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"Das Beste beim Freestyle und beim Fußball passiert ohne Nachdenken"

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jetzt.muenchen: Ihr seid Musiker und fußballbegeistert. Habt ihr am Samstag das Länderspiel angeschaut oder den Eurovision Song Contest? Schu: Ich hab Fußball geschaut. Aber nur nebenher, während ich aufgeräumt und Wäsche gewaschen habe. Sepalot: Ich muss zugeben: Ich bin schlafen gegangen. Wir sind gestern von unserer Kapstadtreise zurückgekommen und über Nacht geflogen. Deswegen hat es mir am Abend die Füße weggezogen. Was habt ihr in Kapstadt gemacht? Sepalot: Wir haben mit der ARD schon einige Bilder für unsere WM-RAPortagen gedreht, im Stadion und an allen möglichen anderen Orten. Davor haben wir einen Workshop in einem Township gemacht und sind mit ein paar einheimischen Künstlern ins Studio gegangen und haben einen Song aufgenommen. Dann gab’s noch ein Abschlusskonzert. Wie reagiert ein Publikum auf eure Musik, das eure Texte nicht versteht? Schu: Erstmal spricht sich so was in den deutschen Communitys immer schnell rum. In Kapstadt gibt es ziemlich viele Deutsche. Aber eigentlich ist es uns da wichtiger, die Einheimischen zu begeistern. Deswegen rappen und freestylen wir auch viel auf Englisch, auch wenn das manchmal eher einen Unterhaltungswert hat als einen künstlerischen. Das macht aber viel Spaß. Man kann Sachen einfließen lassen, die man in den paar Tagen mitbekommen hat. Das Grillen zum Beispiel, das die Südafrikaner Braai nennen – das ist das große Ding da, und wenn du über so was rappst, jubeln alle. Aber wenn wir auf Deutsch rappen, funktioniert es auch: Es geht ja darum, die Energie über die Musik und Auftreten an sich zu transportieren und die Leute darüber zu begeistern. Ihr macht die Raportagen jetzt zum dritten Mal. Wird es euch nicht langsam langweilig, immer um die Worte Tor, Abseits, Elfmeter, Freistoß herum zu rappen? Schu: Das ist eher eine Herausforderung. Das Schöne am Fußball ist ja, dass es eigentlich immer das gleiche ist, aber doch jedes Mal anders. Aber wenn die Deutschen jetzt schon wieder gegen Polen spielen würden wie in den letzten beiden Turnieren, wäre es schwierig. Wir freuen uns, dass diesmal Mannschaften in unserer Gruppe sind, die wir noch nicht hatten, und dass bei Ghana auch noch der Boateng spielt, der den Ballack kaputt getreten hat – natürlich freuen wir uns nicht über die Tatsache an sich. Aber es ist spannender und bietet uns mehr Spielräume, wenn im Vorfeld so was passiert. Gibt’s schon einen Reim zu Boateng? Schu: Nein, und dazu fällt mir gerade auch nichts ein. Pengpeng vielleicht. Oder Plemplem – aber das reimt sich nicht wirklich. Jedenfalls fand ich das Foul extrem grob und unsportlich, und wenn Boateng gegen Deutschland aufläuft, wird ihm mit Sicherheit ein Zweizeiler gewidmet. Sepalot: Um noch mal zur Langeweile zu kommen. Künstlerisch ist der Reiz vor allem das schnelle Arbeiten. Die Situation ist komplett anders als bei normalen Studioaufnahmen. Egal, wie spontan man sich vornimmt zu arbeiten, am nächsten Tag geht man wieder ins Studio und denkt sich, das ist schon gut, aber an der Stelle mach’ ich das noch mal und hier dreh’ ich noch mal ein bisschen. Das fällt bei den Fußball-Clips alles weg. Wir haben nach dem Spiel maximal eine Stunde, um die Texte zu schreiben, aufzunehmen und alles zu mischen. Dann wird’s gesendet, und schon kommt das nächste Ding. Wie funktioniert der Ablauf genau? Schu: Reime schreiben wir keine während des Spiels. Wir notieren uns während des Spiels nur Stichpunkte. Die Tore kann man sich ja merken, aber du brauchst ja auch Fouls, Chancen und so weiter. Unser Regisseur von der ARD sitzt auch mit dabei. Dem sagen wir dann, welche Bilder wir brauchen. Sepalot: Noch eine Situation, die wir sonst nicht haben: Wir können mit den Bildern spielen. Normalerweise muss sich bei einem Rap der Text selbst erklären. Bei den Raportagen würden manche Textzeilen ohne das Bild überhaupt keinen Sinn ergeben.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Seid ihr eigentlich richtige Fußballfans? Sepalot: Du hast hier genau die zwei Extreme aus der Band erwischt. Der Schu lässt sich kein Drittligaspiel entgehen, und ich bin nur sehr phasenabhängig richtig fußballinteressiert. Ist Fußball und Fußballkultur in der Gesellschaft präsenter als früher? Schu: Ich glaube, das war vor allem 2006 so, als die WM bei uns war. Die Frage ist, hat sich unsere Fußballkultur verändert oder war das ein Boom, der wieder weg ist, wenn die Nationalmannschaft mal wieder schlecht spielt. Ich befürchte eher letzteres. Wenn ich im Grünwalder Stadion die Bayern-Amateure anschaue, dann sitzen da jetzt genauso wenig Leute wie vor der WM 2006. Hat sich die Fußball-Euphorie denn wenigstens auf euren Bekanntheitsgrad übertragen? Sepalot: Wir haben gemerkt, dass wir in Kreisen bekannt geworden sind, mit denen wir eigentlich keine Berührungspunkte haben. Das fängt an beim Vermieter der Räume, in denen wir unser Studio haben. Für den waren wir vorher irgendwelche Musiker, jetzt sind wir die Fußballrapper aus dem Ersten. Nach der WM wurden wir gefragt, ob wir Modenschauen moderieren wollen oder bei Jubiläumsveranstaltungen von Großkonzernen rappen. Wir haben diese ganzen Sachen aber nicht angenommen. Wir verstehen uns nicht als Auftragsmusiker. Wir machen dieses Fußballding, weil es uns begeistert, sowohl inhaltlich als auch von der Arbeitsweise her. Und wie hat sich diese Bekanntheit in den Plattenverkäufen niedergeschlagen? Es ist ja sicherlich kein Zufall, dass das neue Album jetzt quasi zeitgleich mit dem Beginn der WM erscheint. Schu: Nein. Das haben wir die letzten Male schon gemerkt, dass sich unsere Alben nach der WM gut verkauft haben und dass bei iTunes und so weiter die Sachen besser gehen. Wenn jemand die RAPortagen auf Youtube sieht und sie ihm gefallen, ist es ja naheliegend, dass er ein bisschen weiterklickt und schaut, ob ihm der Rest auch gefällt. Und jetzt bringen wir mit dem neuen Album das erste Mal parallel zu den Fußball-Raps auch was Aktuelles raus. In der Ankündigung eures neuen Albums heißt es, dass es mehr Punk-Attitüde transportiert: Was bedeutet das? Sepalot: Damit ist gemeint, dass das Album sehr viel roher ist als die vorhergehenden. Wir haben versucht, den Moment einzufangen, das Feeling, das wir auf der Bühne zusammen haben. Wir haben versucht, im Studio eine Live-Situation zu kreieren. Wenn einer seinen Part gerappt hat, standen die anderen außen herum und haben Textteile gedoppelt, wie wir es auch auf der Bühne machen. Wir haben gemerkt, dass es sich besser anfühlt, so Musik zu machen, als wenn der eine am Montag kommt und sein Zeug aufnimmt, und am Dienstag kommt der nächste. Aber es ist eben auch etwas ungeschliffener. Das ist das Punkige. Das hängt damit zusammen, dass wir vergangenen Herbst eine Freestyle-Tour gemacht haben. Ohne feste Playlist, einfach zwei Stunden Freestyle. Und diese Tour war mitten in der Produktion des Albums. Wie funktioniert das eigentlich – Freestylen? Schu: Das ist pure Übungssache. Man entwickelt da bestimmte Mechanismen. Das ist vielleicht wie bei einem Fußballer, der einen Übersteiger halt einfach macht, während sich ein Laie dabei fast die Beine bricht. Die großen Momente sind beim Fußball und beim Freestylen aber meistens die, wo etwas ohne Nachdenken passiert. Eigentlich hat man Blumentopf immer ein bisschen der Skateboard-Ecke zugerechnet. Wie kamen die Fußballmenschen der ARD denn auf euch? Sepalot: Lustigerweise genau über diese Skateboard-Ecke. Die ARD wollte eine Musikkomponente in ihren Sportbeiträgen haben. So wie es in den Siebzigern das Fußball-Ballet gab – klassische Musik und dazu die Spielszenen in Zeitlupe vorwärts und Rückwärts abgespielt. Nur sollte es etwas frischer sein. Zufällig arbeitete ein alter Skateboardkollege von uns an der Konzeptionierung mit und hat uns gefragt, ob wir was zusammen machen können. Wie hat die Hip-Hop-Szene es aufgenommen, dass ihr plötzlich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wart? Da wird euch ja gerne mal das Studentenrap-Image vorgeworfen. Schu: Da gab es alle möglichen Reaktionen, von den Leuten, die jubelnd vorm Fernseher saßen, bis zu denen, die Fremdschämgefühle entwickelt haben. Die Hip-Hop-Szene ist enorm groß, und wir sind da für manche Stein des Anstoßes, für andere sind wir wiederum genau so, wie Hip-Hop sein sollte. Ich finde das aber gut, dass wir da auch ein bisschen polarisieren. Das ist mir lieber, als wenn es allen wurscht wäre, was wir machen. Letzte Frage, Zeit für Prognosen: Wie wird die letzte Zeile lauten, die ihr bei der WM rappt? Schu: So wie’s aussieht, werden wir auch zum Finale noch ein Stück machen, egal ob Deutschland dabei ist oder nicht. Ich bin eigentlich relativ überzeugt, dass das Wort Spanien vorkommen wird, vielleicht sogar in direkter Kombination mit dem Wort Weltmeister.

Text: christian-helten - Foto: blumentopf

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