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Das Klopfen an der Badezimmertür

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Friederike Trudzinski (23) veröffentlicht in diesen Tagen ihr erstes Buch. Es heißt "Boris" und erscheint im Verlag Minimal Trash Art. Die Geschichte "Frauke" eröffnet die jetzt.de-Sonderseite zum Thema Sex. "Nee, lieber nicht." Ich sitze auf dem Rand von Fabians Bett und verachte mich selbst. Ich trage eine hübsche Unterhose. Ich habe mir extra eine hübsche Unterhose angezogen. In Schwarz, mit einem Totenkopf drauf, der silbern glitzert. Ein glitzernder Totenkopf wirkt gefährlich und glamourös gleichzeitig. Wie ich genau nicht bin in diesem Moment. Den passenden BH habe ich schon ausgezogen. Er liegt auf dem Boden. Ich habe ihn tatsächlich selbst ausgezogen. Das kann ich gar nicht mehr glauben, jetzt wo ich Fabians graues Sweatshirt übergeworfen habe und kurz davor bin zu heulen. Weil mir schlagartig kalt geworden ist, sind meine Brustwarzen erigiert und stehen bescheuert ab. Ich glaube, dass Brustwarzen das sowieso nur machen, wenn man friert. Und all die Wet-T-Shirt-Wettbewerbe und erigierten Plastik-Brustwarzen, die Stars unter dünnen Seidenkleidern tragen und all die Eisstückchenlager bei Pornofilmproduktionen könnten wegfallen, wenn die Männer die Frauen mal fragen würden, warum ihre Nippel erigiert sind. Wäre doch krank, wenn Frieren und sexuelle Bereitschaft biologisch verknüpft wären. Andererseits erscheint mir die Natur wirklich mehr und mehr frauenverachtend. Fabians Zimmer ist nicht besonders schön eingerichtet. Fabians Hände sind klebrig. Er hat viel zu viel Aftershave oder Parfüm aufgetragen. Und diesen Penis finde ich nicht mal interessant. Ich mache mir überhaupt nichts aus Penissen, glaube ich. Und ich finde es respektlos, wie dieser Penis nicht aufhört zu stehen, während Fabian mich in den Arm nimmt und so tut, als könne er mich trösten. Kann er natürlich nicht. Nicht mit diesem Penis und nicht mit dieser Erwartung und nicht in diesem Zimmer. Im CD-Player läuft eine romantische Rockballade. Im CD-Player läuft eine Romantische Rockballade nach der anderen. Ich sage: "Es tut mir Leid. Ich kann das irgendwie nicht, ich bin blöd. Es geht nicht." Ich will, dass er die Hand von meinem Rücken nimmt. Wenn er jetzt nicht sofort die Hand von meinem Rücken nimmt, wird mein Körper explodieren. Ich kann mein Herz klopfen hören wie das Ticken einer Zeitbombe. Ich könnte ihm problemlos die Hand abreißen. Wie viel Kraft in meinem Körper steckt! Jeder Muskel ist angespannt. "Dir braucht gar nichts Leid zu tun. Wir haben ja alle Zeit der Welt", sagt er. Irgendwie explodiere ich nicht. Ich lächle kurz. Und dann stehe ich auf und gehe auf die kleine Toilette. Sie ist direkt gegenüber von Fabians Zimmer. Darum ziehe ich mir keine Hose an, sondern husche einfach eilig auf die andere Flurseite. Ich drehe den Schlüssel um und setze mich. Ich kann nicht pinkeln. Unter der Toilettenschüssel liegt ein kleiner, weicher Teppich in beruhigendem Grün. Ich sehe mir meine Füße an. An der Stelle, wo die Füße zu Beinen werden, habe ich vergessen, mich zu rasieren. Das wäre komisch, mich daran zu erinnern, wie ich das erste Mal Sex hatte und meine Beine nicht richtig rasiert waren. Noch ein Grund, es heute nicht zu machen. Mir fällt der erste nicht mehr ein. Weibliche Intuition. Und wenn ich mir leise sagen möchte, dass mir der richtige Grund nicht einfällt, sage ich, er fiele mir nicht . . . Angst. Ist bestimmt auch ein Zeichen. Als hätte ich vor etwas so lächerlichem Angst wie Fabians Körper. "Und jetzt ramm' ihn mir rein!", denke ich. Und ich muss lachen. Mehr wie ein Husten nach Lungenzügen als ein richtiges Lachen. Aber nicht krampfig. Es kommt schon aus mir heraus. Frigide bin ich also nicht. Oder ist es frigide, das zu denken und dann lachen zu müssen? "Hey? Alles in Ordnung? Kommst du noch mal wieder?" Fabian steht vor der Tür. Das ist so schrecklich. Er steht vor dieser Tür und wartet darauf, dass ich rauskomme und seine Erektion mich trösten darf. Jetzt will ich überhaupt nicht mehr raus. Ich bin frigide und darum darf ich hier drin bleiben bis zum Sankt Nimmerleinstag. Ich antworte nicht. Ich reiße Silberfäden aus dem Totenkopf auf meiner Unterhose. "Und jetzt ramm' ihn mir rein. Oh ja, du geiler Hengst", denke ich. Überhaupt nicht lustig. Die leicht gewellten Silberfäden sehen aus wie Schamhaare. Morgen oder noch heute Abend findet Fabians Mutter ein Häufchen mit silbernen Schamhaaren auf dem grünen Teppich. "Was machst du denn da drin?" Oder Fabian findet sie und denkt, dass ich darum nicht mit ihm schlafen konnte, weil meine Schambehaarung silbern ist. So ein Quatsch. "Komm da raus!" Fabians Stimme bekommt einen ängstlichen Unterton. Vielleicht denkt er, ich hätte mich umgebracht aus Angst vor seinem Penis. "Frauke!" Ja. Ich habe mir die Pulsadern aufgeschnitten und blute jetzt aus den Armen, statt woanders raus. Ich habe meine Arme entjungfert. "Das ist nicht witzig. Sag wenigstens was. Ich . . ." So frigide bin ich, dass ich mich eher umbringe als zu vögeln. Fabian klopft gegen die Tür. Panisch drückt er auf die Klinke. Aber ich habe ja abgeschlossen. Und nur weil er klopft, mache ich noch lange nicht auf. Soll er sich ruhig vorstellen, ich läge hier in einer Blutlache. Und sich ärgern, dass das Blut nicht aus meiner kleinen, silbernen Muschi läuft. Der Sex-Fabian. "Habe ich was falsch gemacht?" Was denkt er, dass eine tote Freundin ihm antworten kann, wenn er versöhnlich wird? Natürlich tut er mir Leid. Natürlich hat er nichts gemacht. Aber jetzt kann ich auch nicht mehr rausgehen. Ich sitze jetzt auf dem Deckel des Klos. Der Deckel ist mit dem gleichen grünen Frottee-Plüsch bezogen, aus dem der Teppich gemacht ist. Ich versuche mit den zusammengedrückten Zeigefingern der rechten und linken Hand die restlichen Haare aus meinen Beinen herauszureißen. "Bitte komm da raus!" Fabian hört nicht auf zu klopfen. "Was habe ich dir getan, dass du mich so quälst?" Das ist wirklich erbärmlich. Jetzt quäle ich ihn. Wenn er damit anfängt, kann ich gar nicht mehr raus. Plötzlich ist man ein Sadist und trägt Schuld. Vielleicht wollte ich nur auf die Toilette gehen und pinkeln. Vielleicht wollte ich mir nur meine Muschi im Spiegel angucken und Haare stutzen. Oder in was Bequemes schlüpfen. Vielleicht wollte ich das nur. "Du hörst mich doch. Ich kann spüren, dass du mich hörst. Ich will doch nur, dass du mit mir sprichst. Wir müssen überhaupt nichts machen. Wir müssen auch nicht miteinander sprechen. Ich will nicht, dass du denkst, wir müssten irgendetwas machen." Ich kann hören, wie er heult. "Sag bitte nur ein Wort." Er schluchzt auf. "Bitte! Frauke!" Ich bin tot. "Bitte!" Und jetzt weiß ich wirklich nicht mehr, was mit mir los ist. Aber fürs erste bin ich tot und es ist mir egal. "Bitte." Ich bin tot. friederike-trudzinki.jetzt.de Illu: dirk-schmidt

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