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Das Erbe im Pappkarton

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Jahrelang schlummert das Erbe von Juri Gottschalls Vater in unscheinbaren Pappkartons auf dem Speicher – ein vergessener Schatz. Als der Wirtschaftsjournalist vor zehn Jahren stirbt, hinterlässt er seinem Sohn über 10.000 Negative von Schwarz-Weiß-Fotografien. Der 28-Jährige Münchner hat sie wiederentdeckt und nun eine Internetseite* eingerichtet, auf der er die Bilder seines Vaters zeigt. jetzt.muenchen: Was genau ist dein Projekt und welche Idee steckt dahinter? Juri: Es geht um meinen Vater, der zu Lebzeiten unglaublich viel fotografierte – einmal aufgrund seiner Arbeit als Journalist, aber vor allem aus einer Art Berufung. Nach seinem Tod hat er eine riesige Menge an Bildern hinterlassen, die ich jetzt aufarbeite, sichte und archiviere. Dabei entdecke ich, wie unglaublich interessant diese Bilder sind und welche hohe fotografische Qualität sie haben. Ich habe eine Internetseite eingerichtet, die den Stand der Arbeit widerspiegelt und auf der ich Stück für Stück immer neue Fotos veröffentliche. Da es so viele Bilder sind, dauert es wohl noch einige Zeit, bis ich alles komplett archiviert habe.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

Juri beim Sortieren... jetzt.muenchen: Warum machst du das? Juri: Wenn ich an meinen Vater denke, sehe ich ihn immer mit einer Kamera in der Hand. Schon als ich noch ein Kind war, stand er jeden freien Moment mit mir in der Dunkelkammer und wir entwickelten gemeinsam Fotos. Allerdings war er aus beruflichen Gründen auch viel unterwegs. Von diesen Reisen hat er Bilder mitgebracht, von denen ich nichts wusste. Die Negative hat er alle aufgehoben, allerdings nicht gerade geordnet. Wir haben in einem großen Haus gewohnt und Negative und Abzüge lagerten jahrelang auf dem Speicher oder irgendwo im Keller. Erst als meine Mutter aus dem Haus auszog, entdeckte ich sie beim Stöbern wieder und ich bekam sie zum ersten Mal in die Hand. Ich bin auf einen Schatz gestoßen, von dem ich kaum Ahnung hatte. Und sehe mich jetzt in der Pflicht, was daraus zu machen. jetzt.muenchen: Wie erinnerst du dich an deinen Vater? Juri: Das Verhältnis war sehr eng. Er war aber viel unterwegs und ich war deshalb nicht jeden Tag mit ihm zusammen. Als mein Vater später immer mehr Zeit bei seinen kranken Eltern verbrachte, habe ich ihn noch weniger gesehen. Damals haben wir uns immer geschrieben. Ich bekam von überall her Postkarten, die ich noch heute fast alle habe. Ich würde auch sagen, dass mein Vater mich an die Kunst, vor allem an die Fotografie, herangeführt hat. Er war ein sehr kreativer Mensch, malte Bilder, klebte Collagen, schrieb und fotografierte und hörte dazu laut Musik. Für mich als Kind war das faszinierend. Das hat mich geprägt, ich mache heute ganz Ähnliches. jetzt.muenchen: Was macht die Bilder so besonders? Juri: Wenn ich sie mir „nur so“ ansehe, also nicht als Sohn, finde ich sie interessant, weil sie spannende Zeitdokumente sind. Die Arbeiten meines Vaters stammen fast alle aus den frühen Sechziger- bis Achtzigerjahren. Das waren Jahre in denen viel passiert ist. Mein Vater hat sowohl Wirtschaftsbosse und Prominente als auch Menschen auf der Straße fotografiert und beide mit der gleichen Intensität und Würde abgebildet. Dabei hatte er oft einen speziellen Blick für absurde und skurrile Situationen.

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„Meist schweißt es die Partner eher zusammen, wenn sie gemeinsam die Depression überstehen”, sagt Dr. Gabriele Pitschel-Walz.

Illustration: Julia Schubert

...und eines der Fotos, die er in den Pappkartons fand. jetzt.muenchen: Das Gespür für den richtigen Moment . . . Juri: Davon lebt jedes Bild. Mein Vater hat Psychologie studiert, bevor er Journalist wurde und profitierte davon sicher bei seiner Arbeit als Fotograf. Er hat in den alltäglichsten Situationen durch die richtige Perspektive etwas Besonderes gesehen. Die Fotos entstanden spontan, zeigen Menschen ungeschminkt, auf eine ehrliche Art und Weise. Meist hat er fotografiert, ohne dass sie es bemerkt haben. jetzt.muenchen: Bringt dich das Archivieren deinem Vater näher? Juri: Die Bilder zeigen zwar nur einen Ausschnitt, aber dennoch einen großen Teil seines Lebens, denn mein Vater hat wirklich bei jeder Gelegenheit fotografiert. Dieses Leben als „rasender Reporter“ kenne ich nicht und genau davon leben und erzählen die Aufnahmen. Es ist für mich faszinierend, diesen Teil seines Lebens noch einmal in Bildern nachzuvollziehen. Es ist ein Puzzle, eine Rekonstruktion, ein Zusammenfügen. jetzt.muenchen: Sind es Fußstapfen, in die du trittst oder ist es eher eine Spurensuche? Juri: Ich denke es ist wohl beides. Einerseits sehe ich mich als eine Art Nachlassverwalter, denn ich versuche sein Leben als Fotograf zu rekonstruieren. Andererseits wandle ich auch auf den Spuren meines Vaters, weil ich seine Arbeit in seinem Sinne weiterführe. Ich weiß, dass die Veröffentlichung dieser Bilder immer sein Wunsch war und mache das in erster Linie als eine Hommage an ihn. Gleichzeitig entdecke ich durch die Bilder eine Zeit, die mir unbekannt ist, weil ich sie nicht miterlebt habe. Auf den nächsten Seiten sind ausgewählte Bilder von Dietmar Gottschall zu sehen. Weitere gibt es unterdietmargottschall.com. Juri ist im jetzt.de-Kosmos als jushi unterwegs.


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