und strengen Drogengesetzen. Am meisten aber leiden die Produzenten- und Transitländer: Mexiko droht in einem blutigen Drogenkrieg zu versinken. Trotz Aufklärung und staatlicher Kontrolle, gibt das Magazin zu, sei es aber wahrscheinlich, dass die Nachfrage in den westlichen Konsumentenländern nach einem sicheren und hochwertigeren Produkt steigen werde. Die Vorteile aber wögen die Nachteile bei weitem auf. Keine vier Wochen später sprach sich Joe Klein, Kolumnist des amerikanischen TIME-Magazins für eine Legalisierung von Marihuana aus. Auch er argumentiert wirtschaftlich: Eine 10-Prozent-Steuer auf Marihuana würde allein dem kalifornischen Staat Einnahmen von 1,4 Milliarden Dollar bescheren, sowie zahlreiche Jobs in der Landwirtschaft und im Handel schaffen. Beide Artikel räumen mit einem Missverständnis auf: Legalisierungsbefürworter sind keine Drogenbefürworter. Einstimmigkeit herrscht in der Auffassung, dass Drogen eine Gesundheitsgefährdung darstellen können und eine Welt ohne Suchtstoffe wünschenswert wäre. Die Kommentatoren aber behaupten: Verbote haben mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Es ist Zeit umzudenken. In Deutschland sind es vor allem Jugendverbände der etablierten Parteien, die eine neue Denkrichtung einschlagen. "Wir sind für eine Legalisierung aller Drogen und deren Verkauf in Sonderfachgeschäften, in denen Kunden kompetent beraten werden. Die Geschäfte sollten staatlich geprüft sein", sagt beispielsweise Max Löffler, 21, Sprecher der Grünen Jugend. "Vielleicht ist das auch eine Generationenfrage. Die heutige Jugend sieht das entspannter", sagt Johannes Vogel, 26, Vorsitzender der JuLis. Die Jugendorganisation der FDP macht sich im Gegensatz zu ihrer Mutterpartei für eine Legalisierung von Cannabis stark, will aber harte Drogen weiter verbieten. Die Forderungen wirken manchmal naiv und sind oft mit dünneren Argumenten unterfüttert sind als der Artikel des liberalen Economist. Ein weitaus größerer Prozentsatz der deutschen Bevölkerung dürfte sich davon abgeschreckt fühlen. Vielleicht aber sind genau solche Schockmeldungen notwendig, um eine Debatte in Gang zu bringen. "Wir reden hier über nichts, was in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden kann", sagt Max Löffler. "Uns geht es vor allem um die Richtung: Statt Drogen zu dämonisieren, sollten wir öffentlich darüber diskutiert. Manchmal sind deswegen so radikale Forderungen nötig."

Text: philipp-mattheis - Foto: ddp

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